Brexit - Druckversion +- Bronies.de (https://www.bronies.de) +-- Forum: Off-Topic (https://www.bronies.de/forumdisplay.php?fid=11) +--- Forum: Diskussionen (https://www.bronies.de/forumdisplay.php?fid=14) +--- Thema: Brexit (/showthread.php?tid=24978) |
RE: Brexit - Novaheart - 04.10.2019, 15:39 ___ RE: Brexit - Ayu - 04.10.2019, 19:18 (04.10.2019)Firebird schrieb: Noch ist es nicht von ihm selbst bestätigt, aber die Zeichen verdichten sich: Offenbar ist BoJo nun doch für eine Fristverlängerung bereit, sollte es bis 19.10. keinen Deal geben.Nur zu blöd das die EU nun weitere Gespräche abgesagt haben bis man einer zollfreien Irlandgrenze zustimmt. RE: Brexit - Ayu - 17.10.2019, 23:34 Ein Wunder ist passiert: Man hat sich endlich auf einen Brexit-Deal geeinigt, die Grenze zu Irland bleibt auch weiterhin offen wie während der EU-Mitgliedschaft und auch die Integrität des EU-Binnenmarkts bleibt erhalten. RE: Brexit - HeavyMetalNeverDies! - 18.10.2019, 08:12 Abwarten. Soweit war man ja schon mal. Der Kindergarten von Unterhaus hat dagegen gestimmt. Ich bin schon sehr gespannt wie es weiter geht. Morgen wird abgestimmt. RE: Brexit - Crash Override - 18.10.2019, 09:13 Dazu kommt, das die Schotten ebenfalls DAGEGEN gestimmt haben - letztlich wollen jene nicht aus der EU. Laut Corbyn war der Deal von Johnson noch schlimmer als der von May - und jener wurde damals krachend abgelehnt... Aber: es gibt keine Verlängerung seitens der EU lt. Juncker. 31.10 ist Stichtag, und ab da sind die Briten draußen. Somit haben die Engländer kaum mehr Zeit noch groß was reissen zu können; der EU ging es da glaube ich hauptsächlich um den Backstop. RE: Brexit - HeavyMetalNeverDies! - 18.10.2019, 10:04 Wenn es schief läuft werden die Briten halt wieder um Aufschub bitten müssen. Weiß nicht ob es wirklich keinen Aufschub mehr gäbe. Wahrscheinlich schon, nehme ich mal an. RE: Brexit - Crash Override - 18.10.2019, 12:12 Junker hat gesagt: "gibbet nüscht". Tagesschau schrieb:[...]Quelle: Tagesschau.de Verschoben wird er somit nicht mehr, aber es kann sich dennoch hinauszögern - je nachdem, wann die Abstimmungen in der EU und im Britischen Unterhaus beendet wurden. Gibt's von Seiten der Briten keine Übereinstimmung bzw. wird der aktuelle Vertrag abgelehnt UND der 31.10 ist überschritten, wird es da unweigerlich auf einen Harten Brexit rauslaufen - bei der EU sehe ich das gelassener, da wird man bei den jetzigen Verhandlungen (die eher positiv für die EU liefen) auch eher für die Verträge stimmen - besonders, da jene den Backstop regeln. RE: Brexit - Firebird - 18.10.2019, 12:40 Eigentlich ist es gerade herzlich egal, ob zugestimmt wird oder nicht, zumindest für BoJo. Unser Möchtergern-Trump hat eh gewonnen. Wenn er den Deal durchkriegt, kann er sagen: Seht her, ich habe geschafft, was May niemals hingekriegt hat und sich als Gewinner hinstellen, fliegt der Deal erneut durch, kann er sagen: Seht euch die böse Opposition an, die MEINEN Deal nicht wollte und ist ebenfalls der Gewinner. Was am Ende auch passieren mag, in der wahrscheinlichen Neuwahl werden wir wohl einen Premier BoJo behalten, leider. RE: Brexit - Malte279 - 18.10.2019, 13:31 Diese Möglichkeit (Sieg Johnsons in einer Neuwahl) besteht, aber vermutlich würde dabei das Fehlen eines Mehrheitsfähigen Gegenkandidaten (ein solcher ist Jeremy Corbyn nicht) eine größere Rolle spielen als eine besondere Popularität Johnsons. In dieser Hinsicht ist die Situation tatsächlich mit der in den USA vergleichbar, wo (falls es nicht zu einer Art Aufstand innerhalb der Republikanischen Partei, insbesondere unter den Senatoren kommt) eine Wiederwahl Trumps ebenfalls extrem von der (Un-?)fähigkeit der Demokraten abhängt jemanden zu finden der oder die von der Mehrheit der sehr unterschiedlichen Fraktionen der demokratischen Partei getragen wird. Die Aussage Junkers das es keine Verlängerung geben wird würde ich zu diesem Zeitpunkt nicht zu wortwörtlich nehmen. Falls das Abkommen am Samstag im Parlament abgelehnt wird (was durchaus wahrscheinlich ist) halte ich es für äußerst unwahrscheinlich, dass die EU eine Verlängerung verweigern würde, falls der Antrag gestellt wird (wozu Johnson gesetztlich verpflichtet ist wenn die "Alternative" der no deal wäre). Sehr wahrscheinlich würde die EU in dem Fall aber für die Verlängerung eine ganz konkrete Antwort auf das "warum?" erwarten, worauf die Antwort "Neuwahlen" und / oder "Referendum über das Abkommen (möglicherweise mit Option einer Rücknahme des Austrittsantrages)" lauten müsste. Es ist dort mittlerweile der Punkt erreicht wo wirklich jeder Ausgang zu großer Unzufriedenheit in weiten Teilen der britischen Bevölkerung führen wird. Anders als möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt ist es wohl auch nicht mehr besonders wahrscheinlich, dass eine weitere Abstimmung zu einem Verbleib in der EU führen würde. Sinnvoll wäre ein solches zweites Referendum allerdings insofern, als dass ein weiteres Referendum die Legitimation der britischen Politik der kommenden Jahre auf eine solidere Basis stellen würde als sie das Referendum von 2016 (in Unkenntnis der Folgen und mit offensichtlichen Lügenkampagnen geführt) darstellt. Wenig wahrscheinlich (aber als hypothetisches Szenario Teil einiger Diskussionen) ist auch die Ablehnung eines britischen Verlängerungsantrages durch einen einzelnen EU Staat. In diesem Kontext wird Ungarn oft ins Gespräch gebracht. Ein solcher Schritt würde den betreffenden Staat innerhalb der EU jedoch extrem isolieren. Was Schottland angeht ist ein Austritt aus dem UK und eintritt in die EU zwar theoretisch denkbar, aber vielleicht weniger wahrscheinlich und sehr viel komplizierter als viele sich das vorstellen. Wahr ist, dass die pro europäische Stimmung in Schottland weitaus größer ist als in England; zugleich aber macht der Handel mit dem UK einen weitaus größeren Anteil an der schottischen Wirtschaft aus als der Handel mit der EU. Ein Austritt aus dem UK und der Verlust dieses Teils der Wirtschaft zusätzlich zu den durch den Brexit ohnehin schon Sicheren Schäden für die schottische Wirtschaft ist ein extremes Risiko für Schottland. Vor allem aber könnten sich manche EU Staaten die eigene Probleme mit separatistischen Bewegungen haben (v.a. Spanien aber auch Belgien) gegen einen schottischen Beitritt zur EU stellen um die eigenen Separatisten nicht zu ermutigen. Das Risiko einer langen Hängepartie könnte viele Schotten abschrecken (sofern die Folgen des Brexits in Schottland nicht eine Mentalität der Marke "Wir haben eh nichts mehr zu verlieren") erzeugen. Theoretisch einfacher wäre der UK Austritt und EU Eintritt von Nordirland. Hier besteht nicht das Risiko dass Nordirland die Aufnahme in die EU verweigert oder verzögert werden könnte, da es (geregelt durch das Karfreitagsabkommen) nicht als unabhängiger Staat in die EU eintreten sondern Teil des EU Staates Irland werden würde. In der Praxis würde dies aber mit großer Sicherheit zu einem Wiederaufflammen der Gewalt in Nordirland durch radikale Unionisten führen, die an der Bindung an Großbritannien festhalten wollen. RE: Brexit - Lord Zymix - 18.10.2019, 13:34 Hat May ned surrendert weil ihr Vertrag nicht durchgegangen ist? RE: Brexit - Mc Timsy - 18.10.2019, 15:40 Mike84 schrieb:Die Aussage Junkers das es keine Verlängerung geben wird würde ich zu diesem Zeitpunkt nicht zu wortwörtlich nehmen. Auch weil Junker das schlicht nicht zu entscheiden hat. Verlängerung gibt es auf britische Anfrage unter Zustimmung des Europäischen Rates. Die Kommission und damit Jean-Claude Junker als Präsident der selbigen kommen da nirgends zu Wort. Ich halte es da für wesentlich wahrscheinlicher, dass man von Seiten der Kommission versucht ein bisschen den Druck auf das Unterhaus zu erhöhen, wobei man gleichzeitig weis, dass das für die Region keine rechtlich verbindliche Wirkung hat. Zitat:Sinnvoll wäre ein solches zweites Referendum allerdings insofern, als dass ein weiteres Referendum die Legitimation der britischen Politik der kommenden Jahre auf eine solidere Basis stellen würde als sie das Referendum von 2016 (in Unkenntnis der Folgen und mit offensichtlichen Lügenkampagnen geführt) darstellt. Ich gehe sogar noch weiter und sage, dass jeder, der auch nur ein Fünkchen Liebe für Demokratie als solche hat, das Referendum von 2016 nur als illegitim einstufen kann. Abseits von Lügen und einer grundsätzlichen Unfähigkeit der Bevölkerung die Komplexität des Themas zu erfassen (Jahrzehnte aggressiver Missinformation durch die Medien hatte da ganze Arbeit geleistet). Die Leave Kampagne war erfolgreich durch massiven Bruch der Finanzierungsregeln und kriminelle Handlungen, einschließlich millionenfachem Datenklau. Hinzu kommen die Einflüsse des Auslands auf diese Wahl, die noch in ihrer gesamten Tragweite untersucht werden, aber auch hier dazu dienten das tatsächliche Ausmaß der Propaganda und der fließenden Gelder zu verschleiern. Mitsamt illegalen Absprachen auf den Finanzmärkten. Unabhängig davon was man von dem Ergebnis hält. Demokratie ist nicht das Recht ein Kreuz zu machen. Es ist das Recht eine Wahl in einem sauberen, rechtlich abgesicherten Prozess zu treffen und der hat hier nachweislich nicht stattgefunden. Sämtliche Voraussetzungen um ein Referendum halbwegs sinnvoll in einem politischen System stattfinden zu lassen wurden von Großbritannien ignoriert und der einzige Grund warum das Ergebnis nicht als der unbrauchbare und schädliche Müll entsorgt wurde der es war, ist die Tatsache, dass das Referendum nicht rechtlich verbindlich ist. Einfach mal ganz unabhängig von meiner persönlichen Einstellung dazu. Es gibt ja durchaus gute Argumente für direkte Demokratie und auch Situationen in denen dieses Tool nützlich ist. Aber eine Akzeptanz des Referendums von 2016 bedeutet, dass man sich liebend gerne in einem fehlerhaften Prozess für dumm verkaufen lässt. Würde man Wahlen allgemein so stattfinden lassen wie das UK seine Volksbefragung behandelt hat, dann wäre das dortige System niemals ein Wettkampf demokratischer Ideen, sondern immer nur ein Wettbewerb, wer mehr illegal beschafftes Geld skrupelloser in das System einspeisen kann. Dann würde man Wahlausgänge immer nur mit Hilfe gestohlener Daten und unter Zuhilfenahme feindlicher Geheimdienste gewinnen. Das ist zwar aktuell im angelsächsischen Raum modern, aber jeder sollte sich fragen ob man sich wirklich so einfach zur Schlachtbank führen lassen will, oder ob man lieber nicht nur das Etikett "Direktdemokratie", sondern auch den Inhalt haben möchte. Aber, die Katze ist aus dem Sack und auch wenn ich nicht glaube, dass es das Land wieder zusammenführen wird, ich halte ein halbwegs sauberes Referendum tatsächlich für die einzige Möglichkeit hier weiter zu kommen. Einfach weil eine Berücksichtigung des Ergebnis von 2016 ein Verrat an der Idee der Demokratie ist. Wenn sie dann noch immer raus wollen, dann kann man da wenigstens davon ausgehen, dass sie wirklich so blöd sind, aber das fehlerhafte Referendum von vor 3 Jahren kann keinen Frieden in die britische Gesellschaft bringen. Demokraten die etwas auf sich halten müssen es ablehnen, Leute die auf Teufel komm raus in Europa bleiben wollen werden es sowieso nie akzeptieren und auf der Gegenseite stehen noch immer Leaver die glauben irgendwo käme schon das Einhorn um die Ecke und andere ergötzen sich selbst in der Vorstellung die EU sei eine feindliche Macht und der zweite Weltkrieg habe so gesehen nie aufgehört. Vermutlich müssen sich manche eine Generationenleistung von ihren Vorvätern aneignen, wenn sie sonst nichts auf die Reihe kriegen. Noch eine kleine Ergänzung an alle. Ich akzeptiere, dass manche Leute sich von der vermeintlich einfachen Lösung einfangen lassen, man müsse das bestehende Referendum eben akzeptieren. Bis heute fehlt mir aber auch nur eine Person, die wenigstens versuchen würde die offensichtlichen Probelem zu relativieren, oder die mir erklären könnte warum eine Demokratie akzeptabel wäre, in der quasi keinerlei Regeln mehr gelten und derjenige mit den reichsten Spendern und den besten kriminellen Netzwerken im Hintergrund dann eben ein ganzes Land phänomenal gegen die Wand fahren kann. Ich würde mich aber ernsthaft freuen wenn es jemand mal tatsächlich versuchen würde. Zitat:Theoretisch einfacher wäre der UK Austritt und EU Eintritt von Nordirland. Hier besteht nicht das Risiko dass Nordirland die Aufnahme in die EU verweigert oder verzögert werden könnte, da es (geregelt durch das Karfreitagsabkommen) nicht als unabhängiger Staat in die EU eintreten sondern Teil des EU Staates Irland werden würde. In der Praxis würde dies aber mit großer Sicherheit zu einem Wiederaufflammen der Gewalt in Nordirland durch radikale Unionisten führen, die an der Bindung an Großbritannien festhalten wollen. Bezüglich Nordirland. Hat sonst bereits jemand die Lösung im Detail nachgelesen, die jetzt vereinbart wurde? Irland-Protokoll Ich muss sagen, als Unternehmen in Nordirland würde ich mir mit dieser Lösung erhebliche Sorgen machen. Klar. Erstmal klingt das gut, Nordirland als Bestandteil beider Wirtschaftsräume. Aber um das zu garantieren muss ich als dortiger Firmenbesitzer absehbar eine enorme bürokratische Hürde überwinden. Ich muss nämlich nicht nur nachweisen von wo meine Ware kommt, ich muss auch mitteilen können ob mein Kunde im Vereinigten Königreich, oder in der EU sitzt, auf welchem Weg ich es transportiere, muss genaueste Angaben darüber machen ob und wenn ja, welche eigenen Arbeitsschritte ich dem Produkt hinzugefügt habe etc. Den Zoll für den europäischen Markt zahle ich vorher und werde auch sonst als Importeur nach Europa behandelt, bis ich den Behörden alle diese wunderbaren Dokumente liefern konnte und vielleicht später mein Geld wieder zurückkriege. Was auch bedeutet, dass ich erstmal die Standards der Europäer einhalten muss. Massivster Aufwand, den ich als kleines Unternehmen vermutlich nicht stemmen kann. Ehrlich gesagt, da würde ich momentan wohl am ehesten meinen Sitz entweder in die Republik, oder irgendwo in den Rest des UK verlegen. Beim UK profitiere ich eventuel von immerhin etwas laxeren Vorschriften, aber vor allem von viel weniger Arbeitsaufwand beim Import und wenn ich den Markt in Norirland beliefern will steht mir der Weg dorthin genau so offen (unabhängig von eventuel notwendigen Zollkontrollen, weil man ja den europäischen Markt betreten will), wie der Weg über die irische Grenze. Nordirland als Sonderhandelszone hätte durchaus potential. Aber wenn sich diese Sonderhandelszone in einem Meer aus Bürokratie verliert, weil beide Handelsblöcke weiterhin versuchen müssen ihre Regeln durchzusetzen und Nordirland damit grundsätzlich dauerhaft europäischen Regeln untergeordnet ist auf die sie keinen Einfluss haben, da fällt es mir schwer die Vorteile zu sehen. RE: Brexit - HeavyMetalNeverDies! - 18.10.2019, 21:38 (18.10.2019)Mc Timsy schrieb: Abseits von Lügen und einer grundsätzlichen Unfähigkeit der Bevölkerung die Komplexität des Themas zu erfassen (Jahrzehnte aggressiver Missinformation durch die Medien hatte da ganze Arbeit geleistet). Es kennt nicht jeder Leute die Europarecht studiert haben, die einem von einer pragmatischen, unpopulären Politik anstelle einer unrealistischen populären Politik überzeugen können. Du hast mein Weltbild ja ganz schön über den Haufen geworfen, vielleicht solltest du dich mal mehr in Öffentlichkeitsarbeit üben und den "Rest" der sich von Populisten verführen lässt, auch bekehren. Wie schwer kann das schon sein? Btw. Wärst du eigentlich dafür verbindliche Spielregeln für die politische Kommunikation mit den Wählern festzulegen? Ich finde das ganze Wahlkampfformat, insbesondere mit Videoübertragung problematisch. Zum einen ist der Zuseher darauf beschränkt welche Fragen von den Moderatoren gestellt werden, zum anderen kann man Menschen mit nonverbaler Kommunikation schön manipulieren. Ich wäre ja dafür, dass sich Politiker nur noch schriftlich ausdrücken dürfen, weil der Leser beim lesen mit sich alleine gelassen wird und der gesamte unterbewusste Teil auf die rein sachliche Ebene reduziert wird. Vielleicht sollte man eine Art Q&A einrichten, wo einerseits jeder Fragen reinstellen kann, und andererseits jeder sehen kann, welche Fragen gestellt (und nicht beantwortet) wurden. Kommentarfunktion sollte es keine geben, sonst ruft man die Trolle wieder auf den Plan. Dass Politik auf das Niveau einer Reality-Show reduziert wird, und auch noch Millionen für Werbung/Propaganda bezahlt werden, ist mMn. schon ziemlich bedenklich. RE: Brexit - Mc Timsy - 18.10.2019, 22:30 HeavyMetalNeverDies schrieb:Es kennt nicht jeder Leute die Europarecht studiert haben, die einem von einer pragmatischen, unpopulären Politik anstelle einer unrealistischen populären Politik überzeugen können. Du hast mein Weltbild ja ganz schön über den Haufen geworfen, vielleicht solltest du dich mal mehr in Öffentlichkeitsarbeit üben und den "Rest" der sich von Populisten verführen lässt, auch bekehren. Wie schwer kann das schon sein? Das ist ziemlich genau das, was ich seit Jahren ohnehin schon mache. Politische Bildungsarbeit ist aber ein langwieriger und schwieriger Prozess mit gemischten Ergebnissen. Allerdings, unabhängig davon, dass ich ohne weiteres Anerkenne, dass die meisten menschen nicht einmal genug an dem Themengebiet Politik interessiert sind, in Großbritannien waren die Medien und der öffentliche Diskurs auf eine Art europafeindlich, die du in der ganzen Union sonst nicht wiederfinden konntest. Die Behauptung lässt sich leicht aufstellen, aber ich hab' schon Jahre vor dem Brexit, nach meinem ersten Studium des Westminster-Systems prophezeit, dass Großbritannien austritt, wenn die Frage nach eine Verbleib gestellt wird. Was auch seriöse Medien dort frei an Lügen und Missinformation über Jahre verbreiten konnten geht auf keine Kuhhaut. Darüber hinaus hatten die dortigen Politiker sich bereits so sehr dem öffentlichen Diskurs angepasst, dass es abseits von pragmatischen, wirtschaftlichen Argumenten im dortigen Dialog auch keine Möglichkeit gab für die EU zu argumentieren. Wer das ausschließlich aus briischen medien verfolgt hat musste zu dem Schluss kommen, dass die EU eine ganz schlecht funktionierende, britenfeindliche Idee ist. In sofern ist meine Prognose übrigens auch daneben gegangen. Ich hätte gedacht, dass es klarer für Leave ausfällt. Habe aber ganz offensichtlich unterschätzt, wie wenig die Briten ihren Medien gleichzeitig vertrauen. Politische Aufklärung wird oft auch dadurch erschwert, dass die Gegenseite Schlagwörter anbringt, die bei genauerer Betrachtung eigentlich selbst massiv diskutiert werden könnten. "Souveränität" zum Beispiel ist bei den meisten Menschen positiv besetzt, aber wird von den meisten auch gleichzeitig nicht wirklich weit gedacht. In jedem Fall eine sehr langwierige Arbeit, die leider viel zu viel Geduld und Nerven erfordert und gefühlt auch immer auf dem gleichen Punkt stehen bleibt. Weil die Lüge einmal um die halbe Welt ist bevor man selber überhaupt davon gehört hat. Zitat:Wärst du eigentlich dafür verbindliche Spielregeln für die politische Kommunikation mit den Wählern festzulegen? Da fällt es mir sehr schwer eine gelungene Meinung zu finden. Bisher handele ich da aber mit Neil Postmans: "Wir amüsieren uns zu tode!", würde aber um die noch modernere Internetkommunikation ergänzen. Ich glaube, ab der Medienstufe "Fernsehen" ist kein sinnvoller politischer Diskurs mehr möglich. Zeitungen und wohl moderierte Debatten sind in Ordnung, aber um die kurze Aufmerksamkeitsspanne eines Fernsehzuschauers, oder eines Twitter-Nutzers einzufangen muss viel zu viel Show betrieben werden. Leider muss ich mich aber auch der Realität stellen, dass die anderen Medien schon in ihrer Blütezeit nicht so viele Leute erreichen konnten, wie es heute Fernsehen und Soziale Medien schaffen. In sofern glaube ich fast, dass sich die Frage gar nicht stellt, ob unzureichende Kommunikationsmittel genutzt werden. Die Frage muss lauten: "Wie gehen wir damit um?" Zitat:Ich finde das ganze Wahlkampfformat, insbesondere mit Videoübertragung problematisch. Zum einen ist der Zuseher darauf beschränkt welche Fragen von den Moderatoren gestellt werden, zum anderen kann man Menschen mit nonverbaler Kommunikation schön manipulieren. Da stimme ich sogar zu. Ich persönlich muss auch sagen, dass ich die meisten derartigen Formate herausragend langweilig finde. Letztlich kommt mir nicht genug Information rüber, weshalb ich mir Interviews normalerweise nur ansehe, wenn sie politisch relevant werden, weil Leute darüber sprechen. Dann muss ich ja den Kontext wissen. Aber sonst? Insbesondere in unserer Zeit. Früher mal konnte eine vorschnelle Aussage beim Interview dabei helfen Nixon zu stürzen. Heutzutage twittert die betroffene Person einfach das genaue Gegenteil, dann ein Geständnis, dann wird wieder abgestritten und dann kommen drei Whataboutisms und die Anhänger kommen da dann auf der anderen Seite raus und sind fest davon überzeugt, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Vielleicht ist es auch nicht das Format, sondern Leute wie ich müssen irgendwann akzeptieren, dass alle politische Aufklärungsarbeit nutzlos ist, weil die Menschen vielleicht doch einfach zu blöd sind um mit diesen Informationen umzugehen. In unserer Welt sind Trump, Reichsbürger, Flacherdler und der Brexit existent. Das lässt dann doch schon leichte Zweifel aufkommen. Zitat:Vielleicht sollte man eine Art Q&A einrichten, wo einerseits jeder Fragen reinstellen kann, und andererseits jeder sehen kann, welche Fragen gestellt (und nicht beantwortet) wurden. Also, es gibt zumindest Abgeordnetenwatch.de. Das kommt zumindest recht nah an deine Beschreibung heran. Aber weist du, ansonsten wäre ich glaube ich einfach froh, wenn die Menschen sich zumindest etwas bereitwilliger mit der Politik auseinandersetzen würden. Viele fragen: "Warum machen die das?" Aber die wenigsten versuchen es danach auch tatsächlich rauszufinden. Man beschwert sich darüber, dass die Politiker unnahbar seien, schreibt aber nicht und geht auch nicht zu den Öffentlichkeitsterminen. Ich habe beispielsweise noch keinen Abgeordneten getroffen, der nicht immerhin semi-regelmäßige Gespräche in seinem Wahlkreisbüro anbietet wo alle hin können. Aber zu solchen Veranstaltungen tauchen meistens nur die gleichen Gesichter auf. Man will engagierte, ordentliche Menschen haben, die nicht anfällig für Korruption sind und ein hohes Pflichtgefühl gegenüber ihrer Aufgabe haben, aber die meisten können nicht einmal sagen, wer ihr Abgeordneter ist. Natürlich kann dann auch keiner bei der nächsten Wahl sinnvoll seinen Abgeordneten konfrontieren oder sofort abwählen. Da beschwert man sich dann lieber, dass die repräsentative Demokratie ja nur ein Kreuz alle vier Jahre wäre, aber das muss und sollte sie nicht sein. Man kann ein Stachel im Fleisch seiner Abgeordneten sein. Man kann sich informieren und wenn man sich über einen Skandal wirklich aufregt, oder der Mandatsträger sich besonders intransparent zeigt, dann muss man auch mal mehr machen als nur unzufrieden zu grummeln. Muss ja nicht jeder gleich in die Politik gehen und selber kandidieren, aber wenn wir wollen, dass bei unseren Wahlen nur die Crème de la Crème rauskommt, dann müssen wir eigentlich auch einen Selektionsprozess schaffen der dazu tauglich ist. Solche Leute bekommt man nicht, wenn man den dreimal wegen sexueller Belästigung verurteilten Bürgermeister einfach weiter wählt oder einfach ganz verweigert sich mit Politik zu befassen. Brexit ist eigentlich ein wunderschönes Beispiel. Die Briten haben sich zu großen Teilen noch weniger mit der EU befasst als der Rest der Unionsbürger. Man hat dann also keine Möglichkeit gehabt die Lügen in den Boulvardblättern zu durchschauen und irgendwann einfach zu sagen: "Bis die wieder vernünftig berichten kaufe ich die nicht." Die Politiker haben sich entweder angepasst, oder diesen Mist zum eigenen Vorteil befeuert. Bestes Beispiel Farage. Der Mann macht seinen Job einfach nicht. Der geht einfach nicht in seine Ausschusssitzungen und bringt sich auch ansonsten null für seine Wähler ein. Seit Jahren. Stattdessen beleidigt er im Plenarsaal die anderen Abgeordneten, was ebenfalls niemandem hilft, aber die Menschen schlucken es ja. So schließt sich dann der Kreis, in dem Politiker Lügen um Schlagzeilen zu erzeugen und die Menschen dann die lügenden Politiker wählen, weil sie von den Schlagzeilen beeinflusst wurden. Den Zirkel kann man durchbrechen, aber das ist verdammt hart und frustrierend, weil man sich erstmal zäh durch diesen Mief aus Ignoranz und Missinformation arbeiten muss. Keine Ahnung wie man die Menschen in Masse ausreichend motiviert. Moderne Medien schaffen im Moment ja eher das Gegenteil. RE: Brexit - Firebird - 19.10.2019, 16:07 Die Brexit-Entscheidung wurde erneut vertagt. RE: Brexit - HeavyMetalNeverDies! - 19.10.2019, 16:20 Das war ja äußerst amüsant mitanzusehen. Bin gespannt wie lange Johnson durchhält bis er das Handtuch wirft. RE: Brexit - RipVanWinkle - 19.10.2019, 19:38 Alter, können die nicht einfach endlich rausgehen? Dieses Parlament ist wirklich verdammt nervig. Lehnt alles ab, kann sich nicht entscheiden und verschiebt einfach weiter, damit sie wieder Zeit hat sich nicht einig zu sein. Super. Ohne Neuwahlen oder hartem Brexit wird sich an der Situation niemals was ändern. RE: Brexit - HeavyMetalNeverDies! - 19.10.2019, 20:12 (19.10.2019)RipVanWinkle schrieb: Ohne Neuwahlen oder hartem Brexit wird sich an der Situation niemals was ändern. Meine Rede. In beiden Fällen wird der Rechtspopulismus sein wahres Gesicht zeigen. RE: Brexit - Firebird - 19.10.2019, 21:53 Es hieß ja bislang klar von BoJo, dass er keine Verschiebung des Brexits mehr will. Jetzt aber sieht es so aus, als wolle London die Verschiebung doch. RE: Brexit - RipVanWinkle - 19.10.2019, 23:07 Naja, er muss ja. Das eine Gesetz das das Parlament verabschiedet hat zwingt ihn ja dazu, wenn er nicht gerade vorher zurücktreten will. RE: Brexit - Malte279 - 20.10.2019, 11:39 Es bleibt jetzt abzuwarten ob die EU eine solche Verlängerung einfach durchwinkt, oder ob es den Versuch geben wird eine Verlängerung an Bedingungen (zweites Referendum / Neuwahlen) zu knüpfen um sicherzustellen, dass diesmal auch wirklich etwas bei der Verlängerung herauskommt. Eine Verlängerung nur unter einer solchen Bedingung würde von den Extremisten unter den Brexiters möglicherweise als unzumutbarer Eingriff in die Souveränität Großbritanniens gesehen werden (ein Vorwurf den man gut mit der Frage beantworten könnte wie man es denn zu bezeichnen hat, dass ein wirklich großer und teurer Teil der EU Politik sich seit bereits viel zu langer Zeit nur um den Brexit zu drehen hat und es daher sehr wohl legitim ist das ganze mit etwas druck von außen voranzubringen, wenn das UK selber dazu nicht in der Lage ist). Völlig zurecht hatte McTimsey ja nochmal auf die Umstände hingewiesen unter denen das den Brexit Hardlinern heilige Referendum von 2016 zu Stande gekommen ist. Ein Umstand den man aus schierer Brexitmüdigkeit fast schon wieder verdrängt bis zu dem Punkt, dass viele auf die Parole hereinfallen, dass ein zweites Referendum "undemokratisch" wäre, da es das unter den oben beschriebenen Umständen Erfolgte, uninformierte Votum von 2016 ignoriere. Ein zweites Referendum mit den Optionen No Deal, Johnsons Deal oder Verbleib könnte hoffentlich für etwas mehr Klartheit und Legitimität für die weitere Britische Politik sorgen da das Ergebnis, selbst bei einem wohl knappen Ausgang zumindest einen gewissen Anspruch hätte, dass die Leute diesmal eher wissen würden wofür sie überhaupt abstimmen. Ein Referendum mit diesen Drei Möglichkeiten bietet aber auch ein Risiko. Was wäre beispielsweise wenn 36% für den Verbleib in der EU und jeweils 32% für no Deal bzw. den Deal stimmen würden? In dem Fall hätte man dann zwar die meisten Stimmen für den Verbleib aber gleichzeitig eine noch deutlichere Mehrheit im Allgemeinen für den Austritt. Das ist zwar ein nur hypothetisches Szenario, aber ich muss gestehen dass ich bei all den widersprüchlichen Aussagen, Behauptungen und Protesten wirklich kaum mehr eine Vorstellung davon habe wie zu diesem Zeitpunkt realistischerweise die Stimmanteile in der britischen Bevölkerung aussehen würden. Gibt es dazu irgendwelche belastbaren Meinungsumfragen? |