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Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Druckversion

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Seiten: 1 2


Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Karamellbonbon - 23.01.2021, 20:54

Guten Abend,

[Bild: o6d0ooA.png]

wie ja aktuell durch die sozialen Netzwerke und Medien bekannt wird, gibt es in Russland derzeit in über 90 Städten Proteste, welche auf eine Freilassung des Oppositionspolitikers Alexei Nawalny pochen und dementsprechend nicht gerade positiv gegenüber der Regierung Putin eingestellt sind.
Ein Video zur Aktuellen Lage (Öffnen)

Es kam bereits jetzt zu tausenden Verhaftungen von Demonstranten, Ausschreitungen von beiden Seiten und die Menschen sind allgemein ziemlich unzufrieden. Nawalny wurde im August 2020 vergiftet, zur Behandlung notausgeflogen nach Berlin und vor wenigen Tagen zurück nach Russland geflogen und bei Ankunft direkt verhaftet. Generell ist der Umgang mit Oppositionellen in Russland sehr repressiv, kritische Stimmen werden mutmaßlich ruhiggestellt, zu Not mit Gefängnisstrafen oder *tragischen Unfällen*

Dieser Thread ist nun zur Diskussion über dieses Thema gedacht, da es sich ja um ein außergewöhnliches Ereignis handelt. Daher frage ich, wie ihr zu der Situation, der Regierung Putin bzw. seinen Umgang mit den Bürgern steht - neuere Informationen können natürlich gerne nachgereicht werden.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Kralle - 23.01.2021, 21:16

Dass Putins Politik kritisch beäugt wird, ist ja logisch. Konsequenzen werden vermutlich aber nicht gezogen und wenn dann nur so minimal, dass sie kaum relevant sind. Da können die westlichen Staaten noch so viele Sanktionen verhängen, Putin wird einfach nach dem selben Muster weiter seine politischen Geschicke ausüben.

Das aktuelle Geschehen ist vermutlich auch nur eine kurze Aufflammung von Aggressionen und Wut gegenüber seiner Politik. Ich denke schon, dass das in naher Zukunft bereits wieder in Vergessenheit gerät.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - BlackT0rnado - 23.01.2021, 21:22

(23.01.2021)Kralle schrieb:  Ich denke schon, dass das in naher Zukunft bereits wieder in Vergessenheit gerät.

Wird kurz in den Lamestream Medien breit getreten und nach 3 Wochen kräht kein Hahn mehr danach.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Mc Timsy - 23.01.2021, 22:09

Karamellbonbon schrieb:Dieser Thread ist nun zur Diskussion über dieses Thema gedacht, da es sich ja um ein außergewöhnliches Ereignis handelt. Daher frage ich, wie ihr zu der Situation, der Regierung Putin bzw. seinen Umgang mit den Bürgern steht - neuere Informationen können natürlich gerne nachgereicht werden.

Die kurze Version. Ich fände es klasse, wenn die Russen endlich die Demokratie bekämen die ihnen zusteht und nicht weiterhin von einem mordenden, korrupten Staats-Mafia-Paten unterdrückt werden. Ich sehe aber leider nicht, dass das jetzt notwendigerweise passiert. Ich würde es den Russen wünschen, aber wenn Autokraten leicht zu vertreiben wären gäbe es keine und Putin steht, wie ich das sehe, noch immer zu stabil im Sattel.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Dominik-Man - 23.01.2021, 22:20

Traurig sowas. Aber wie bereits gesagt wurde, das ist für ein paar Tage/ein paar wochen ein großes Thema und dann ist es so, als wäre nichts gewesen. War ja in der Vergangheit schon bei anderen, ähnlichen Sachen der Fall.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Magic Twilight - 23.01.2021, 22:48

Junge, warum bist du überhaupt nach Hause geflogen?!

Der Startpost-Typ sieht übrigens aus wie die russische Version eines bestimmten Kapitol-Stürmers.

Meine Meinung: Es wird Zeit, dass Putin geht.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Basinator - 23.01.2021, 23:13

Ich habe meine Zweifel, dass dort irgendwann demnächst auch nur irgendetwas passiert. Also politisch gegen Putin.

Außer vielleicht dem nächsten Anschlag auf Nawalny und U-Haft oder herbeigezogene Anklagen.
Der Kreml heuchelt vielleicht nach außen mit Mitleid, aber es gibt keins.

Aber die Tagesthemen-Kommentare sind wie immer sehr gut:
Der wahre Verlierer sitzt vielleicht im Kreml.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Meganium - 24.01.2021, 23:07

Tja, Nawalny sitzt. Er wollte ja unbedingt zurück in sein Land. Typisch für Nationalisten. Auch hier zu lesen, was er sonst noch alles ist: Klick
wsws schrieb:Diese Ablehnung ist durchaus berechtigt. Nawalny ist kein Demokrat oder Liberaler, sondern ein frustrierter Unternehmer und Aktionär mit deutlich faschistischen Ansichten. Er repräsentiert in vielerlei Hinsicht den gesammelten politischen Schmutz, der in Russland nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 an die Oberfläche gedrungen ist.

Aber nunja, jeder autoritäte Machthaber, und da gehört Putin dazu, gehört auch zu diesem Schmutz. Was ich also beobachte: Dasselbe in Grün. Aber davon wird kaum berichtet. Nur, dass ein Mensch mit großer medialer Reichweite zum Schweigen gebracht wird, und dass nun seine Anhänger Sturm laufen. Passend hierzu ganz am Ende des Links:
wsws schrieb:"Der einzige Ausweg für die russische Arbeiterklasse liegt im erbitterten Widerstand gegen alle Formen von Nationalismus, egal ob er von Nawalny oder Putin propagiert wird. "



RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Ayu - 24.01.2021, 23:27

(23.01.2021)Magic Twilight schrieb:  Meine Meinung: Es wird Zeit, dass Putin geht.
Bei seinem aAlter dankt er wohl eher vorher aus natürlichen Gründen ab, gibt ja in letzter Zeit so einige Gerüchte bezüglich einer schlechten Gesundheit, aber ob da etwas besseres nachkommt ist eher anzuzweifeln, dazu ist der Einfluss der in Russland extrem konservativen Kirche dann doch noch zu stark.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Basinator - 24.01.2021, 23:33

Jein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexei_Anatoljewitsch_Nawalny#Konstatierte_N%C3%A4he_zum_Nationalismus_2011

War er wohl mal, aber wie viel davon übrig geblieben ist, ist schwer zu sagen.

Aus dem englischen Wiki:
Zitat:He is currently the only political leader in Russia in favor of the legalization of same-sex marriage.[270]
[...]
Navalny is one of very few Russian politicians who spoke out in support of the Black Lives Matter protests against racism.[272]
Liest sich aber doch schon eher liberal, oder zumindest deutlich weniger konservativ als der Kreml. Shrug

Erinnert mich aber an diese Wahl mit einem dieser Putin-Kritiker vor ein paar Monaten, der soll angeblich auch ziemlich rechts gewesen sein.

Edit:
War vermutlich der hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Proteste_in_Chabarowsk_2020

Von rechts oder nationalistisch steht dort oder auf der eng page aber nichts.

E2:
(24.01.2021)Meganium schrieb:  https://www.wsws.org/de/articles/2018/01/10/nava-j10.html

Die Seite kam mir gleich etwas suspekt vor. Ein Blick in das Impressum offenbart:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistische_Gleichheitspartei
Zitat:Sie wird vom Verfassungsschutz beobachtet und von diesem als linksextremistisch eingestuft.[1]
https://de.wikipedia.org/wiki/Internationales_Komitee_der_Vierten_Internationale

Scheinen wohl linker als Die Linke zu sein. Shrug

Wie nahe sie nun der Russland-Regierung stehen, kann ich dir jetzt aber nicht sagen. Wäre aber in jedem Fall nicht gerade meine erste Wahl als eine Quelle...

Man kann aber, unter der Annahme ausgehend, dass Nawalny ein Investor und Freund des Kapitalismus ist und SGP Kapitalisten massiv hasten, aber schon genug aufstellen, um die Neutralität infrage zu stellen.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Railway Dash - 25.01.2021, 01:40

(23.01.2021)Mc Timsy schrieb:  Die kurze Version. Ich fände es klasse, wenn die Russen endlich die Demokratie bekämen die ihnen zusteht und nicht weiterhin von einem mordenden, korrupten Staats-Mafia-Paten unterdrückt werden. Ich sehe aber leider nicht, dass das jetzt notwendigerweise passiert. Ich würde es den Russen wünschen, aber wenn Autokraten leicht zu vertreiben wären gäbe es keine und Putin steht, wie ich das sehe, noch immer zu stabil im Sattel.

Die Sache ist eben auch: Rußland hatte nie eine Demokratie. Bis 1918 gab es das Zarenreich, danach die bolschewistische Revolution und die Errichtung der kommunistischen Diktatur. 1990 dann der Zerfall der Sowjetunion; eventuell könnte man die Präsidentschaft von Boris Jelzin als Demokratie-Versuch werten. Allerdings ging dieser Versuch ziemlich schief: selbst die Sowjetunion-"Nachfolgeorgansiation" GUS zerfiel, im Land breitete sich Chaos aus, aus dem nach Unabhängigkeit strebenden Tschetschenien wurde Terror nach Moskau (gegen die Zivilbevölkerung natürlich) gebracht... allgemein stiegen Arbeitslosigkeit und Preise, die Inflation galoppierte davon; dem Großteil der russischen Bevölkerung (bleiben wir mal bei Rußland, die SU bestand ja bekanntlich noch aus wesentlich mehr Völkern) brachte die Ära Jelzin nicht wirklich was Positives. Was nützt denn die tollste Meinungsfreiheit, wenn man sich die Miete für die Wohnung nicht mehr leisten kann, nicht genug Geld für Energie da ist und man sich nichts mehr zu essen kaufen kann? Entsprechend wundert es mich nicht, daß Putin im Land zumindest anfangs auf sehr hohe Zustimmungswerte kam, denn er sorgte auf jeden Fall wieder für geordnete Verhältnisse.

Ein Volk, das bisher keinerlei Demokratie kannte, sondern nur Diktatur oder Chaos, kann man meiner Ansicht nach nicht einfach so ins kalte Wasser der Demokratie nach unserem Verständnis werfen. Denn diese würde sofort von Chaoten-Gruppen aller Coleur ausgenutzt, die dann unter dem Deckmantel "Demokratie" bzw. "Meinungsfreiheit" tun und lassen, was sie gerade wollen, ohne Regeln und ohne Rücksicht auf Verluste. Eine Demokratie müßte langsam aufgebaut werden; einfach jeden urplötzlich sich selber überlassen kann nur ins Chaos führen.

Hinzu kommt: alleine schon Rußland ist groß. Nicht nur groß, sondern riesig - endlose Weiten. Könnte so ein Land mit einer Demokratie überhaupt noch bestehen bleiben, oder würde es über kurz oder lang zerfallen? Sehen wir uns das größere Modell "Sowjetunion" an: die funktionierte nur so lange, wie es die Diktatur, die starke Hand, gab, die alles zusammenhielt und dirigierte. Auf einmal fehlte die, Folge: viele Sowjetrepubliken sagten sich von Moskau los, was aber durchaus nicht zwangsläufig bedeutet, daß es in diesen jetzt auf einmal Demokratie gäbe: im Gegenteil etablierten sich häufig noch viel schlimmere Autokraten und Diktatoren in diesen nun unabhängigen Staaten, bekanntestes Beispiel ist sicher die ehemalige Weißrussische Sowjetrepublik, heute Belarus (was übersetzt einfach nur "Weißrußland" bedeutet). Ihr kennt die Nachrichten des Jahres 2020, da brauche ich mich nicht weiter auslassen Twilight: not bad Und: geht es der Bevölkerung in den nun von Moskau unabhängigen und trotzdem diktatorischen Staaten jetzt besser als vorher, haben die irgend etwas gewonnen (außer vielleicht Wiedererlangung ihrer eigenen Sprache; Russisch war in der SU zwar verpflichtende Amtssprache, aber jede Sowjetrepublik hat darüber hinaus, historisch gewachsen, noch eine oder gleich mehrere eigene Sprachen)? Da habe ich arge Zweifel. Wirtschaftlich fielen diese "befreiten" ehemaligen Sowjetrepubliken auch überall runter, daß irgendwo ein "Boom-Staat" entstanden wäre, wäre mir auch nicht bekannt. Kommt den lokalen Bevölkerungen auch nicht unbedingt zugute.

Deshalb kann es gut sein, daß sich solche Riesenreiche gar nicht anders regieren und erhalten lassen als nach dem System Sowjetunion oder jetzt zumindest System Putin. Und bei "Demokratisierungen" sollte eben auch immer vorher (!) gut überlegt werden, ob man der Bevölkerung damit wirklich einen Gefallen tut - oder sie unter dem vorhandenen System nicht vielleicht sogar besser lebt. Ich meine damit: etwas, was historisch gewachsen für uns in Mittel- und Westeuropa recht gut funktioniert, muß woanders noch lange nicht klappen.

Wegen Nawalny: wieso ist eigentlich "alle Welt" so absolut sicher, daß er auf Putins Geheiß vergiftet wurde? Ja, gut, die Substanz: militärisches Nervengift. Aber muß die Initiative von Putin ausgehen? Man kann Putin ja vieles nachsagen, aber eines sicher nicht: daß er dumm wäre. So eine Aktion ist meiner Ansicht nach aber einfach dumm: daß Novitschok (oder wie das transkribiert nun wieder geschrieben wurde) verwendet wurde, mußte doch rauskommen, das wäre doch mit Sicherheit auch Putin klar gewesen. Auch, daß eben jeder Verdacht erstmal auf ihn fällt - und das eben Folgen hat. Würde Putin alle negativen Folgen in Kauf nehmen, "nur" um einen Gegner loszuwerden? Pls. Da gibt es für einen ex-Geheimdienstler (der heute ja mit Sicherheit einen eigenen Geheimdienst befehligt) viel unauffälligere Methoden, um einen Gegner loszuwerden, als ausgerechnet eine, die schon fast in Leuchtschrift schreien soll "Der Kreml wars!!". Denn der Kreml dürfte sicher kein Interesse daran haben, daß North Stream 2 als politische Sanktion auf der Kippe steht (Rußland WILL Gas verkaufen, bringt ja schließlich Devisen, und das OHNE daß Transitstaaten als politisches Druckmittel einfach den Hahn zudrehen können), daß laufende Wirtschaftssanktionen nicht gelockert werden, daß womöglich weitere neue Sanktionen hinzukommen... und all das ist Putin mit Sicherheit auch klar; wie gesagt: aufgrund seiner Biografie halte ich ihn eben nicht für so dumm, so einen Fehler zu begehen. Er war beim KGB bekanntlich nicht einfach nur der tumbe Schlägertyp, sondern immerhin Major, also Offizier - das sind in aller Regel keine Menschen mit dem IQ einer Blaualge AJ hmm

Was genau hinter Nawalnys Vergiftung steckt, weiß ich nicht, das kann ich mir auch nicht erklären - dazu befasse ich mich aber auch zu wenig mit der ganzen Angelegenheit. Ich sage nur, daß ich an der offiziellen Lesart "das passierte auf Putins Befehl hin" Zweifel habe.

Daß Nawalny jetzt nach seiner Rückkehr direkt festgenommen wurde, war aber abzusehen. Zwar meiner Meinung nach auch ziemlich plump (eleganter wäre wohl eher eine 24/7-Beschattung gewesen), andererseits aber auch nicht so verwunderlich: Staaten allgemein gehen nun mal so mit Leuten um, die sie in Verruf gebracht haben. War da nicht übrigens was mit der selbsternannten Musterdemokratie USA (die ihr Verständnis von Demokratie in der Vergangenheit ja auch immer wieder ungefragt in andere Länder exportieren mußten, was selten gute Resultate brachte), die einen gewissen Edward Snowden ausgeliefert haben wollen, um ihn buchstäblich für Jahrhunderte einzuknasten? Twilight: not bad Ist das wirklich so viel anders...? Würde Snowden freiwillig in die USA reisen, würde er vermutlich kaum anders behandelt werden als Nawalny in Rußland jetzt.

Wäre ich Regierungschef, wäre meine Politik: nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen, erst recht nicht, wenn nicht sämtliche Fakten zu einem bestimmten Fall zweifelsfrei bekannt sind. Wer weiß denn, was im Fall Nawalny alles NICHT bekannt ist und was womöglich gleich ein ganz anderes Licht auf die Angelegenheit wirft? Ich sicher nicht, also würde ich da nicht vorpreschen. Ich sehe es als eine innere Angelegenheit eines anderen Staates, die mich schlicht einfach mal gar nichts angeht, also würde ich mich raushalten. Vielleicht mal nachfragen, ja, aber auch das nur mit Gefühl.

Rußland hat eine eigene Geschichte und eine eigene Seele. Für Menschen aus der westlichen Welt mag die oft herzlich unverständlich sein, aber eben deshalb würde ich mich da nicht wirklich einmischen wollen. Als in der DDR Aufgewachsener habe ich zur slawischen Mentalität allgemein (läßt sich durchaus auch auf Tschechien übertragen, dort bin ich ja auch öfter mal) wahrscheinlich mehr Bezug als der durchschnittliche Westdeutsche, trotzdem oder vielleicht gerade deshalb maße ich mir keine Belehrungen und Bevormundungen an. Und was eine Demokratisierung betrifft: dazu hatte ich mich ja eingangs geäußert.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Basinator - 25.01.2021, 02:10

Zitat:Entsprechend wundert es mich nicht, daß Putin im Land zumindest anfangs auf sehr hohe Zustimmungswerte kam, denn er sorgte auf jeden Fall wieder für geordnete Verhältnisse.
Moment, moment, warum sofort der Sprung zu Putin? Medjewjew (wie auch immer er geschrieben wird) war doch zuvor in seiner Position?

Zitat:Hinzu kommt: alleine schon Rußland ist groß. Nicht nur groß, sondern riesig - endlose Weiten. Könnte so ein Land mit einer Demokratie überhaupt noch bestehen bleiben, oder würde es über kurz oder lang zerfallen?
1. USA. Ok, USA hat ja auch keine richtige Demokratie. :<
2. Dennoch sind es nicht viel mehr Menschen als in Deutschland. Hört sich eher nach einer Frage der Organisation an. Und Infrastruktur.
Offiziell gibt sich Russland doch AFAIK auch als Demokratie? Und: Genau dasselbe hätte man vor dem Sturz des Zaren auch sagen können. AJ hmm
Zitat:Folge: viele Sowjetrepubliken sagten sich von Moskau los, was aber durchaus nicht zwangsläufig bedeutet, daß es in diesen jetzt auf einmal Demokratie gäbe: im Gegenteil etablierten sich häufig noch viel schlimmere Autokraten und Diktatoren in diesen nun unabhängigen Staaten, bekanntestes Beispiel ist sicher die ehemalige Weißrussische Sowjetrepublik, heute Belarus (was übersetzt einfach nur "Weißrußland" bedeutet).
Und viele andere schlossen sich der EU an und wurden Demokratien. Shrug
Natürlich mit Asterix, denn viele davon sehen leider zurzeit etwas gefährdet aus.
Zitat: Deshalb kann es gut sein, daß sich solche Riesenreiche gar nicht anders regieren und erhalten lassen als nach dem System Sowjetunion oder jetzt zumindest System Putin. Und bei "Demokratisierungen" sollte eben auch immer vorher (!) gut überlegt werden, ob man der Bevölkerung damit wirklich einen Gefallen tut - oder sie unter dem vorhandenen System nicht vielleicht sogar besser lebt. Ich meine damit: etwas, was historisch gewachsen für uns in Mittel- und Westeuropa recht gut funktioniert, muß woanders noch lange nicht klappen.
Die größere Gefahr, die ich dort sehe, sind gescheiterte Staaten und solche, die wohl nah dran sind und im besseren Fall Demokratiebemühungen nicht gerecht wurden, in schlimmeren Fällen Afghanistan, wo dann statt den Taliban oder dem Staat eben gesetzeslose Mobs wüten, rauben, vergewaltigen und morden, einfach weil sie es können und niemand sie davon abhalten kann.

Zitat:Wegen Nawalny: wieso ist eigentlich "alle Welt" so absolut sicher, daß er auf Putins Geheiß vergiftet wurde?
Kann auch einfach nur einer seiner Speichellecker gewesen sein, der in seinem Machtgefilde steckt.

Zitat:Würde Putin alle negativen Folgen in Kauf nehmen, "nur" um einen Gegner loszuwerden?
Laut TS zweitwichtigster Mann in Russland. JS.

Davon ab, ist es doch Teil des Musters der neuen russischen Außenpolitik: Die Grenzen des Machbaren austesten. Ob im eigenen Land oder fremden, wie reagiert die Welt? Wie sehr trauen sie sich, gegen Russland vorzugehen? Ob Nawalny, der Typ in Russland, der ermodet wurde und ganz zufällig Lastwagen vor Kameras fuhren und die versperrten, der Typ in den UK, der AFAIK auch vergiftet wurde oder der Mord in Berlin, wo der Täter zuvor klar mit dem KGB telefoniert hatte.

Sorry, aber mit diesen Beispielen ist doch deine ganze Argumentation diesbezüglich hinfällig.
Außerdem waren die Ärzte damals in Russland eingeschüchtert und gaben widersprechende Angaben.
Zitat:Daß Nawalny jetzt nach seiner Rückkehr direkt festgenommen wurde, war aber abzusehen. Zwar meiner Meinung nach auch ziemlich plump (eleganter wäre wohl eher eine 24/7-Beschattung gewesen), andererseits aber auch nicht so verwunderlich: Staaten allgemein gehen nun mal so mit Leuten um, die sie in Verruf gebracht haben.

Siehe: https://www.bronies.de/showthread.php?tid=28722&pid=7907166#pid7907166

Übrigens, und ich hoffe, ich gebe das hier so wahrheitsgemäß wieder: Laut den Tagesthemen von vor ein paar Tagen, vermutlich Fr oder Sa, glauben etwa 15% der Russen, dass Putin dahintersteckt. Etwa 50% glauben, es wäre eine Inszenierung des Westens.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Mc Timsy - 25.01.2021, 09:04

@Railway Dash

Um es kurz zu machen: Jedes Volk kann Demokratie. Da ist nämlich keine besondere Qualifizierung eines Volkes für notwendig. Begründungen, warum bestimmte Völker angeblich nicht dazu in der Lage wären, halte ich für eine Mischung aus Propaganda und postkolonialer Bequemlichkeit.

Es gibt überhaupt keinen Grund warum ein großes Territorium besser von einem korrupten Autokraten beherrscht werden sollte, als von einem demokratischen System. Hinzu kommt. Demokratie gibt es in unterschiedlichsten Ausprägungen, je nach Ort, Zeit und Kultur mal mehr oder weniger geeignet, aber die Russen sind keine Kleinkinder, die nur in einem Staat existieren können, in dem sie systematisch belogen und bei zu viel Aufmüpfigkeit weggesperrt werden.

Railway Dash schrieb:Ich sehe es als eine innere Angelegenheit eines anderen Staates, die mich schlicht einfach mal gar nichts angeht, also würde ich mich raushalten.

Sehr bequeme Einstellung, die am Ende die Welt sehr viel unsicherer macht als sie es ohnehin schon ist. Die Verwendung eines international geächteten Kampfstoffes ist nichts was irgendein Staat ignorieren sollte.
Insgesamt: Russland zeigt seit einigen Jahren verstärkt, dass es sich selbst nicht an internationale Regeln und seine eigenen Veträge halten will. Dieser Zustand muss von den anderen Staaten entsprechend beobachtet und beantwortet werden, wenn wir die Sicherheit des russischen Umfeldes nicht ganz aufgeben wollen. Etwas was Russland selber natürlich sehr recht wäre, wenn man seine aberwitzige Idee von seiner eigenen Einflusssphäre, in der die Völker automatisch weniger Souveränität haben, bedenkt.
Zusätzlich, Putin ist nicht blöd, aber er ist ein Mensch, der schon mehrmals im Leben Dinge falsch eingeschätzt hat. Es gibt beispielsweise auch Berichte, dass er nicht davon ausging, dass der Westen überhaupt auf seinen Krieg gegen die Ukraine reagieren würde. Ein fortgesetztes Sanktionsregime war da nicht eingeplant. Ebenso beim Krieg in Georgien, der zwar dank militärischer Überlegenheit den Russen für das Land erfolgreich war, aber das Land im ersten Moment unvorbereitet traf und nur mit erheblichem Ressourcenaufwand so schnell beendet werden konnte.
Das ist das Problem bei einer imperialistischen Politik wie Putin sie betreibt. Er beansprucht eine exklusive Einflusssphäre für Russland, weil er die dortigen Völker nicht als vollwertig ansieht, er kann dabei aber irgendwann auch zu einem Punkt kommen, an dem es kein zurück mehr gibt. Ich war 2014 in Berlin als die Krim annektiert wurde. Ca. drei Tage lang war quasi Alarmstufe orange-rot. Keiner wusste bis wohin die Russen marschieren und was sie versuchen würden. Die satellitentauglich bereitgestellten Mittelstreckenraketen hat man gesehen, es gab viele Anrufe, Lager für den Notfall überprüft und es fiel der Satz: "Wenn Russland nach Kiew marschiert, wird die Nato intervenieren müssen!"

Warum hab' sogar ich das mitgekriegt, auch wenn ich nicht in den Telefonkonferenzen der Kanzlerin dabei war? Ganz einfach weil es so laut gesagt wurde, dass es selbst Moskau hören musste. Putin ging davon aus, dass uns im Westen der Vertrag über den Schutz der Ukraine, den er so bereitwillig gebrochen hatte ebenso egal wäre wie ihm. War falsch gedacht und das Ergebnis ist ein fortgesetzter Konflikt mit tausenden Toten und ein fundamentaler Verlust von Vertrauen, weil man im Westen durchaus wahrgenommen hat, dass Putin Absprachen traf, die fünf Minuten später auf Befehl des Kremls schon wieder gebrochen wurden.


Zitat:Was nützt denn die tollste Meinungsfreiheit, wenn man sich die Miete für die Wohnung nicht mehr leisten kann, nicht genug Geld für Energie da ist und man sich nichts mehr zu essen kaufen kann? Entsprechend wundert es mich nicht, daß Putin im Land zumindest anfangs auf sehr hohe Zustimmungswerte kam, denn er sorgte auf jeden Fall wieder für geordnete Verhältnisse.

Noch zu diesem Punkt. Ja. Das ist der Ruf den Putin hat. Grundlos, wie ich hinzufügen möchte. Die russische Demokratie der neunziger hatte nicht nur mit dem kompletten Zerfall der Sowjet-Wirtschaft zu kämpfen, die das Land aber ohnehin nicht mehr aufrecht erhalten konnte, sondern vor allem mit einem Verfall des Öl und Gaspreises. Die Sowjetunion war von dem Verkauf abhängig, die Russen sind es jetzt noch mehr und Putin kriegt es nicht hin das Land aus dieser Abhängigkeit zu lösen, weil er wirtschaftspolitisch unfähig ist und außer Ressourcenverkauf und Selbstbereicherung schlicht nicht weis, wie das Land genau an sein Geld kommen soll. Er weis aber, wie er verkaufte Energieressourcen als politisches Druckmittel verwenden kann. Ich müsste nochmal nachgucken, ich glaube aber das war sogar das Thema seiner Abschlussarbeit (vielleicht auch Medwedjews, hab' ich jetzt nicht mehr so genau im Kopf).
Öl- und Gaspreise stiegen kurz nach Putins Machtübernahme massiv an und damit konnte dann auch wieder die Wirtschaft angekurbelt werden. Die Preise waren so hoch, dass es sogar möglich war Russland wieder zu finanzieren und eine kleptokratische Elite um Putin herum zu unterhalten, die ihm seine Macht gesichert hat. Es ist kein Zufall, dass Putins Zustimmungswerte im wesentlichen sinken und seine Aggressivität auf der internationalen Bühne immer mehr zugenommen hat, seit mit der Fracking-Technologie die Energiepreise gefallen sind. Das Land ist unter ihm nur immer tiefer in die Ressourcenfalle gelaufen.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Killbeat - 25.01.2021, 10:28

(24.01.2021)Ayu schrieb:  
(23.01.2021)Magic Twilight schrieb:  Meine Meinung: Es wird Zeit, dass Putin geht.
Bei seinem aAlter dankt er wohl eher vorher aus natürlichen Gründen ab, gibt ja in letzter Zeit so einige Gerüchte bezüglich einer schlechten Gesundheit, aber ob da etwas besseres nachkommt ist eher anzuzweifeln, dazu ist der Einfluss der in Russland extrem konservativen Kirche dann doch noch zu stark.

Vielleicht wird er ja so enden wie Stalin. wäre ein passendes ende für ihn


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Meganium - 25.01.2021, 11:22

(24.01.2021)Basinator schrieb:  Wie nahe sie nun der Russland-Regierung stehen, kann ich dir jetzt aber nicht sagen.  Wäre aber in jedem Fall nicht gerade meine erste Wahl als eine Quelle...
Nein, nahe stehen sie der aktuellen Regierung in Russland überhaupt nicht. Dort wird ja schließlich auch kein gutes Haar an Putin ausgelassen.

Was man der IKVI durchaus vorwerfen kann ist die Nähe zu Machthabern der Sowjetunion. Nen Stalin wollen die gerne wieder haben, alle anderen nach Stalin waren ja Weicheier wie dieser Chruschtschow oder Gorbatschow, moderne Vertreter würden sich jedoch einen Stalin ohne autoritäre Komponente, ohne Gulags und ohne Ausschluss von Minderheiten wünschen. Und da Nawalny offenbar gerne mit den Säbeln rasselt, was er aus taktischen Gründen jedoch derzeit unterlässt, wird er verständlicherweise stark kritisiert.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Railway Dash - 25.01.2021, 19:47

(25.01.2021)Basinator schrieb:  
Zitat:Entsprechend wundert es mich nicht, daß Putin im Land zumindest anfangs auf sehr hohe Zustimmungswerte kam, denn er sorgte auf jeden Fall wieder für geordnete Verhältnisse.
Moment, moment, warum sofort der Sprung zu Putin? Medjewjew (wie auch immer er geschrieben wird) war doch zuvor in seiner Position?

Medwedew war nur eine "Episode". Die Reihenfolge war: Jelzin (Ende seiner Präsidentschaft durch Rücktritt) - Putin - Medwedew, weil Putin laut Verfassung nicht zu einer 3. Amtszeit antreten durfte; Medwedew gilt aber als "Marionettenpräsident", der von Putin "ferngesteuert" wurde - erst danach wieder Putin.

Zitat:Offiziell gibt sich Russland doch AFAIK auch als Demokratie? Und: Genau dasselbe hätte man vor dem Sturz des Zaren auch sagen können. AJ hmm

Och, das Label "Demokratie" heften sich viele an. Das ist in dem Fall nur ein Wort, das alleine noch gar nichts heißen muß. Ob ein Staat wirklich eine Demokratie ist, zeigt sich erst an seinem tatsächlichen Verhalten.

Und auch den Zaren sehe ich als Diktatur an. Sicher, formell war das eine Monarchie, aber eine absolute, keine repäsentative, und in ihrem Wesen unterscheidet die sich nicht von einer Diktatur.

Angst vor einem Zerfall hatte man damals offenbar nicht, vielleicht auch, weil es dem Großteil der (weit verstreuten) Bevölkerung eh herzlich egal gewesen sein dürfte, wer genau nun in Moskau das Sagen hatte. Allein durch die schiere Weite und Größe verbreiteten sich Neuigkeiten damals ja auch nicht in dem Tempo wie heute; ich nehme an, die meisten Leute dürften den Wechsel im (fernen) Moskau zur Kenntnis genommen haben und zur Tagesordnung übergegangen sein. Und daß man sich unter der neuen Regierung eben auch nichts erlauben durfte, wurde ja schon sehr bald offenbar, die Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung der Macht waren bei den Bolschewiki bekanntlich äußerst rigide und dürften der der Zarenzeit nicht nachgestanden haben.

Zitat:Die größere Gefahr, die ich dort sehe, sind gescheiterte Staaten und solche, die wohl nah dran sind und im besseren Fall Demokratiebemühungen nicht gerecht wurden, in schlimmeren Fällen Afghanistan, wo dann statt den Taliban oder dem Staat eben gesetzeslose Mobs wüten, rauben, vergewaltigen und morden, einfach weil sie es können und niemand sie davon abhalten kann.

Eben... deshalb wäre ich mit Forderungen nach grenzenloser Demokratie vorsichtig, da kann nämlich auch ganz schnell genau so was wie Afghanistan rauskommen dabei.

(25.01.2021)Mc Timsy schrieb:  Um es kurz zu machen: Jedes Volk kann Demokratie. Da ist nämlich keine besondere Qualifizierung eines Volkes für notwendig. Begründungen, warum bestimmte Völker angeblich nicht dazu in der Lage wären, halte ich für eine Mischung aus Propaganda und postkolonialer Bequemlichkeit.

Bitte: ich sage nicht, daß das russische Volk generell nicht dazu in der Lage wäre. Nur hat es bisher keine Erfahrungen mit Demokratie, deshalb halte ich es für gefährlich, wenn es jetzt heißen würde: so, Putin und seine Entourage sind weg, jetzt macht halt mal. Das würde im Chaos enden, da bin ich mir sicher. Nein, wenn Demokratisierung: dann mit "Anleitung" und "Aufbauhilfe" von außen, um eben ein Abdriften ins Chaos zu verhindern.

Man sehe sich unsere eigene Geschichte an. Die erste Demokratie auf deutschem Boden war sicher die Weimarer Republik. Die erste große Krise, nämlich die Inflationskrise 1919 - 1924, schaffte sie noch; danach war alles wunderbar, solange die wirtschaftlichen Verhältnisse gut waren (die Goldenen 20er). Dann aber die Weltwirtschaftskrise von 1929: das war der Anfang vom Ende der Demokratie. Eben weil man beim Errichten eben jener Demokratie Fehler gemacht hatte, die nun in der Verfassung standen, wie etwa keine 5%-Hürde, Möglichkeit des Parlaments zur Selbstentmachtung usw. - das Ende war dann der 30.01.1933. Hätte es Hilfe und Anleitung von außen gegeben, hätten diese Fehler möglicherweise nicht in der Verfassung gestanden, das politische Chaos 1929 - 1932 wäre ausgeblieben oder weniger heftig ausgefallen, und das Ermächtigungsgesetz hätte es nie gegeben.

Deshalb, eingedenk dieser unserer Geschichte, halte ich ein "so, Putin oder wen auch immer seid ihr los, na dann macht mal, viel Spaß damit" für kreuzgefährlich. Wenn, dann müßte es ein behutsames Heranführen Rußlands an echte Demokratie sein, das aber wäre keine Aufgabe von paar Tagen oder Wochen, sondern da sind wir bei Jahren, ehe eine stabile Demokratie entstehen könnte. Eben weil bisher jede persönliche Erfahrung dort damit fehlt.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Basinator - 26.01.2021, 01:11

@Mr. T. hast du das im Zuge deines Berufes mitbekommen, und wenn ja, als was arbeitest du?

Zitat:ohne Gulags
Hinweis: Wer Kulakke war und wer nicht, hat meist eher einfach die Regierung willkürlich entschieden, so war beispielsweise auch oft ein Kleinbauer mit einer eigene Kuh bereits ein Kulakke.

Zitat: Medwedew war nur eine "Episode". Die Reihenfolge war: Jelzin (Ende seiner Präsidentschaft durch Rücktritt) - Putin - Medwedew, weil Putin laut Verfassung nicht zu einer 3. Amtszeit antreten durfte; Medwedew gilt aber als "Marionettenpräsident", der von Putin "ferngesteuert" wurde - erst danach wieder Putin.
Mir war bekannt, dass Medwedew nicht die Lorbeeren einheimste und möglicherweise auch, dass Putin der wahre Akteur war, mir hatte aber das Puzzleteil davor gefehlt , um das zu verstehen, danke dafür.

Zitat:Angst vor einem Zerfall hatte man damals offenbar nicht, vielleicht auch, weil es dem Großteil der (weit verstreuten) Bevölkerung eh herzlich egal gewesen sein dürfte, wer genau nun in Moskau das Sagen hatte. Allein durch die schiere Weite und Größe verbreiteten sich Neuigkeiten damals ja auch nicht in dem Tempo wie heute;
Moment, bin ich falsch informiert, wenn ich in Erinnerung habe, dass der Zarensturz mit Rückhalt der Bevölkerung geschah und diese auch teilweise aktiv daran teilnahm?
Zitat:Nein, wenn Demokratisierung: dann mit "Anleitung" und "Aufbauhilfe" von außen, um eben ein Abdriften ins Chaos zu verhindern.
...so wie in Afghanistan? Rarity shocked

Zitat:Eben weil man beim Errichten eben jener Demokratie Fehler gemacht hatte, die nun in der Verfassung standen, wie etwa keine 5%-Hürde, Möglichkeit des Parlaments zur Selbstentmachtung usw.
Das ist natürlich schon vereinfacht. Bin mir auch nicht wirklich sicher, was die 5% damit zu tun haben. Shrug

Und was man auch nicht vergessen darf: Neben CTs - sollte uns stets als eine Warnung in Erinnerung bleiben, in aller Zukunft, wie gefährlich diese sind und was sie anrichten können - auch durchaus Einmischung von außen. z. B. die Rhein-Besetzung durch Franzosen. Prinzipiell stärken ausländische Feinde nationalistische Kräfte, denn es gibt ja plötzlich eine Bedrohung.
Oder natürlich auch insgesamt die starken repressiven Maßnahmen des Versailler Vertrages; auch wirtschaftlich. Und sicherlich auch als Signal: Die da wollen ja gar nicht uns helfen und mit uns zusammenarbeiten!

Zitat:hätten diese Fehler möglicherweise nicht in der Verfassung gestanden, das politische Chaos 1929 - 1932 wäre ausgeblieben oder weniger heftig ausgefallen, und das Ermächtigungsgesetz hätte es nie gegeben.
Jein.
Einerseits hat man tatsächlich ja auch damals geglaubt, man könnte einen Adolf fesseln mit Maßnahmen und Regeln.
Aber uns zeigt doch auch das Beispiel USA, Türkei, in engeren Maßstäben Polen: Einen wirklichen, absoluten Schutz gibt es nicht. Ja, Trump wurde gebändigt, die Demokratie hat funktioniert - noch.
Doch wenn man bedenkt: Trump war nur 4 Jahre an der Macht, hat unglaublichen Schaden angerichtet.
Was nützen Restriktionen von Abteilungen, wenn der Präsident diese benennen und bemannen kann durch Loyalisten, und seine Feinde einfach feuern kann? Was nützt der 25th, wenn der VP ein Loyalist ist? Was Impeachments, wenn im Senat 2/3 dafür stimmen müssen? Wenn auch Republikaner selbst aus Angst in Geiselhaft genommen werden, und sich nicht trauen, gegen einen Faschisten sich zu wehren?

Das Alles zeigt doch: Demokratie ist verdammt zerbrechlich. Sie zu schützen ist ein andauernder Kampf, und nicht nur einer mit ein paar Floskeln der Verfassung. Und bleibt nie eine Selbstverständlichkeit. Wenn ein Schlupfloch zu ist, dann werden vier andere gefunden.
Ein Grund warum Trump letztendlich nicht Erfolg hatte: Die Integrität von Richtern, die sich nicht zu seinen Schachfiguren machen ließen. Es hätte aber auch einfach anders kommen und einen neuen Twitler geben können.

Und vielleicht gäbe es auch den zweiten Ansturm, hätte man ihm nicht seine Sprachrohre gesperrt.

Ich denke...ein wichtiger Teil von Demokratie sind Strukturen, und auch Korruptionsbekämpfung.


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Railway Dash - 26.01.2021, 01:42

Ich gehe mal nur auf die "russischen Themen" ein:

(26.01.2021)Basinator schrieb:  
Zitat:ohne Gulags
Hinweis: Wer Kulakke war und wer nicht, hat meist eher einfach die Regierung willkürlich entschieden, so war beispielsweise auch oft ein Kleinbauer mit einer eigene Kuh bereits ein Kulakke.

Bitte nicht Gulag und Kulak verwechseln, das eine hat mit dem anderen absolut nichts zu tun Derpy confused

Zitat:Moment, bin ich falsch informiert, wenn ich in Erinnerung habe, dass der Zarensturz mit Rückhalt der Bevölkerung geschah und diese auch teilweise aktiv daran teilnahm?

Die der beiden Großstädte Moskau und St. Petersburg, ja. Die der kleinen über das Land verstreuten Städte und Gemeinden wird es hingegen... weniger interessiert haben, vermute ich mal. Die waren mit ihrem eigenen (wirtschaftlichen) Überleben genug beschäftigt.

Zitat:
Zitat:Nein, wenn Demokratisierung: dann mit "Anleitung" und "Aufbauhilfe" von außen, um eben ein Abdriften ins Chaos zu verhindern.
...so wie in Afghanistan? Rarity shocked

Yep, Afghanistan ist ein schönes Beispiel, wo die Einmischung von außen eben wesentlich mehr Schaden als Nutzen angerichtet hat. "Da habt ihr Demokratie", ja "wunderbar", hat nicht funktioniert. Da fehlten eben offenbar Anleitung und Aufbauhilfe, oder sie waren nicht auf die lokalen historisch gewachsenen Gegebenheiten zugeschnitten.

Zitat:
Zitat:Eben weil man beim Errichten eben jener Demokratie Fehler gemacht hatte, die nun in der Verfassung standen, wie etwa keine 5%-Hürde, Möglichkeit des Parlaments zur Selbstentmachtung usw.
Das ist natürlich schon vereinfacht. Bin mir auch nicht wirklich sicher, was die 5% damit zu tun haben. Shrug

5%-Hürde für Parteien im Parlament. Gab es in der Weimarer Republik nicht, entsprechend waren die letzten Reichstage ein wüstes Durcheinander aus untereinander zerstrittenen Klein- und Kleinstparteien, die jeweiligen Reichskanzler hatten praktisch keine Chance mehr, funktionierende Regierungskoalitionen zusammenzustellen.

Zur Rheinland-Besetzung und dem Versailler Vertrag hab ich auf jeden Fall auch eine sehr eigene Meinung Octavia angry , aber die gehört schlicht thematisch nicht in diesen Thread Shrug


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Basinator - 26.01.2021, 01:48

Zitat:Bitte nicht Gulag und Kulak verwechseln, das eine hat mit dem anderen absolut nichts zu tun Derpy confused
Mein Fehler, ich dachte, es wäre eine andere Transskription oder englisch. Shrug


RE: Aufstände in Russland 2021 - Nawalny - Malte279 - 26.01.2021, 06:27

(26.01.2021)Railway Dash schrieb:  5%-Hürde für Parteien im Parlament. Gab es in der Weimarer Republik nicht, entsprechend waren die letzten Reichstage ein wüstes Durcheinander aus untereinander zerstrittenen Klein- und Kleinstparteien, die jeweiligen Reichskanzler hatten praktisch keine Chance mehr, funktionierende Regierungskoalitionen zusammenzustellen.

Die Diskussion finde ich wirklich spannend.
Zu den 5% muss ich allerdings eine kleine historische Anmerkung machen. Es ist eine weit verbreitete Vorstellung, dass das Fehlen einer 5% Hürde einen bedeutenden Anteil an dem Aufstieg der Nazis und dem Untergang der Weimarer Republik gehabt hätte. Allerdings hält diese These einer näheren Überprüfung nicht wirklich stand.
Bei der letzten Reichstagswahl vor der Machtergreifung 1932 machten alle Parteien die an der heutigen 5% Hürde gescheitert wären zusammengenommen nur 5,1% der Stimmen aus / 22 von 608 Mandaten aus und selbst wenn die allesamt stattdessen kollektiv an die SPD (diejenige größere Partei die zu der Zeit am ehesten zur Weimarer Republik stand) gegangen wären hätte das rechnerisch nicht den entscheidenden Unterschied gemacht (Die NSDAP hatte 37,3% der Stimmen, die SPD 21,6%, das Zentrum und die Bayerische Volkspartei (quasi CSU) zusammen 15,7% und die ebenfalls nicht demokratische KPD 14,3% der Stimmen bekommen).
Die einzige Wahl bei der die NSDAP antrat und nicht die 5% erreichte war die Wahl im Dezember 1924. Zwar gibt es nicht denen einen, alleinigen, alles entscheidenden Grund für das Scheitern der Weimarer Republik, aber die zunehmende Unfähigkeit der größeren demokratischen Parteien (Zentrum, SPD, DDP...) Kompromisse miteinander einzugehen hat da wohl sehr viel eher eine Rolle gespielt (für die Abwanderung von Wählern in demokratiefeindliche Parteien) als die vielbehauptete aber tatsächlich nicht wirklich stattgefundene Zersplitterung in zu viele relevante Kleinparteien von weniger als 5%.