Wer guckt eigentlich DVD-Extras?!
Die oftmals enthaltenen Specials auf physikalischen DVD und Bluray-Discs von Anime, Cartoons, Serien und natürlich vor allem Filmen sind gerade heutzutage in Zeiten stetig-steigender digitaler Angebote immer noch ein Argument für den Griff zur Retail-Fassung, da man sich Videos wie Behind the scenes oder Making of's von Filmen sonst, wenn überhaupt, mühevoll online zusammen sucht.
Beim Arrangieren dieser Specials oder auch Extras kann man allerdings eine ganze Menge falsch machen, damals wie heute, und es gibt so ein paar wiederkehrende Schnitzer oder Eigenheiten, die mich an DVD-Extras fortwährend aufregen. Nicht auf dem selben Niveau wie die Omi an der Kasse die erst nach der Aufforderung zur Zahlung ihre Miniaturbörse öffnet, ihre schmierige Brille rausholt und das überschüssige Kupfergeld wie Aschenbrödel handverliest, aber immer noch genug um jedes Mal wieder die Augen zu verdrehen. Werfen wir an dieser Stelle einen geflissentlichen Blick auf die DVD-Extras verschiedener Medien, welche Eigenschaften mich an welchen stören, wer es hervorragend macht und wovon es einfach zu wenig gibt.
Wer guckt eigentlich DVD-Extras?
Die Zielgruppe von Film/Serien-Specials auf DVDs und Blurays ist schon in sich eine Nische. Das Ansehen von produktions-relevanten Inhalten wie die Entstehung eines Filmes oder Interviews mit den Verantlortlichen verschiedener, essentieller Bereiche fällt in der Regel dem Filmnerd, Enthusiasten oder Franchise-Vollblutfan zu, der daran genau so interessiert ist wie am eigentlichen Produkt. Für Andere wiederum sind Extras nur eine nette Dreingabe. Der Großteil der Käufer aber dürfte, das ist meine Schätzung, den Bonusinhalten auf Datenträgern keine Beachtung schenken. Die wollen den Film und gut ist. Das sind auch die Leute, die im Kino einfach unterhalten werden und eine gute Zeit haben wollen. Und das ist ja vollkommen in Ordnung.
Film-Enthusiast und Nerd würde ich mir schon attestieren, allerdings eher auf legerem Level, wie es in allen Bereichen meines Lebens vorherrscht. Gerade genug, um keine Diszipliniertheit zu fordern. Ich sehe mir grundsätzlich alle Extras einer DVD/Bluray erst mal an, da ich sonst auch immer das klaffende Gefühl verspüre, etwas zu 'verpassen'. Ich will 'alles' mitnehmen, wofür ich bezahlt habe. Da mittlerweile aber auch einfach viele Produktionen ihre Datenträger sinnlos vollknallen, wie ich weiter unten vertiefe, und ich Sklave grenzenloser popkultureller Medien bin habe ich schlichtweg nicht mehr die Zeit (Oder Lust) wirklich jeden Extra-inhalt einer Disk zu sehen. Also wird hier mal selektiert, was uninteressant ist, und da mal auf 1,5 speed gestellt. Woran aber macht sich fest, welche Inhalte gut sind und welche nicht?
Filme, Serien, Anime und Cartoons -
Die Unterschiede
Verschiedene Medien bringen auf ihren physikalischen Releases verschiedene Extras mit sich, das zeigt die Erfahrung. Diese Unterschiede begründen sich teils in der Natur des Mediums, teils durch die angenommene Erwartungshaltung der Zielgruppe, teils durch die Mittel der Produktion. Es ist schwer, da ein schlechter oder besser anzuführen, leichter jedoch, die Unterschiede klar zu erkennen.
Cartoon-Extras
Ich will mal ehrlich sein (Wie ich es immer bin!) - ich besitze nicht übermäßig viele Cartoon-Datenträger. Hauptsächlich die AvatarKorra-Blurays, My little Pony-DVDs und den Spongebob-Film. Zumindest bisher. Aber man bekommt ja so Einiges mit und die Extras auf Cartoon-DVDs fallen so weit ich es attestieren kann oftmals eher mager aus. Trotz dessen, dass der Cartoon wie auch der Anime ein von Synchronsprechern abhängiges Medium ist, sind Synchron-Clips und Interviews als Extras hier deutlich weniger vertreten als im japanischen Medium. Es gibt für erwachsenere Franchises wie Avatar auch mal vereinzelte Behind-the-Scenes und Interview-Clips, aber der Großteil, an eine jüngere Zielgruppe gerichtete CartoonDVD-Markt, hat entweder keine oder wenige Extras, weil wohl ein Nichtinteresse der Kinder geahnt wird.
Ich weiß nicht, ob es das heute noch gibt, aber damals um die 2000er rum waren DVD-'Minispiele' noch ein Ding. Da konnte man also mittels der simplen Menüsteuerung kleine, beschämend infantil-programmierte Spielchen spielen, die einem Nintendo-verwöhnten Kind auch damals nicht mal ein herablassendes Lächeln abringen konnten. Meine Ice Age-DVD kommt mir da spontan in den Sinn. Aber hey, immerhin hat man sich die Mühe gemacht.
Anime-Extras
Ich rede hier grundsätzlich über den deutschen Anime-Markt, denn mit dem bin ich selbstverständlich sehr vertraut. Anders als bei Filmen, Cartoons und Serien dürfte es länderspezifisch signifikante Schwankungen bei den Extras der Releases geben, je nachdem, was ein Publisher lizenziert hat. Von diesem Standpunkt aus muss ich sagen, dass Anime vielleicht noch vor Cartoons das Medium mit den wenigsten Extras sind. Es ist selten genug, dass auf DVDs und Blurays überhaupt welche vorhanden sind. Bis in die späten 2010er Jahre beschränkten sich die in der frech als Extras-Kategorie beschriebenen Inhalte auf das Opening und Ending-Lied der Folgen und Trailer.
Mittlerweile ist man da bei Fanservice-Publishern wie Animoon mit charmanten, deutschen Synchronsprecher-Clips etwas weiter. Alle Jubelveröffentlichung bekamen wir damals wie heute auch mal ein tatsächliches, japanisches Making of direkt aus dem Animationsstudio der jeweiligen Serie, mit Einblicke in die Synchronstudios, die kein Vergleich zu unserem halbgaren Synchronmarkt sind, oder Recherche-Reisen, die Teams hinter den Anime für ihre Serien unternehmen.
Das ist leider immer noch die Ausnahme, was sicherlich mit schwierigerer Lizenzierung zusammenhängt, aber Einblicke in die Produktionen hinter Anime sind meistens gut gewählt und interessant.
Was mir sowohl bei Anime, Cartoons als auch Filmen und Serien erheblich fehlt sind mehr Einblicke in die Synchronarbeit. Für mich ist das oftmals der interessanteste Part gerade gezeichneter Medien, über den ich mir gerne noch viel mehr anhören und ansehen würde, statt zwanzig Minuten Schauspieler und Verantwortliche darüber reden zu hören, wie das die 'most amazing experience' aller Zeiten war und alle sich wie eine 'Familie' angefühlt haben.
Was sich bei Anime-Extras hingegen oftmals als störender Zeitfresser erweist sind Aufnahmen von Live-Premieren bestimmter Anime samt der Synchron-Crew und Q&A. In diesen Premieren werden wirklich jedes Mal die selben, eintönigen Japanohöflichkeits-Phrasen abgefgeuert, die keine Konsistenz haben und nichts aussagen, dafür aber 40 Minuten gehen. Ugh.
Serien-Extras
Auch darin bin ich nicht bewandert, da Realserien nicht mein Brot sind, aber wenn ich beispielhaft von den Game of Thrones-Blurays ausgehe zeigt sich, dass es natürlich viele Überschneidungen zu Filmen gibt. Hinzu kommt, dass Serien-Blurays vermutlich oftmals ein vielfaches der Special-Angebote ihrer Kino-Kollegen in sich vereinen, da sie mit z.b. 10 Folgen pro Staffel auch viel mehr Inhalt bieten als ein Film. Meine Big Bang Theory-DVDs (Packt die Fackeln ein, nur die ersten 4 Staffeln und ich war jung...) nähern sich ebenfalls dem Extrabild von Filmen an. Ich hatte hier nie sonderlichen Grund zur Klage, abgesehen vielleicht von den symptomatischen Extrakrankheiten fast aller westlicher Specials. Dazu unten.
Film-Extras
Aha, der Kern. Filme bieten sich für eine Sonderbehandlung natürlich alleine schon dadurch an, weil sich 15 - 20 € besser rechtfertigen lassen, wenn man die Laufzeit von 90 - 180 Minuten mit Extras streckt. Viele Sonderinhalte auf dem Backcover der Bluray machen einen guten Eindruck.
Im Gegensatz zu Anime und Cartoons stehen beim Filmen natürlich ganz klar Making-of's und Interviews im Fokus. Konzeptzeichnungen, Vorlagen, Arbeitsweisen, oft können wirt uns so all das erschließen. Das übt auf mich einen bersonderen Reiz aus, wenn es um Horrorfilme oder sehr düstere Geschichten geht - auch wenn man weiß, dass alles nur ein Film ist, tut es doch gerade Angsthasen gut, so zu sehen, wie die Schauspieler zusammen lachen und vor dem Spiegel zum Monster geschminkt werden. Sowas ist ein echter Mehrwert.
Deleted Scenes sind die Mutter aller Extras und gehören auf wirklich jeden Datenträger, das wird von mir auch immer zuerst angesehen.
Bei tieferen Filmen wie I am Legend, Mother oder Purge findet man zudem dann auch tiefergehende Diskussionen und Einblicke in den Extras, die einen Podcast auf Youtube ersetzen können. Auch Audiokommentare von Regisseur+X Schauspieler sind häufig und dann sinnvoll, wenn ein Film so gut ist, dass man ihn wirklich oft sieht. Das sind coole Sachen. Die Anzahl und Häufigkeit von Filmextras variiert stark aufgrund der schieren Größe des Film-Marktes, es gibt sogar immer noch Film-Blurays ganz ohne Extras, auch wenn das wirklich überaus selten geworden ist. Es scheint einfach zum guten Ton zu gehören.
Während manche diese unausgesprochene Netikette aber ignorieren, und damit niemandem wirklich weh tun, übertreibt es so mancher auch maßlos mit seiner Gutmütigkeit, und auch das kann zum Problem werden.
DVD-Extras und ihre Probleme
Ich fange mit was ganz Infantilem an, das mich allerdings seit ich ein kleines Kind bin derartig aufregt, dass ich ein Buch darüber schreiben könnte: Extra-Intros.
Intros, Zusammenschnitte und Vorspanne sind für längere oder erzählende Medien gedacht, da sie in einer Serie eine Konstante bieten, die Stimmung verbildlichen oder uns erinnern, wo wir hier sind und was wir bekommen. Wofür Intros NICHT benutzt werden sollten, sind verdammte Making-of-Clips auf einer DVD. Und das wirklich Ärgerliche ist, dass einfach 80 % amerikanischer Produktionen diesen Schritt dennoch für nötig halten, damit die dummen Zuschauer auch wissen, was sie im Menü gerade nochmal angeklickt haben.
Auch ist es für mich ein unnötiges Unding, seinen Extra-Clips 'Coole Namen' zu geben und so vorzutäuschen, das wäre hier alles unheimlich komplex und greife ineinander, statt die Clips einfach als das zu bezeichnen was sie sind.
Beispiel: Ein Extraclip geht fünf Minuten, wird aber mit einem mit Musik unterlegtem Zusammenschnitt kurzer Szenen eingeleitet, der fast dreißig Sekunden geht, Szenen des Clips vorweg nimmt und mit dem Schriftzug
"BEHIND THE LEGEND" endet. Dann wird der Bildschirm schwarz, der Ton wird leiser und es geht endlich los. WARUM BRAUCHEN EURE KONSERVATIVEN PRODUKTIONSEXTRAS COOLE ANIME-INTROS?? WARUM MUSS ICH DIESEN UNNÖTIGEN DELAY IMMER WIEDER ERTRAGEN?
Es gibt noch eine oben angedeutete Problematik, die mir dann und wann Stirnfgalten bereitet. Zu viele Extras. Es erscheint wie ein groteskes Problem, sich über zu viel zu beschweren, doch wie oben geschildert hat man unweigerlich das Gefühl, man würde etwas verpassen, wenn man sich nicht alles auf die Netzhaut legt. Sobald ein Grundinteresse an DVD-Extras da ist, kämpft man sich durch. Einige Produktionen meinen es aber nun manchmal zu gut und ballern das Extras-Menü mit drei oder vier Seiten(!!) dutzender Extra-Clips zu, die teilweise Stunden gehen, und jeden kleinen Furz und Pappaufsteller der Produktion verbildlichen -> GCI, Kulisse, Drehbuch, Drehort, Komparsen, Deleted Scenes, Gagrail, Historische Bezüge zum Film, Quellmaterial, Inspirationen, Requisiten, Wetterverhältnisse, Catering, Synchronisierung, Audiokommentar, Audiokommentar mit anderer Besetzung, Extended Filmcut, Schauspieler, Schauspieler-Casting, Schauspieler-Chemie, Schauspieler-Meinungen, Schauspieler-Bauchpinseln, ...
Und all das erschlägt einen dann, obwohl man vielleicht gar nicht an all diesen Mikrobestandteilen einer Produktion interessiert ist. Klar, dann muss man selbstverantwortlich picken. Das tue ich auch mittlerweile. Aber diese Welle an seelenloser Extras ist unnötig und lässt oftmals immer noch Inhalte vermissen, die wirklich interessant wären - mehr Einblicke in Synchronarbeiten, mehr schiefgegangene Szenen, sowas eben.
Vergessen wir bei alldem nicht den Underdog der Discextras. Genau -
Videospiel Extras
Ja, es gibt sie - die Extras im Videospiel-Segment. Es ist ein sich langsam entwickelnder Nischenzweig, der auch 2020 nur wenige Prozente des Gesamntangebotes ausmacht. Prominente Vorreiter und Fackelträger von Videospiel-Specials sind etwa Quantic Dream, Until Dawn, Deus Ex oder Tomb Raider. Wir merken schnell, dass diese Namen unübersehbare, filmische Züge an sich tragen, und somit auch ihre Extras bekommen. Spiele wie RPGs, Fighting Games, Shooter oder Horror werden fast nie mit Extras abgesehen von Concept Art und Musik ausgestattet, dabei wären Making of's in diesem Medium doch so interessant -
Den Entwicklern und vor allem Synchronsprechern über die Schulter schauen, sie über das Spiel referieren hören, Inhalte sehen die man sich sonst auf Hackerkanälen über Youtube geben muss. Es ist und bleibt eine Nische, aber warum, frage ich mich? Die zielgruppe bleibt vornehmlich erwachsen, doch der Bedarf an Extras wird nicht gedeckt.
Eine mögliche Erklärung ist, dass dieser Bedarf nicht existiert und man Extras nicht als Verkaufsargument braucht. Film-DVDs und Blurays müssen sich mit dem Kino messen und kosten fast immer mehr als dieses, sie müssen Gründe liefern, begehrenswert zu sein. Videospiele stehen für sich, sind konkurrenzlos auf die Heimkonsole/ den PC zugeschnitten und werden gekauft weil man sie spielen will. Keiner macht das abhängig davon, ob es Extras gibt.
Auch wenn das, um fair zu sein, bei Filmen vermutlich im Kern ähnlich ist.
Nichtsdestotrotz kann ich jedem die Making Of's der Quantic Dream-Spiele empfehlen, die waren genau so interessant wie die Endprodukte selbst und ich würde mir davon mehr wünschen.
Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Möge es lesen und dazu denken, wer auch immer es möge.
Was sind eure Erfahrungen mit Extras auf Retail-Datenträgern? Sicherlich habe ich viel vergessen.
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