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RE: Brexit - Mc Timsy - 19.12.2018, 18:09

Railway Dash schrieb:Nach dieser Logik verpflichtest du als deutscher Staatsangehöriger dich bitte, persönlich aus deinem Privatvermögen bzw. deinem persönlichen Einkommen Reparationszahlungen z.B. an Großbritannien zu leisten. Wäre eine Strafe für die V2, die Deutschland damals auf Großbritannien geschossen hat.

Ich finde es erstaunlich, wie schnell beim vermeintlichen Thema "Erbschuld" sofort auf das persönliche Vermögen abgezielt wird, ehrlich gesagt eine, in meinen Augen, etwas verwerfliche Art die Debatte sofort zu unterdrücken.

Derartige Diskussionen betreffen nicht die Person, sondern das Kollektiv und hier können in Einzelfällen Debatten erforderlich sein. Ich habe weder auf Russen, noch auf Franzosen geschossen. Beides haben bestimmte Vorfahren von mir nachweislich gemacht, selbstverständlich trifft mich dafür aber keine Schuld.
Wie dem auch sei, dies ist unabhängig von der Frage ob, beispielsweise Verbrechen der Kolonialzeit ausgeglichen werden müssen, oder ob bestimmte Praktiken der heutigen Zeit verwerflich sind. Da stehen die Völker sich jeweils als kollektiv gegenüber und diese kollektive sind vergleichsweise unabhängig von Zeit und Raum. Ansonsten könnten auch internationale Verträge nicht funktionieren, weil es meistens nicht die gleiche Regierung ist, die einen solchen Vertrag unterzeichnet hat. Eine grundsätzliche Bereitschaft dazu, Verträge der eigenen Vorgänger zu akzeptieren gehört dazu, damit die Gemeinschaft international überhaupt ernst genommen werden kann. Aber genau so, wie derartige Verantwortung auf Verträge angewendet werden kann, muss sie dann auch für begangene Fehler herhalten.

Um da einfach mal ein bisschen vom zweiten Weltkrieg weg zu kommen. In meinen Augen müsste Deutschland sehr viel mehr Aufwand betreiben um den Völkermord an den Herero und Nama "auszugleichen", immerhin haben wir den vor ein paar Jahren schonmal politisch anerkannt, aber dieses Verbrechen ist niemals wirklich gesühnt worden und lastet bis heute auf den Nachfahren dieser beiden Volksstämme.


Aber hierbei finde ich es eigentlich besonders merkwürdig ausgerechnet schon wieder auf den angeblichen Schuldkult zu verweisen, denn Kosmobatalanto hat doch garnicht gesagt, dass Großbritannien hier direkt für seine Verbrechen bestraft wird. Das hier ist mehr wie eine Art Karma zu verstehen. Ein Volk, welches in der Vergangenheit sehr bereitwillig Hungersnöte in seinen Kolonien in Kauf genommen hat, könnte nun bei seinem Versuch sich wieder außenpolitisch wie das Empire aufzuspielen plötzlich vielfache Versorgungsengpässe erfahren und mit den gleichen Problemen umgehen müssen, die in der Vergangenheit aus Profitgier so bereitwillig anderen auferlegt wurden. Bei aller Tragik der Situation, weil unschuldige Menschen darunter leiden werden, ein bisschen Ironie der Geschichte kann man ja einmal anerkennen. RD wink Ein bisschen wie polnische Panzer die in Deutschland einfahren. Ich wäre extrem wütend, müsste aber auch ein bisschen schmunzeln. Pinkie happy

RipVanWinkle schrieb:Das ja, aber das muss man imo schon von selbst einsehen. Man kann nicht jemandem die Verantwortung für etwas aufzwingen was er selbst nicht getan hat.

Und wie soll das geschehen, wenn bei jeder Erwähnung kollektiver Verantwortung sofort auf die persönliche Geldbörse gewiesen wird um die Debatte im Keim zu ersticken? Ist ja nicht so als würde die Thematik dann rational weiter geführt, diejenigen, die sich betont keiner Schuld bewusst sind werden sich wohl kaum nachher mit Offenheit an die Themen setzen und in aller Ruhe evaluieren wie man ein Problem in den internationalen Beziehungen behebt.


RE: Brexit - Railway Dash - 19.12.2018, 19:44

@Mc Timsy: so.kann man Kosmobatalantos Kommentar natürlich auch verstehen und interpretieren. Ich habe ihn eben anders verstanden, nämlich so, daß er sich schon wieder hämisch freuen würde, wenn es durch den Brexit auf den britischen Inseln zu einer Hungersnot und Versorgungsengpässen käme, und das als eine Kollektivstrafe für etwas ansieht, was weit in der Vergangenheit liegt und für das kein einziger heute lebender Mensch eine Verantwortung trägt. Deshalb mein Kommentar, um ihm mal ein Gedankenexperiment zu geben, wie es ihm gefallen würde, auf einmal für etwas bestraft zu werden, was lange vor seiner Zeit war.

Denn wir sind uns sicher in einem Punkt einig: den heute in GB lebenden Menschen als Strafe für Vergehen ihres Volkes vor Jahrzehnten Elend und Verderben mittels Brexit-Folgen zu wünschen, geht mit Sicherheit zu weit.


RE: Brexit - Terran_wrath - 19.12.2018, 22:30

Der Brexit ist nurnoch eine Schlammschlacht an diesem Punkt. Inb4 UKIP dominates the elections.

(19.12.2018)Mc Timsy schrieb:  In meinen Augen müsste Deutschland sehr viel mehr Aufwand betreiben um den Völkermord an den Herero und Nama "auszugleichen", immerhin haben wir den vor ein paar Jahren schonmal politisch anerkannt, aber dieses Verbrechen ist niemals wirklich gesühnt worden und lastet bis heute auf den Nachfahren dieser beiden Volksstämme.
Wann zahlt der Vatikan seine Reparationen an die Opfer der Hexenverfolgungen?

Wie wäre es damit: Jeder 3. Deutsche arbeitet fortan endgeltlos für 10 Jahre für einen der mutmaßlichen Betroffenen?

Wenn es darum ginge dort für Infrastruktur zu sorgen, von der die Leute dort profitieren hätte kaum jemand damit ein Problem. Aber "Sühne"... schlechte Wortwahl oder Absicht? White guilt derangement syndrome confirmed?
Hier:
[Bild: scourge2.jpg]
Fang an! Ich suche schonmal eine Nonne mit einer Glocke.


RE: Brexit - Mc Timsy - 20.12.2018, 00:38

Terran_Wrath schrieb:Wann zahlt der Vatikan seine Reparationen an die Opfer der Hexenverfolgungen?

Ist mir vergleichsweise egal, aber da gibt es genügend misshandelte Frauen und Kinder bei denen der Vatikan tief in die Taschen greifen müsste. Ich erwarte allerdings ehrlicherweise so wenig ein moralisches Gewissen beim heiligen Stuhel wie bei der Führungsriege der KPC, oder bei Putin.


Terran_Wrath schrieb:Wenn es darum ginge dort für Infrastruktur zu sorgen, von der die Leute dort profitieren hätte kaum jemand damit ein Problem. Aber "Sühne"... schlechte Wortwahl oder Absicht? White guilt derangement syndrome confirmed?

Der Duden schrieb:sühnen: eine Schuld abbüßen, für ein begangenes Unrecht eine Strafe, Buße auf sich nehmen

Wikipedia schrieb:Als Sühne (von ahd. suona = Gericht, Urteil, Gerichtsverhandlung, Friedensschluss, ma. auch Mutsühne) wird der Akt bezeichnet, durch den ein Mensch, der schuldig geworden ist, diese Schuld durch eine Ausgleichsleistung aufhebt oder mindert.

Das Wort passt grundsätzlich erstmal perfekt, ich weis also nicht was du hast. Und wenn Deutschland immerhin mal irgendetwas sinnvolles gemacht hätte um die damals angerichteten Schäden irgendwie wieder auszugleichen, dann wäre das für mich hier kein Thema. Aber unser Staat hat erstmal überhaupt eine Ewigkeit gebraucht seine Misshandlung der einheimischen Volksstämme in seinen Ex-Kolonien überhaupt anzuerkennen.
Keine Ahnung was du schon wieder von "White guilt" daherschwafelst. Hier geht es darum, dass sich Gesellschaften aus vergangener Verantwortung zu stehlen versuchen, indem sie einfach so lange zu warten bis es keine empfangsberechtigten Angehörigen mehr gibt. Denn das darf man ja auch nicht vergessen. Vom Völkermord an den Herero bis Massenmord im dritten Reich gibt es noch immer Leute, die entweder selbst betroffen waren, oder deren Kinder und Enkel wegen uns ihre direkten Angehörigen verloren haben. Ganz davon abgesehen, dass im letzten Fall sogar noch Täter existieren.
Es ist dahingehend schon interessant, dass man meint sich einfach als Gesellschaft einen Persilschein aushändigen zu können, weil die direkt Verantwortlichen erstmal nicht mehr an der Macht sind, unabhängig davon, dass entsprechende Ausgleichshandlungen im Zweifel niemals stattfanden. Das ist zwar schön einfach, hat aber mit Moral und Verantwortungsbewusstsein absolut nichts zu tun. Man ging also als Gesellschaft von absoluter Verweigerung über bestenfalls symbolische Gesten ohne tatsächliche positive Effekt und kam dann zu dem Schluss, man trage ja keine ganz direkte Verantwortung, also seien jetzt auch alle Probleme aus der Welt geschafft und man habe jetzt das Recht sich beleidigt zu fühlen, wenn jemand diese Sachen wieder zur Sprache bringt. Wäre schön wenn nennenswerte Aufbauhilfen geflossen wären, oder immerhin eine akzeptable Rente für die Opfer und deren Angehörige. Ist aber bestenfalls nur spärlich passiert.


In diesem Sinne, harte zeiten, einschließlich Todesopfern in Großbritannien in Folge des Brexit würden natürlich keinerlei Ausgleich für vergangene Verbrechen darstellen. Auch hier möchte ich daran erinnern, dass einige der Verantwortlichen noch immer am Leben sind. Es ist noch nicht einmal die Generation der Kolonialherren komplett ausgestorben. Nur würde Leid in Großbritannien selbstverständlich auch nichts gut machen, was teilweise angerichtet wurde. Dafür müssten die Briten ihre eigene Kolonialvergangenheit auch unter dem Blickwinkel aufarbeiten vergangenes Unrecht zu beseitigen. Aber so stellt sich manch einer lieber hin und verkündet, man habe sich jetzt endlich selbst vergeben. Herzlichen Glückwunsch. Twilight: No, Really?

Es wäre aber im übrigen ein vernünftiges Zeichen, wenn die Briten tatsächlich schon einmal ein gewisses Geschichtsbewusstsein beim Brexit an den Tag legen würden. Sich zu überlegen ausgerechnet Irland mit Hunger und Versorgungsengpässen bedrohen zu wollen und innerhalb weniger Wochen nach dem Referendum schon wieder von bewaffneten Konflikten mit Spanien zu reden zeugt allerdings nicht davon, dass historische Zusammenhänge ausreichend gewürdigt wurden.


RE: Brexit - Terran_wrath - 20.12.2018, 02:15

(20.12.2018)Mc Timsy schrieb:  
Terran_Wrath schrieb:Wann zahlt der Vatikan seine Reparationen an die Opfer der Hexenverfolgungen?

Ist mir vergleichsweise egal, aber da gibt es genügend misshandelte Frauen und Kinder bei denen der Vatikan tief in die Taschen greifen müsste. Ich erwarte allerdings ehrlicherweise so wenig ein moralisches Gewissen beim heiligen Stuhel wie bei der Führungsriege der KPC, oder bei Putin.
Also ist es dir bei denen, die diesen Schwachsinn ohnehin ablehnen egal, aber bei deinem Haufen nicht?




Bullshit. Deutschland zahlt MASSENHAFT(3. größter Betrag meine ich...) Entwicklungshilfe. Dass das Geld in den Entsprechenden Ländern gern in dubiosen Kanälen verschwindet... naja... handfestere Entwicklungshilfe(aka Sachleistungen, Aufbauhilfe, ect) wäre besser. Aber das ist ja zu aufwändig. Twilight: No, Really?
Kannst ja persönlich etwas beisteuern, wenn dir das nicht weit genug geht. Ich würde dir jetzt etwas vorschlagen, aber ich glaube nicht, dass das hier angebracht ist.

Wortklauberei... fml...
(20.12.2018)Mc Timsy schrieb:  
Wikipedia schrieb:Als Sühne (von ahd. suona = Gericht, Urteil, Gerichtsverhandlung, Friedensschluss, ma. auch Mutsühne) wird der Akt bezeichnet, durch den ein Mensch, der schuldig geworden ist, diese Schuld durch eine Ausgleichsleistung aufhebt oder mindert.
Ein Mensch... nicht Staat oder Volk.
Kleiner ungezogener Schuldkultist du... Alter, das ist surreal. RD laugh
Du sitzt wirklich in der Politik? Jetzt bin ich wirklich verspielt neugierig... wo genau?


RE: Brexit - RipVanWinkle - 20.12.2018, 02:59

Zitat: Und wie soll das geschehen, wenn bei jeder Erwähnung kollektiver Verantwortung sofort auf die persönliche Geldbörse gewiesen wird um die Debatte im Keim zu ersticken?
Wie gesagt, ich denke Leute müssen schon von selbst zu dem Willen kommen Verantwortung zu übernehmen, sonst macht das keinen Sinn. Gibt ja auch Leute, die spenden und welche, die es eben nicht tun. Erstere kann man gerne dafür loben aber letztere nicht dazu zwingen sich nach den anderen zu richten, dann ist's keine Spende mehr. Bei denen hilft's imo mehr zu erklären, warum den anderen zu helfen auch im Eigeninteresse liegen kann (abseits davon sich dann als besserer Mensch zu fühlen weil sowas bei diesen Menschen nicht zieht), z.B. dass es weniger Flüchtlingsbewegungen gibt, wenn man Afrika unterstützt etc. statt mit Erbe des Kolonialismus argumentieren.

Aber wir schweifen ab. Bei den Briten bekomme ich das Gefühl, dass da Hopfen und Malz verloren sind, die wollen ihren brexit einfach zu sehr, Folgen egal. Da wird man wohl auch nicht dran rütteln können solange man keine neue Volksabstimmung mit anderer Mehrheit erzwingen kann. Interessant finde ich da aber, dass von EU Seite auch so ein bisschen das Verständnis dafür zu fehlen scheint, dass die brexiteers da etwas anders denken. Während wir auf Schadensbegrenzung oder -abwendung bei quasi allem gepolt sind denkt sich der Brite "ach wir schaffen das schon, bisher haben wir alles immer überstanden, da müssen wir dann halt durch, aber das können wir" (erinnert mich irgendwie an Merkels wir schaffen das, jetzt wo ich das gerade so hinschreibe xD) auch im Angesicht der kommenden Probleme.


RE: Brexit - Terran_wrath - 20.12.2018, 04:39

Ihm geht es um "kollektive" Verantwortung... ALLE sind schuld für die Taten anderer und MÜSSEN haften. Diktaturen arbeiten gerne so... einer macht einen "Fehler"... alle werden bestraft. Moralterror in diesem Fall. Man soll die Schuld anerkennen. Wenn man immer das gleiche Schema aus so vielen Ecken hört, dann wird man mit seiner Empathie sehr sparsam und kann es ihnen nichtmehr abkaufen, auch wenn es in diesem Fall vieleicht ein wenig nachvollziehbarer ist als bei der black reparation Soße der SJWs.

Witzig, dass du Entwicklungshilfe/Aufbauhilfe im Zusammenhang mit Eigeninteresse erwähnst. Daran habe ich vorhin auch denken müssen... quasi ein AHA-Moment. AJ hmm


RE: Brexit - Jandalf - 20.12.2018, 12:35

(20.12.2018)Terran_wrath schrieb:  Ihm geht es um "kollektive" Verantwortung... ALLE sind schuld für die Taten anderer und MÜSSEN haften.

Oh guck mal, ein Strohmann. Gut, was hab ich erwartet?


RE: Brexit - Mc Timsy - 20.12.2018, 12:39

Terran_Wrath schrieb:Also ist es dir bei denen, die diesen Schwachsinn ohnehin ablehnen egal, aber bei deinem Haufen nicht?

Selbstverständlich stelle ich an meine Seite höhere moralische Ansprüche als gegenüber Leuten, die ich bereits als unmoralisch abgetan habe. Von wem, wenn nicht von der "In-Group" soll ein Mensch denn höchste moralische Standards erwarten? Ich erwarte ja auch von dir kein Bewusstsein über den eigenen Tellerrand hinaus. RD wink

Aber der Rest geht jetzt wirklich zu weit vom Thema des Brexit ab. Es war von mir eigentlich als kurzfristiger Zwischenkommentar gedacht, nicht als eine weitere Lehrstunde in "Terran_Wrath versteht die Welt nicht mehr."


RipVanWinkle schrieb:Interessant finde ich da aber, dass von EU Seite auch so ein bisschen das Verständnis dafür zu fehlen scheint, dass die brexiteers da etwas anders denken. Während wir auf Schadensbegrenzung oder -abwendung bei quasi allem gepolt sind denkt sich der Brite "ach wir schaffen das schon, bisher haben wir alles immer überstanden, da müssen wir dann halt durch, aber das können wir" (erinnert mich irgendwie an Merkels wir schaffen das, jetzt wo ich das gerade so hinschreibe xD) auch im Angesicht der kommenden Probleme.

Allerdings waren und sind die Brexiteers die Minderheit. Keine kleine Minderheit, aber insbesondere wenn man sich den harten Brexit vornimmt möchte den nur eine sehr einflussreiche Gruppe von Radikalen. Ein Großteil der Brexiteers hat auch noch immer nicht verstanden wie die Welt da draußen funktioniert und möchte daher oftmals etwas, was in der Realität einfach nicht zur Debatte steht.
In diesem Sinne sei auch darauf verwiesen, dass ein harter Brexit in einer direkten Kausalkette zu Toten führen wird. Eventuelle Gewalt bei Ausschreitungen ist damit noch nicht einmal gemeint, aber wenn bei einem harten Brexit die Versorgung erschwert wird kann die Versorgung mit Medikamenten, vor allem aus Dänemark unterbrochen werden. Neben einigen speziellen Medikamenten bedeutet dies in Großbritannien auch Versorgungsprobleme mit Insulin und wegen dem Wegfall des Euratom Vertrages auch von radioaktiven Substanzen für die Krebstherapie. Dann nehmen wir noch hinzu, dass seit der Ankündigung des Brexit die Zahl an europäischen Pflegekräften und Ärzten zurück gegangen ist und die Pflege jetzt schon nicht mehr richtig funktioniert und die Krankenhäuser wegen der problematischeren und teureren Versorgung mit Lebensmitteln damit rechnen, keine ausgewogene Ernährung für Patienten nach einem harten Brexit gewährleisten zu können.
Da braucht es nicht viel Vorkenntnisse um die potentielle, direkte Kausalkette zwischen hartem Brexit und toten Patienten zu erkennen. Das die Engländer als Volk natürlich noch existieren werden ist klar, aber im Gegensatz zu Katastrophen wie dem 2ten Weltkrieg, als man keine große Wahl hatte es durchstehen zu müssen, sind diese Probleme und die erwartbaren Toten eine völlig sinnlose Selbstbestrafung. Frau Cox wird als Opfer des Brexit bei einem Cliff-Edge Szenario noch einiges an Gesellschaft bekommen.

Und wofür? Die Versprechen der Brexiteers waren von Beginn an nicht realistisch, wer in Großbritannien erwartet ohne die EU den eigenen Wohlstand, oder das eigene politische Gewicht mehren zu können hat keine Ahnung von der Welt in der wir leben. Durch den Brexit wird Großbritannien, so es denn als Union überhaupt überlebt, weniger Einfluss, weniger Wohlstand und weniger Sicherheit haben. Nur damit man dem Nationalismus bis Rassismus einer Minderheit im Land entgegen kommen kann. Und für unaufgearbeitete post-imperiale Zuckungen und ideologische Verblenung von Einzelnen opfern die Briten ohne Not die Leben von Unschuldigen und einen Teil ihrer eigenen Freiheit.


RE: Brexit - RipVanWinkle - 20.12.2018, 13:06

Manchmal habe ich das Gefühl McTimsy ist hier der einzige der noch normal mit einem schreibt. xD
Zitat:Ein Großteil der Brexiteers hat auch noch immer nicht verstanden wie die Welt da draußen funktioniert und möchte daher oftmals etwas, was in der Realität einfach nicht zur Debatte steht.
Davon gehe ich auch aus. Ich mutmaße nur, unter der Prämisse zu versuchen deren Perspektive einzunehmen, dass es ihnen relativ egal ist, wie die Konsequenzen im Detail aussehen, weil sie den Brexit per se für nötig erachten. Dass die Brexiteers in diesem Moment die Minderheit sind, davon gehe ich auch aus. Aber damals bei der Abstimmung ar die Mehrheit nunmal dafür, von daher muss man ausgehen dass das die vorherrschende Denkrichtung war. Mir scheint diese Abwägung findet da gar nicht so groß statt, sondern dass man einfach seine roten Linien zieht und die Konsequenzen halt in Kauf genommen werden. Bei den Brexitgegnern sieht das per se natürlich anders aus, aber auch da scheint mir eher ideologisch mit dem Europagefühl gegen die von Brexiteers propagierte Wiedererlangung nationaler Selbstbestimmung argumentiert zu werden statt mit den direkt realen Problemen wie der Medikamentenversorgung die du hier ansprichst.
Zumindest ist das mein Wahrnehmungseindruck der bei mir bisher entsteht, was ich so von britischer Seite vom Brexit mitbekomme.
(Was gegen den Brexit spricht musst du mir btw. eigentlich nicht erklären, ich halte das auch für einen idiotischen Fehler, ich versuche nur darauf zu schauen wie die Briten das sehen und wie sie zu der Ansicht kommen. In der Rest-EU ist man sich mit der Meinung über den Brexit ja eigentlich so ziemlich einig und diese EInschätzung teile ich weitestgehend auch)


RE: Brexit - Mc Timsy - 20.12.2018, 15:27

RipVanWinkle schrieb:Was gegen den Brexit spricht musst du mir btw. eigentlich nicht erklären

Du bist allerdings nicht die einzige Person, die die Antwort im Zweifel liest. RD wink Verzeih mir bitte, falls du das Gefühl hast ich ordne dich einer Gruppe zu in die du nicht gehörst, aber ich folge da hauptsächlich der Argumentation.

Ansonsten, zum Thema Brexit und warum die Briten die EU verlassen wollten habe ich ein etwas spezielleres Verhältnis. Wie der Zufall es nunmal so wollte, war meine allererste Hausarbeit in meiner Studienkarriere eine Analyse der Europäisierungsprozesse im Westminster-System. Die Arbeit selbst war nicht allzu gut, wie man von einer ersten Hausarbeit im Studium wohl erwarten kann, aber bei der Recherche bin ich damals zu einem Eindruck gekommen.
Wenn nur ein Land in der Geschichte der Menschheit jemals die Union verlässt, dann wird es Großbritannien sein und wenn mehrere Länder austreten (damals war die Griechenlandkrise auf einem Höhepunkt), dann wird GB als erstes gehen.

Warum? Ich würde es einfach als fundamentales Missverständnis und Skruppelosigkeit einzelner Akteure bezeichnen.
Es ist normal, dass nationale Regierungen gegen die EU oder andere europäische Staaten verbal mobil machen. Am Ende sind dann trotzdem alle gezwungen irgendwie zusammen zu kommen, das Blaming der europäischen Institutionen gehört dahingehend ein bisschen zum Spiel dazu. Das ist nicht gut, aber wie geschrieben, in gewissen Rahmen normal.

In Großbritannien allerdings wurde seit dem Beitritt medial ein derart irrationales Dauerfeuer auf die EU gestartet, dass man dort keine normale Meinungsbildung der Bevölkerung mehr erwarten konnte. Der Narrativ war über Jahrzehnte, dass die EU die Briten unterdrückt. Das die Union nichts richtig machen kann und das die EU tyrannisch über allem steht und insbesondere Großbritannien keinerlei Einfluss hätte.
Ich werde jetzt nicht darauf eingehen wie unglaublich falsch diese Einschätzung war, aber sie erzeugte ein Umfeld, indem ich vor sieben Jahren bereits zu dem Schluss gekommen war, dass es unmöglich wäre in Großbritannien einen positiven EU-impuls zu geben, ohne mindestens als Paria zu enden, vielleicht aber auch die eigene Gesundheit wegen Extremisten aufs Spiel zu setzen. Wenn die Frage gestellt werden würde, so meine damalige Einschätzung, dann wäre es nicht möglich den Briten überhaupt Vorteile der Mitgliedschaft zu nennen. Oder positive Entwicklungsmöglichkeiten. Eine Volksabstimmung in Großbritannien wäre für die Befürworter einer Mitgliedschaft nicht zu gewinnen.

In einigen Punkten lag ich bei meiner Einschätzung falsch. Ich hatte die Wahlbeteiligungen einiger Regionen falsch eingeschätzt, ebenso wenig lag ich korrekt damit, dass die Mehrheit für den Austritt so klein und so spezifisch mit der damaligen demographischen Gegebenheiten korrellieren würde, da ich mich damit aber auch in der damaligen Hausarbeit nicht beschäftigt hatte.
Aber die Annahme, dass die "Remainers", wie sie später genannt wurden, kaum in der Lage wären positive Beiträge in der Debatte zu etablieren und eine Pro-EU Haltung potentiell gefährlich werden könnte hatte sich leider als wahr erwiesen. Ich war damals nicht einmal geschockt als das Ergebnis ankam, weil ich eigentlich damit gerechnet hatte. Nur die Hoffnung starb zuletzt. FS sad

Das Problem verbleibt, dass vielen briten über Jahrzehnte nicht weniger als eine Feindschaft zur EU vermittelt wurde. Gleichzeitig hatte Großbritannien von Anfang an die Intention Europas phänomenal missverstanden. Man hielt den Europäischen Binnenmarkt für die tragende Komponente und betrachtete das "Friedensprojekt" als Folklore der Kontinentaleuropäer. Daher auch die Fehleinschätzung, die europäischen Staaten würden sich, um ihren Handel mit GB nicht zu gefährden, aktiv für britische Interessen einsetzen. Statt aber die eigene Fehlkalkulation anzuerkennen, wird man bei den Brexiteers wütend und sieht sich als Opfer, ein Exempel, welches Europa etablieren wolle. Der Feindschafts-Narrativ sitzt tief.

Für mich als entschiedenem Pro-Europäer ist es sehr seltsam die britische Debatte mitzuverfolgen. Die Probleme die der EU angedichtet werden haben oftmals nichts mit der EU zu tun, sind frei erfunden, oder werden völlig aus den Zusammenhängen heraus betrachtet. Dabei gäbe es sehr interessante Debatten darüber zu führen, wo sich die EU aktuell hinbewegt. Da läuft nicht alles rund und ich würde mich freuen wenn die Debatten mal tatsächlich dazu übergehen würden, wie sich Europa denn tatsächlich entwickelt und ob dieser Weg tatsächlich gut ist. Stattdessen jagen die Brexiteers wahlweise Einhörner oder Gespenster.
Beispiel gefällig? Die Eu verhindere Migrationskontrolle aus den EU Staaten und zwinge Großbritannien Europäer aufzunehmen, voll in die Sozialsysteme zu integrieren und fördere damit die Probleme der nationalen Versorgungssysteme. Tatsächlich ist davon fast nichts korrekt. Die EU erlaubt Staaten trotz Freizügigkeit die Rückführung von EU-Bürgern, die keinen Job finden und daher nicht in die Sozialsysteme einzahlen. Sie erlaubt außerdem die Sozialleistungen für diese Leute temporär zu reduzieren, bis sich die Betroffenen genügend Ansprüche erarbeitet haben. Großbritannien wählte selber eine laxere Gangart um seinen Bedarf an Pflegekräften und Erntehelfern zu decken. Wobei auch festzuhalten ist, dass die Immigration in Großbritannien keinen zusätzlichen Druck auf die Sozialsysteme bedeutete, da die Immigranten wesentlich mehr einzahlen als sie aus dem System entnehmen. Für die dortigen Sozialsysteme ist die Zuwanderung ein Netto-Gewinn. Man bekämpft ein Problem das nicht existiert und zwingt damit gleichzeitig die Debatte in eine Richtung, die nur daraus besteht die selben falschen Aussagen, wieder und wieder zu widerlegen.
Gleichzeitig hat die Finanzkrise zu einer Schwächung der demokratischen Strukturen in Europa geführt, da die Regierungen die Verträge der Union nicht mehr anpassen konnten. Von den vergangenen Volksentscheiden wissen alle nämlich, dass die Bevölkerung nicht wirklich über Verträge abstimmt, sondern diese Situationen für Proteste gegen die eigene Regierung nutzt. Da eine Reform Europas in den letzten 10 Jahren nicht mehr nennenswert möglich war sind die Staaten dazu über gegangen alles auf zwischenstaatlicher Vertragsbasis zu machen. Eine Methode, die sowohl die Kontrollmechanismen der Union, wie Kommission und Parlament teilweise umgeht, als auch den Einfluss heimischer Parlamente und Gerichte auf ihre Regierungen reduziert. Die Regierungen haben sich in den vergangenen jahren mehr und mehr Macht gesichert und konnten damit sämtliche etablierten Kanäle der Gewaltenteilung unterlaufen. Über dieses tatsächlich im Moment existierende Problem der Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit der Regierungen redet aber niemand. Nicht weil das Problem nicht wichtig wäre, sondern weil die meisten damit beschäftigt sind sich über vermeintliche Gurkenkrümmungen aufzuregen. Die nationalen Regierungen hatten es dann leicht, weil sie einfach selber den heimischen Nationalismus befeuern und die Anti-Establishement Rethorik gegen die EU richten mussten. Was ja auch prima funktioniert. Im Falle des Brexit ein wenig zu gut, aber was wollte man auch erwarten. Cameron hatte über Jahre massiv gegen die EU gewettert und wollte dann plötzlich für Remain werben. Das konnte von Beginn an nicht glaubwürdig gelingen.

Ich könnte ja sogar verstehen, wenn man zu dem Schluss kommt, dass die EU insgesamt schädlich für die Demokratie wäre, eben weil sie den nationalen Regierungen erlaubt Verantwortung von sich weg zu schieben. Es gibt auch genug andere Probleme, bei denen ich Frustration und sogar Feindseeligkeit zur EU absolut nachvollziehbar finde. Nur blöderweise sind diese Probleme buchstäblich nirgendwo ein Thema. Sondern meistens rassistische Neiddebatten, bei denen ich beim besten Willen noch keine Ahnung habe, wie man sie irgendwie in eine sinnvolle Richtung lenken soll.


RE: Brexit - RipVanWinkle - 20.12.2018, 15:51

Zitat:Du bist allerdings nicht die einzige Person, die die Antwort im Zweifel liest.
I see. Makes sense.

Dass in Großbritannien schon lange medial immer wieder Anti-EU-Stimmung herrschte war mir bekannt, aber das klingt von dir jetzt doch ziemlich systematich gewesen zu sein, quasi von Anfang an schon, und damit stärker als ich es eingeschätzt hätte. Weiß man von welchem Startpunkt/Akteur das damals ausging als es angefangen hat?

Ich kann mir auch vorstellen dass da noch eine gewisse Eigenmentalität zumindest bei den älteren Generationen (würde sich damit decken dass tendenziell eher ältere Briten pro Brexit sind und jüngere pro EU) noch irgendwie an diesen Vorstellungen vom Commonwealth mit Großmachtstatus nachhängt. Keine Ahnung ob sich Leute da nach alten Zeiten zurücksehnen oder die das eigene Land einfach überschätzen.

Zitat:Die Regierungen haben sich in den vergangenen jahren mehr und mehr Macht gesichert und konnten damit sämtliche etablierten Kanäle der Gewaltenteilung unterlaufen. Über dieses tatsächlich im Moment existierende Problem der Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit der Regierungen redet aber niemand.
Zitat:Ich könnte ja sogar verstehen, wenn man zu dem Schluss kommt, dass die EU insgesamt schädlich für die Demokratie wäre, eben weil sie den nationalen Regierungen erlaubt Verantwortung von sich weg zu schieben.
Da sehe ich tatsächlich auch ein großes Problem drin und solche Dinge sind für mich auch eher die Kernpunkte meiner doch oft EU-kritischen Sicht (auch wenn mein Fazit nie Austritt sondern Umgestaltung der EU wäre...). Das ganze Handeln auf der Ebene ist mir zu weit von der Bevölkerung entfernt und zu sehr auf die paar Vertreter konzentiert die das unter sich ausmachen können wenn die sich denn mal einig werden. Das gerne mal genannte Stichwort Demokratiedefizit der EU ist da in der Tat nicht so abwegig imo und das ist sowohl hinsichtlich Legitimation des Handelns der Union als auch für die Selbstdarstellung und Kommunikation mit der Bevölkerung äußerst problematisch. Aber das ist ein anderes Thema. xD


RE: Brexit - Mc Timsy - 20.12.2018, 17:11

RipVanWinkle schrieb:Weiß man von welchem Startpunkt/Akteur das damals ausging als es angefangen hat?

Da kannst du an vielen Punkten ansetzen. Winston Chruchill war einer der Begründer der Europäischen Föderalismusbewegung und brachte selbst zum Ausdruck, dass ein vereint auftretendes Europa seinen Bürgern Wohlstand und Freiheit in einem Maße geben könnte, wie sie in der Geschichte kein Equivalent hatten. Gleichzeitig stellte er aber auch klar, dass er Großbritannien nicht als Teil der von ihm geforderten United States of Europe sah. Zu der Zeit existierte das Empire, einschließlich Indien als Kronkolonie noch.

Später dann geschah die verspätete Aufnahme auch erst nach zähem ringen gegen die Franzosen und vor dem Hintergrund wirtschaftlichen Niedergangs und radikaler Sozialreformen. Was vielleicht auch eine Rolle spielte. Industriezweige wie die britische Stahlindustrie sind ungefähr zeitgleich zum EWG-Beitritt passiert, wobei diese Regionen nicht durch den Beitritt zur Gemeinschaft pleite gingen, wie vielleicht vielen gegenüber suggeriert ist, sondern die Neuausrichtung in der Europapolitik Großbritanniens geschah als Teil der Reaktionen auf den wirtschaftlichen Niedergang.

Und zuletzt, in Europa, insbesonders zwischen Deutschland und Frankreich, stand die Friedensförderung als vorderstes Projekt. Die Briten waren nicht Teil dieses Narrativs gewesen. Daher gab es in Großbritannien auch keine Politikerklasse, die vor dem Hintergrund einer Nachrkiegsordnung und eines europäischen Friedensprojektes sozialisiert wurde.
In Brüssel ist dieser Mangel an anfänglicher Identifikation mit Europa und der Integration des Kontinents fast schon legendär. Die paar Briten die sich dort hin verirren um in der Verwaltung zu arbeiten sind bekannt dafür normalerweise mit einer extrem skeptischen Haltung dorthin zu kommen. Eine Einstellung, bei der sie oftmals schon Standpunkte vertraten, die in etwa hießen, dass jetzt mal ein britischer Beamter seinen EU-Kollegen das arbeiten beibringen müsse.
Normalerweise ändert sich das innerhalb weniger Jahre, weil die entsprechenden Personen feststellen, dass die EU Administration nicht nur erstaunlich effizient für einen derartigen Koloss ist, sondern die Kooperation der Mitgliedstaaten überraschend gut funktioniert. Die Regierungen ziehen medial übereinander her und machen einen auf dicke Hose, am verhandlungstisch sitzen dann meist relativ schnell 28, bald 27 Vertreter und sind ehrlich an Kompromissen für alle interessiert. Etwas entsprechendes wird auch durchaus von Cameron behauptet. Der extrem EU kritisch erzogen wurde und sich als Widerstandskämpfer gegen Brüsseler Diktate aufspielte und wohl unter vier Augen bald sehr positiv über die Gespräche mit seinen Kollegen zu berichten wusste. Aber da kam er dann schon nicht mehr aus der Rolle raus, die er über Jahre aufgebaut hatte. Das darf man auch nicht vergessen, je härter vorher über Europa geschimpft wurde, desto schwieriger wird es für den einzelnen Politiker später nicht weiterhin von Konfrontation zu reden.

Beim eigentlichen Referendum kannst du dann noch auf Rupert Murdoch verweisen, der Medienmogul der seit mindestens 20 Jahren massiv gegen die EU getrommelt hat. Der sagt wohl auch einmal auf die Frage, warum er die EU ablehne, dass man ihm in London große Empfänge bereite und wenn er dort mit einem Politiker sprechen wolle, dann geschähe das auch. In Brüssel wiederum wurde er behandelt wie jeder andere Vertreter eines Medienkonzerns, was ihm wohl extrem gegen den Strich ging.

Nicht zu vergessen die teilweise bereits untersuchten finanziellen Verbindungen zwischen Brexitvertretern und hedgefond-Managern, die Beteiligung von Cambridge Analytica und, last but not least, die ganz erstaunlich platzierten Treffen zwischen Brexitvertretern und russischen Offiziellen, sowie die aktive Beteiligung tausender russischer Bots um Nachrichten gegen die EU zu pushen. Da kamen einige Interessen zusammen die sich mehr oder weniger Offen gegen Stabilität in Europa richteten, sowie ideologische Kreuzritter, Murdochs Bedürfnis nach ihm hörigen Politikern und schließlich die Tatsache, dass in Großbritannien niemals eine Identifikation mit Europa wirklich verbreitet existiert hatte.
Jüngst habe ich auch von einer Studie gehört, die wol zu dem Schluss kommt, dass es im Endeffekt nichts mit GB vs EU zu tun hätte, sondern mit englischem Nationalismus. Scheinbar wächst in England auch schon seit Jahren die Skepsis, nicht nur gegenüber der EU, sondern auch gegenüber der britischen Union selber, mit Engländern, die nicht mehr von Westminster aus regiert werden möchten, sondern ein eigenes, englisches Parlament nach dem Vobild des schottischen wünschen. Die sonstige übliche Mélange aus nationalistischen Stereotypen. "Alle nehmen uns aus, niemand achtet au unsere Bedürfnisse, allen geht es besser als uns!" - Du kennst die Platte.
Es gibt wohl, laut dieser Studie, einigen Grund zu der Annahme, dass dieser englische Nationalismus vor allem in der UKIP eine Plattform gefunden hatte und letztlich in dem Anspruch auf einen harten Brexit einen Kristallisationspunkt findet. Den Austritt will außer den Engländern eigentlich niemand. Sogar Wales hat mittlerweile einen deutlichen Schwenker in Richtung Remain hingelegt, aber in England will eine ausreichende Zahl an Einwohnern eben nicht mehr auf die Bedürfnisse der anderen Mitglieder der britischen Union eingehen. Schottland, Wales, Nordirland, Gibraltar, sie alle haben sich jetzt gefälligst der englischen Mehrheitsmeinung zu unterwerfen. Verbunden allerdings damit, dass in England eine wachsende Gruppe mittlerweile sagt, ein Wegfall Schottlands und Nordirlands sei ein akzeptabler Preis für den Brexit (bei Gibraltar, einem zeichen und Fixpunkt englischer Seemacht hört der Spaß dann aber auf). Demnach wäre der Brexit eine Frustreaktion von Engländern, die das Gefühl haben innerhalb ihrer Union nicht ausreichend berücksichtigt zu werden. Was mittlerweile irgendwie typisch und doch ironisch wäre, bedenkt man die völlige Dominanz Englands im britischen System, einzig auf Grundlage der höheren Bevölkerungsdichte.


RE: Brexit - Malte279 - 20.12.2018, 20:07

Mc Timsy schrieb:Du bist allerdings nicht die einzige Person, die die Antwort im Zweifel liest.
Ich muss zugegeben zu denen zu gehören, die hier zwar ständig mitlesen, sich aber eher selten zu Wort melden.
(20.12.2018)RipVanWinkle schrieb:  Ich kann mir auch vorstellen dass da noch eine gewisse Eigenmentalität zumindest bei den älteren Generationen (würde sich damit decken dass tendenziell eher ältere Briten pro Brexit sind und jüngere pro EU) noch irgendwie an diesen Vorstellungen vom Commonwealth mit Großmachtstatus nachhängt. Keine Ahnung ob sich Leute da nach alten Zeiten zurücksehnen oder die das eigene Land einfach überschätzen.
Tatsächlich sind die Zahlen da sehr eindeutig. Je Älter die Wähler waren, desto höher war der Anteil der Brexit befürworter. Dass dies mit der typischen höheren Wahlbeteiligung der Älteren einherging hat nicht unwesentlich zum Brexit beigetragen von dessen schlimmsten Auswirkungen so mancher der Älteren Brexiters wohl nicht mehr so lange betroffen sein wird während die Mehrheit unter den Jüngeren die für den Verbleib gestimmt hat sich für den Rest ihrer Leben damit herumschlagen muss.
Ein bemerkenswerter Fakt ist übrigens, dass das Ergebnis bei dem Referendum von 1975 über den Verbleib des UK in der EWG die Verhältnisse fast genau umgekehrt waren. Die meisten Stimmen für den Austritt aus der EWG kamen damals aus Schottland und wenn man nach dem Alter geht von den damals jungen Wählern (die unmittelbare Nachkriegs- und Kriegskindergeneration eher als diejenigen die selbst im Weltkrieg kämpfen mussten) während die Älteren damals mehrheitlich für den Verbleib in der EWG stimmten. Es scheint, dass ein Teil der damals Jungen heute die Alten gestellt hat die in beiden fällen für den Austritt gestimmt haben.

Die von Mc Timsy beschriebenen Folgen des Brexits könnten einen guten Freund von mir aus Oxford sehr direkt betreffen. Ob er nach einem harten oder ungeregelten Brexit (mir fällte auf, dass in jüngerer Vergangenheit oft gar nicht mehr zwischen einem harten Brexit oder einem Brexit ohne Deal unterschieden wird obwohl das eigentlich zwei unterschiedliche paar Schuhe sind) noch die Herzmedikamente bekommt die er braucht weiß er nicht und niemand kann es ihm sagen. Diese absolute Unsicherheit ist etwas was an vielen Nerven (in beiden politischen Lagern) zerrt.

Ein Aspekt von dem ich bemerkenswert finde, dass er bei uns kaum bekannt ist ist das Zeitspiel das Theresa May im Moment betreibt um jede Möglichkeit eines zweiten Referendums auszuschließen. Persönlich habe ich die Hoffnung auf ein weiteres Referendum fast schon ganz aufgegeben und spätestens mit dem 17. Januar wird es auch Formaljuristisch nicht mehr möglich sein (dazu gleich mehr).
Das Argument man müsse das Referendum vom Sommer 2016 respektieren und könne nicht so lange weiter abstimmen, bis das Ergebnis passe kann ich zwar inhaltlich per se nachvollziehen. Angesichts der vollkommen veränderten Sachlage, der hemmungslosen Lügenkampagne mit der die Stimmung für den Brexit herbeigeführt wurde (roter Bus ist da nur das bekannteste Sinnbild für) und der Tatsache dass es wohl niemals zu diesem Ergebnis gekommen wäre, wenn die heute bekannten Fakten zur Abstimmung auf dem Tisch gelegen hätten wäre eine zweite Abstimmung das einzig vernünftige.
Die Behauptung, dass durch ein zweites Referendum die Demokratie ausgehöhlt und der Wille der Bevölkerung ignoriert würde ist unter den gegebenen Umständen reine Heuchelei. Der Wille der Bevölkerung wird vielmehr von denjenigen ignoriert, die ein zweites Referendum unbedingt verhindern wollen, da sie genau wissen dass ihre pro-Brexit Haltung (einschließlich eines ungeregelten Austritts) dabei nicht dem Willen der Bevölkerungsmehrheit entspricht. Selbst für viele von denjenigen, die für den Brexit gestimmt haben wäre bei einer Abstimmung bei der die Frage nach einem ungeregelten Austritt entschieden würde ein Verbleib in der EU das geringere Übel gegenüber einem ungeregelten Austritt (selbst wenn ein geregelter Austritt das Wunschziel gewesen wäre).
Perfide finde ich wie sehr Theresa May (vor der ich dafür einen gewissen Respekt hatte dass sie angesichts eines der unangenehmsten Jobs der Welt noch nicht hingeschmissen hat) jetzt probiert die endgültige Abstimmung über ihren Brexit Deal aufzuschieben. Dass ihr Brexit Deal nicht durch das Parlament kommen wird (Im Januar genausowenig wie im Dezember steht im Grund fest). Nach Britischem Recht aber benötigt ein Referendum (wie beispielweise ein zweites Referendum über den Austritt des UK aus der EU) eine Vorlaufzeit von mindestens 10 Wochen (und in der Praxis brauchen Referenden im UK oft wesentlich länger). Das heißt der 17. Januar (10 Wochen und einen Tag vor dem Austritt am 29. März) ist der letzte Termin an dem rein hypothetisch ein Beschluss für ein zweites Referendum noch möglich wäre. Das May die quasi zweifellos negativ ausfallende Abstimmung über ihren Deal jetzt in den Januar verschiebt ist wohl mehr dem Wunsch geschuldet da die Zeit möglichst auslaufen zu lassen. Es ist schon bemerkenswert dass ihr, die ursprünglich gegen den Brexit war, jetzt wohl ein ungeregelter Austritt mit all seinen konsequenzen lieber zu sein scheint als ein zweites Referendum. Mittlerweile ist der Brexit auch gegen den Willen der Mehrheit wohl so eine Art precious für sie geworden.
Das es da unter einflussreichen Entscheidungsträgern im UK keine gibt die mit ausreichendem Nachdruck die Notbremse (Forderung nach einem zweiten Referendum) ziehen um damit irgendwas zu erreichen ist schon ein ziemliches Armutszeugnis. Ich blicke dabei auch auf Labor, die auch an ihrer eigenen Parteipolitik wesentlich interesssierter zu sein scheinen als daran all die bereits offensichtlichen Probleme zu minimieren.


RE: Brexit - mowny - 22.12.2018, 05:26

(19.12.2018)RipVanWinkle schrieb:  Das ja, aber das muss man imo schon von selbst einsehen. Man kann nicht jemandem die Verantwortung für etwas aufzwingen was er selbst nicht getan hat.

Auch wenn derjenige davon profitiert, was jemand anders getan hat?


RE: Brexit - RipVanWinkle - 22.12.2018, 12:59

Natürlich. Keiner kann was dafür wohin er hinein geboren wird, die einen haben da dann halt mehr Glück als andere. Muss jeder für sich selber wissen was er draus macht.


RE: Brexit - Lethrael - 22.12.2018, 14:08

Das ist einfaches Ding zu sagen, wenn man hier geboren wurde.
Ich kann total verstehen, dass die Menschen gerne in unsere Sphäre einwandern möchten und hier ein Leben aufbauen wollen.
Also versuhen sie was daraus zu machen und wollen sich hier ein neues Leben aufbauen.

Was aber den Brexit angeht, sehe ich es inzwischen so, dass sie erst einmal den Fehler machen sollen und vielleicht kommen sie dan irgendwann wieder und haben ihre Lektion gelernt.
Wir konnten sie nicht davon überzeugen dass es ein Fehler ist und damit liegt es nun in ihrer eigenen Entscheidung diesen fehler zu machen und daraus zu lernen.


RE: Brexit - Terran_wrath - 22.12.2018, 23:25

(22.12.2018)mowny schrieb:  
(19.12.2018)RipVanWinkle schrieb:  Das ja, aber das muss man imo schon von selbst einsehen. Man kann nicht jemandem die Verantwortung für etwas aufzwingen was er selbst nicht getan hat.

Auch wenn derjenige davon profitiert, was jemand anders getan hat?

Ich denke, dass die Nummer der Personen die heutzutage noch merklich profit daraus schlagen können was damals unter den geltenden Regeln getan wurde nicht sonderlich groß ist. Wieso also nicht diese ansprechen?
Wieviel hast du von Geschehenem profitiert?

Gibt es Schadenssummen? Gibt es überhaupt irgendwelche Angaben dazu?

(20.12.2018)Mc Timsy schrieb:  
Terran_Wrath schrieb:Also ist es dir bei denen, die diesen Schwachsinn ohnehin ablehnen egal, aber bei deinem Haufen nicht?

Selbstverständlich stelle ich an meine Seite höhere moralische Ansprüche als gegenüber Leuten, die ich bereits als unmoralisch abgetan habe. Von wem, wenn nicht von der "In-Group" soll ein Mensch denn höchste moralische Standards erwarten? Ich erwarte ja auch von dir kein Bewusstsein über den eigenen Tellerrand hinaus.  RD wink
Hohe Pferde werden gern geritten, egal wie schlüpfrig der Untergrund ist. Scheint heute eine Tugend zu sein.
Verbrenne dir beim schauen auf anderer Leute Teller nicht den Mund... die Suppe ist heiß.
(22.12.2018)Lethrael schrieb:  Das ist einfaches Ding zu sagen, wenn man hier geboren wurde.
Ich kann total verstehen, dass die Menschen gerne in unsere Sphäre einwandern möchten und hier ein Leben aufbauen wollen.
Also versuhen sie was daraus zu machen und wollen sich hier ein neues Leben aufbauen.

Was aber den Brexit angeht, sehe ich es inzwischen so, dass sie erst einmal den Fehler machen sollen und vielleicht kommen sie dan irgendwann wieder und haben ihre Lektion gelernt.
Wir konnten sie nicht davon überzeugen dass es ein Fehler ist und damit liegt es nun in ihrer eigenen Entscheidung diesen fehler zu machen und daraus zu lernen.
Brexit: So ist es... die Leute haben ihre Entscheidung getroffen. Keep calm and keep brexiting. Der Weg zurück ist hier kurz. Die EU wird GB kaum ablehnen... dafür sind die einfach zu zahlungsstark.

Reden wir nun über Migration oder Entwicklungshilfe? Das eine hat keinen Vorteil für die dortige Bevölkerung... das andere schon, wenn man es richtig macht.
Bis 2050 soll Afrika's Bevölkerung auf 2,5 Miliarden Leute anwachsen... was denkst du sind die Konsequenzen, wenn man eine halbe Milliarde aufnimmt? Denkst du, dass die Situation dort besser wird oder das plötzlich weniger Leute herkommen wollen? Oder werden immer mehr Leute herkommen? Dann kommt noch der Faktor der Sozialmigranten, die auch für "präkere" Jobs(Ich liebe die Wortgebeung, google and make sense of it) unbrauchbar sind und nie Arbeit finden werden. Zudem brechen viele Migranten ihre Ausbildung/Schule/Sprachkurse/you name it ab, verursachen Kosten und werden diese auch nie wieder reinholen. Dazu kommt noch der Faktor der Automatisierung, auch im Handelssektor. Auf kurz oder lang werden die Lebensbedingungen hier darunter leiden. Ich sehe den langfristigen Nutzen für keines der Völker... nur für die Wirtschaft, die billigste Arbeitskräfte bekommt.


RE: Brexit - HeavyMetalNeverDies! - 23.12.2018, 00:18

Was die "Entwicklungshilfe" der EU angeht - Das Wort sollte eigentlich zum Unwort des Jahres gewählt werden, die dient lediglich als Finanzspritze für europäische Firmen in Afrika Fuß zu fassen und den Kontinent auszunehmen. Eine richtige Entwicklungshilfe wäre zB. ein Handelsabkommen mit einseitigen Zöllen, sprich afrikanische Länder dürfen auf europäische Importprodukte Zoll verhängen aber Exportprodukte nach Europa bleiben Zoll-frei. Das würde verhindern dass europäische Billig-Produkte den afrikanischen Markt überschwemmen und der afrikanischen Wirtschaft einen gewissen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Man könnte sowas ja zumindest mal für begrenzte Zeit einführen.


RE: Brexit - Firebird - 26.12.2018, 18:15

Das, was die britische Regierung gerade plant, wäre eine Katastrophe für die britische Musikindustrie. Der Plan zur neuen Einwanderungspolkitik sieht vor, dass künftig Einwanderer nach Großbritannien ein Jahreseinkommen von 30000 Pfund haben müssen. Erst dann bekommen sie ein Visum. Damit will man hochqualifizierte Fachkräfte bekommen. Nebeneffekt: Nahezu sämtliche fremde Musiker, auch die vom europäischen Festland, würden zukünftig nicht mehr im UK arbeiten können, da durchschnittliches Einkommen in dieser Branche knapp 20000 Pfund sind. UK Music schreibt wie folgt: “Requiring musicians, songwriters and producers from the EU to earn salaries of at least £30,000 to work in the UK poses a major threat to the music industry where music creators earn on average £20,504 ($25,979), way below the average for other jobs.” und ISM warnt: “The end of freedom of movement will have a devastating impact on British musicians. The introduction of harsher immigration rules after Brexit will cause declining diversity and creativity in the British music industry. It could also potentially lead to the introduction of reciprocal immigration rules by EU countries.” So kann man sich auch die Musikindustrie ruinieren oder zumindest nur britische Musik fördern.