Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Druckversion +- Bronies.de (https://www.bronies.de) +-- Forum: Off-Topic (https://www.bronies.de/forumdisplay.php?fid=11) +--- Forum: Diskussionen (https://www.bronies.de/forumdisplay.php?fid=14) +--- Thema: Politik - Eine Frage einer Unwissenden (/showthread.php?tid=19429) |
Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Rainbow Pie - 04.08.2014, 08:41 Kann mir einer diese Frage vielleicht leicht verständlich, aber so ausführlich wie möglich beantworten? Es geht um die Gesetzgebung und ich lese mich da gerade durch ein paar Themen. Hier die Frage: "Worin liegen für den "einfachen" Bundestagsabgeordneten die Probleme von Koalitionsrunden?" Vielen Dank im Vorraus für hilfreiche Antworten. I could not resist. - kommo1 - 04.08.2014, 20:03 Er muss sich Ausnahmsweise mal ausführlich mit Politik befassen. RE: Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Smilley - 04.08.2014, 23:13 Ich denke mal jede Partei regelt es anders, wie viel Einfluss der einzelne Abgeordnete bei den Koalitionsverhandlungen hat. Bei Nichenparteien wie den Grünen kann ich mir denken, dass sie Einzelheiten zur Debatte bzw. internen Abstimmung stellen, während bei Massenparteien wie SPD oder CDU eher nur wenige Machthaber die Entscheidungen treffen. In Ungarn geht das sogar so weit, dass Abgeordnete bestimmter Parteien eine Treuebekundung unterschreiben müssen und jedesmal eine Strafe an die Parteikasse zahlen müssen, wenn sie nicht nach Vorgabe abstimmen. Sie sind dadurch nicht mehr Repräsentanten ihres Wahlbezirkes oder zumindest mitdenkende Persönlichkeiten, sondern nur Drohnen ihrer Partei mit Stimmrecht. Wenn's nach diesen Parteien ginge, könnte man das Parlament auf die Parteiführer reduzieren, die jeweils so viele Stimmen haben wie sie früher Abgeordnete hatten. RE: Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Mc Timsy - 05.08.2014, 10:11 Worin liegt denn genau dein Problem bei dieser Frage Rainbow Pie? Versteh' mich nicht falsch, aber so wie deine Frage formuliert ist scheint es einem so, als wolltest du jemanden der dir "leicht verständlich, aber so ausführlich wie möglich" deine Hausaufgaben macht. Bin zwar immer gerne bereit zu helfen wenn es um Fragen zur Politik geht, aber auch so wäre es vermutlich sinnvoller wenn du konkret aufschreiben würdest wo du bei dieser Frage nicht weiter kommst. RE: Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Rainbow Pie - 05.08.2014, 18:40 Nein, das sind keine Hausaufgaben. Wir haben auf der Arbeit über Politik geredet und mein Ausbildungsleiter ist auf einige Fragen nicht eingegangen. Da ich das Thema Gesetzgebung etc recht interessant finde, aber von Politik nicht wirklich eine Ahnung habe (Deswegen leicht und ausführlich, damit sogar ich es verstehe) Es wurde angeschnitten, dass bei der Gesetzgebung/verabschiedung die einfachen Bundestagsabgeordneten Probleme in Koalitionsrunden haben. Und ich habe es einfach nicht wirklich verstanden, welches Problem da sein könnte. Und weil ich es gerne wissen wollte und ich im Internet dazu nichts gefunden habe dachte ich, dass ich einen Thread aufmachen kann. Gibt ja eigentlich hier recht viele, die sich mit Politik etc auskennen RE: Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Mc Timsy - 05.08.2014, 19:23 Naja, grundsätzlich soll der Fragenden natürlich geholfen werden. Ich versuch dann mal mein Glück: Wie Smilley schon angedeutet hat, geht es um die Frage welchen Einfluss ein Abgeordneter tatsächlich auf die Gesetzgebung nehmen kann. Unser System erwartete ja, idealerweise, dass die Wähler Abgeordnete ihres Vertrauens in den Bundestag oder jedes andere Parlament wählen, damit diese dort dann entsprechend Einfluss nehmen können. Wenn du also beispielsweise Norbert K. deine Stimme gibst, dann sagst du damit, dass du Norbert für die fähigste Person hälst, bei Fragen über das Allgemeinwohl zu entscheiden. Der Abgeordnete ist, wie es in unserer Verfassung so schön heißt: "[..]an Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen." Norbert darf also selber entscheiden wie er abstimmen will. Zumindest sieht das Ideal so aus. So, die Koalitionsrunden sind einer der vielen Bereiche wo die Theorie und die Realität nicht genau zusammen passen. Ein Abgeordneter ist meistens Teil einer Partei und nicht einmal diese sind immer genau einer Meinung. Außerdem hat nicht jeder Mensch Kompetenzen und Interessen für alle Gebiete. Wenn man aber in der Politik die eigenen Ziele erfolgreich umsetzen will, muss man Teamplayer sein. Man muss als Partei Aufgaben verteilen, damit nicht jeder Abgeordnete alle Themen gleichermaßen bearbeiten muss. Auch ein Tag in Berlin hat nur 24 Stunden und sowas wäre für keinen menschlichen Verstand zu stemmen. Wenn du ein Bundestagsmandat hast, musst du lernen auf deine Kollegen und ihre Expertise zu vertrauen, denn sonst ist eure Partei uneins und eine Partei die keine bindenden Zusagen machen kann ist im politischen Betrieb völlig wertlos. Das gilt besonders bei Koalitionsrunden. Hier versuchen zwei Parteien ihre Politik miteinander auszuhandeln. Das ist einfacher möglich, wenn beide Parteien nur ihr Spitzenpersonal schicken. kannst du sicher nachvollziehen, denn Verhandlungen mit beispielsweise 10 Personen im Raum sind wesentlich leichter umsetzbar, als Verhandlungen mit über 300 Personen, die alle ihren Senf dazu geben möchten. Bei diesen Koalitionsverhandlungen müssen dann aber manchmal schmerzhafte Kompromisse gemacht werden, da man sich nicht mehr nur in der eigenen Partei (also relativ ähnlichen Grundinteressen) bewegt, sondern jetzt mit Leuten verhandeln muss, die manchmal ganz andere Ziele verfolgen. Was ist also das Problem für den einzelnen Abgeordneten? Er wird nicht gefragt, sondern muss blind darauf vertrauen, dass seine Parteigenossen das bestmögliche Ergebnis ausgehandelt haben. Juristisch ist er in Deutschland nicht gezwungen das Ergebnis immer mit zu tragen, es lastet aber ein ungeheurer Druck auf ihm sich konform zu verhalten. Würden er und vielleicht große Teile der eigenen Partei gegen die Vereinbarungen der Koalition stimmen würde die Partei an Glaubwürdigkeit verlieren. Niemand will mit einer Gruppe zusammen arbeiten, wenn man sich niemals sicher sein kann, ob die Gruppe dann auch tatsächlich macht, was ihre Vertreter versprochen haben. Ohne die Hilfe anderer Parteien kann aber niemand hier in Deutschland effektiv Politik machen. Deshalb braucht es das, was die Parteien "Fraktionsdisziplin" nennen. Die Fraktion muss im Bundestag geschlossen auftreten um ihre Ziele effektiv umzusetzen, was den einzelnen Abgeordneten dazu zwingt in bestimmten Themen anders abzustimmen, als er es eigentlich für richtig hält. Nur um die Zusagen seiner Fraktion gegenüber einer anderen Partei zu erfüllen. Das Verprechen unserer Verfassung, der Abgeordnete sei nur seinem eigenen Gewissen unterworfen, wird damit abgeschwächt. Das zweite Problem ist, dass die Koalitionsrunden nicht formal-juristisch bestimmt sind. Nirgendwo in der Verfassung steht wie eine Koalitionsrunde auszusehen hat, wie sie abläuft und was für Dinge sie zu entscheiden hat. Die Verhandlungen finden außerhalb der Institutionen unseres Staates in abgeschlossenen Räumen irgendwelcher Parteizentralen statt. Dabei werden dort die politischen Richtlinien der Regierungsarbeit bestimmt. Außerhalb der Institutionen heißt dann natürlich auch: "Nicht öffentlich!" So, ich denke ich warte jetzt erstmal ob dir das hilft. Sonst tippe ich hier noch mehr hin was am Ende vielleicht garnicht gebraucht wird. RE: Politik - Eine Frage einer Unwissenden - kommo1 - 06.08.2014, 01:57 In kürzer: In großen Parteien und mehr noch in Fraktionen ist der einzelne Abgeordnete nur noch bedingt Herr seiner politischen Ausrichtung. Damit die Regierung nicht in Kleinststreiereien untergeht, gibt er seine schwächsten Gebiete an (vermeintlich) bessere ab und konzentriert sich auf sein Fachgebiet. Dabei besteht das Risiko, dass diese anderen Abgeordneten in diesen Gebieten letztlich andere Dinge verhandeln, als er es sich gerne gewünscht hätte. Damit es dann nicht zu Kleinstreitereien kommt, zieht er (vielleicht maulend und murrend) mit. ---------------------------------------------------- Dies ist eigentlich auch einer der größten Kritikpunkte in unserem jetzigen System. Timsy spricht von Abschwächung des Versprechens. Je nach Thema kann es aber schon eher eine Zernichtung des Versprechens sein. Grundsätzlich kann zwar jeder entscheiden wie er will, aber ein gewisser Gruppenzwang besteht halt bei Parteisystemen. RE: Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Space Warrior - 06.08.2014, 11:28 (06.08.2014)kommo1 schrieb: Grundsätzlich kann zwar jeder entscheiden wie er will, aber ein gewisser Gruppenzwang besteht halt bei Parteisystemen.Deshalb darf es in einer echten repräsentativen Demokratie sowas wie Parteien gar nicht geben, weil Demokratie Herrschaft von Allen und der Gemeinschaft bedeutet, Parteien aber eine Minderheit mit klarer interner Struktur und Rangfolge sind. RE: Politik - Eine Frage einer Unwissenden - Rainbow Pie - 06.08.2014, 11:58 Oh vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort. Das hat mir sehr geholfen :3 |