Merlight schrieb:Du hast dich nicht Ansatzweise informiert, weswegen der Herr verknackt wurde, oder?
Mir ist nicht bekannt, dass wegen dem von dir beschriebenem Fall irgendeine gerichtliche Strafe verhängt wurde. Nur bei den Sachen die mir bekannt sind. Es ist aber natürlich möglich, dass ich das einfach nicht mitbekommen habe, da ich mich tatsächlich nur sehr wenig in den Zirkeln rechter Opfermythen bewege. Falls eine entsprechende Strafe also vorliegt, dann bitte ich dich einfach mich zu den Informationen über das entsprechende Gerichtsurteil zu verweisen. Einfach erzählen jemand sei "verknackt" worden ist dabei wertlos, weil es meiner Erfahrung nach meistens dazu kommt, dass diese Geschichten im Internet so grob verzerrt werden, dass nicht nur Konfliktursachen, sondern auch die angeblichen Folgen einer falschen Wiedergabe unterliegen.
Zitat:Und doch, auch "Plumpe Hetze" sollte Meinungsfreiheitlich gedeckt sein.
Nicht weil ich "plumpe Hetze" toll finde, sondern weil, wenn mal der Falsche am Richtertisch sitzt, schon einfache Fakten als "Hetze" deklariert werden können.
Das ist schlicht nicht korrekt. Wegen einer wahren Aussage kannst du grundsätzlich niemals bestraft werden. Falls ein Richter sowas versucht. Geh in Revision, du bekommst garantiert Recht.
Natürlich, wenn du die "Wahrheit" nur in einer Form äußern kannst, die die Würde des Menschen verletzt, dann bist du schlicht unfähig dich an einem öffentlichen Diskurs zu beteiligen, bis du dieses persönliche Problem gelöst hast. Ärgerlich, aber wenn eine derartige Problematik besteht, dann kann man wahrscheinlich auch auf mangelnde Zurechnungsfähigkeit plädieren.
Für einen normal funktionsfähigen Menschen stellt es aber keinerlei Problem dar auch schmerzhafte Wahrheiten zu äußern, ohne jemals auch nur ansatzweise Gefahr zu laufen von irgendeinem Gericht hierzulande dafür abgestraft zu werden. Dem entsprechend gering ist mein Mitleid mit denen, die trotzdem meinen den Diskurs auf derart geringes Niveau bringen zu müssen. Aber ich verstehe, dass dieser künstlich erzeugte Opfernarrativ für die entsprechenden Szenen ein wesentlicher Identifikationspunkt ist. Also was will man machen?
Terran_Wrath schrieb:Aber persönlich finde ich den Mangel an Namen weniger bedenklich als die Tatsache, dass es bereits tabu ist einen Fakt über religiöse Figuren zu äußern.
Ich bin mal gespannt, wie häufig ich alleine in diesem Forum in Zukunft erklären muss, warum das Medienecho zu diesem Urteil großflächig daneben war. Das ist das zweite Mal, aber ich denke, dies wird noch lange dabei bleiben. Um es kurz zu machen: Das Urteil des EGMR bedeutet nicht, dass keine religiöse Figur beleidigt werden darf. Das ist nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit gewesen, weil die Rechten dieser Tage so ein Aufhebens darum machen.
Also, die Vorgeschichte sollten die meisten halbwegs aufgeschnappt haben. Eine Frau hält Seminare zum Islam und bezeichnet dabei den Propheten als pädophil. Sie wird angezeigt und von einem Wiener Gericht nach
österreichischem Recht zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie beschwert sich, scheitert und ruft den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, sie wäre von den Behörden in Österreich in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt worden.
Beachtet bitte, dass die Klage vor dem Gerichtshof bereits nicht mehr beinhaltet, dass Mohammed beleidigt wurde. Das ist eine Frage über die rechtliche Situation in Österreich. Zwischen dem Staat und einer Bürgerin. Oder wie es im
}]Urteil so schön heißt: "CASE OF E.S. v Austria"
Geprüft wird
nicht, ob Mohammed als pädophil bezeichnet werden darf. Geprüft wird, ob ein Gericht in Österreich ein entsprechendes Urteil verkünden kann. Russia Today verbreitet die Nachricht also, wieder einmal, unter einem missverständlichen Titel. Aber in dem Fall, zur Verteidigung dieser propagandistischen Beleidigung des Journalismus, dies ist vielen respektableren Zeitungen so ergangen.
Nun, Österreich hat Gesetze, welche die Meinungsfreiheit einschränken. In diesem Fall geht es um
§188 StGB. Das Gericht in Wien urteilte, dass die Beklagte gegen dieses Gesetz verstoßen hat, hat dabei aber übrigens nicht einmal ansatzweise das volle Strafmaß ausgeschöpft. Der EGMR musste nun entscheiden, ob das Gesetz ein Verstoß gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellte. Nochmal: Nix mit Mohammed, die Frage spielt hier garnicht rein.
Im ersten Moment wirkt es auch, als hätte die jetzt Klägerin ein ganz gutes Argument, da Artikel 10 mit folgendem Wortlaut beginnt:
"1. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.[...]"
Den Presse-, Hörfunkteil lasse ich weg, der ist für uns nicht wichtig.
Nun, soweit eindeutig oder? Nagut, aber Quotemining ist allgemein keine gute Gesprächsgrundlage, insbesondere nicht bei Gesetzestexten. Also schauen wir weiter und sehen, dass auf Absatz 1 tatsächlich ein Absatz 2 folgt.
"2. Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung."
Das ist eine ziemlich lange Liste an potentiellen Einschränkungen. Wir müssen uns also jetzt fragen, ob das österreichische Gesetz mindestens von einem der genannten Punkte glaubhaft behaupten kann, dass es ihn adressiert.
Die Antwort ist: "Ja!"
Was also bedeutet dieses Urteil? Nicht was durch das Internet geistert, dass der Prophet nach EGMR nicht mehr als pädophil bezeichnet werden darf. Das Urteil bedeutet, dass, zumindest auf der Basis der Europäischen Konvention für Menschenrechte, Österreich die Fähigkeit hat die freie Rede seiner Bürger einzuschränken und in diesem Fall mit Strafen zu bewehren. Da der Gesetzgeber in Österreich besser einschätzen kann, ob von solchen Aussagen eine Bedrohung für, beispielsweise, den öffentlichen Frieden ausgeht und das örtliche Gericht die Rechte fachlich sauber miteinander abgewogen hat, liegt kein Verstoß gegen Artikel 10 vor.
Das heißt nicht, dass man das Urteil gut finden muss. Oder die Art wie Artikel 10 geschrieben ist, oder sonst irgendwas. Es besagt nur, dass Österreich das Recht hat ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden und das Gericht die Kompetenz hat eine solche Entscheidung dann auch zu treffen, ohne damit den Verpflichtungen gegenüber der Konvention zuwider zu laufen. Potentielle Lösungsansätze für diejenigen die sich daran stören:
1. Ändert das österreichische Gesetz!
2. Macht solche Aussagen nur im Geltungsbereich von Gerichten, die solche Aussagen zulassen. Letztlich besagt das Gesetz in Österreich nur, dass Strafen festgelegt werden können. Ob ein Gericht sowas macht ist zu großen Teilen deren Sache.
3. Sucht euch ein Land aus, welches keine Einschränkung der Meinungsfreiheit bei religiösen Figuren in seinem Strafrecht beinhaltet. (Ja, in Österreich könnten hypothetisch Leute deshalb ins Gefägnis wandern und in, keine Ahnung, Estland, wäre die gleiche Aussage völlig ok, ohne Probleme mit dem EGMR. Hier sind die Staaten verantwortlich.)
4. Werbt dafür Absatz 2 aus der Konvention zu streichen.
Wer also etwas sagen will, was vielleicht als Beleidigung aufgefasst werden kann, sieht sich das entsprechende Strafgesetz des Landes an. Falls dort nichts drin steht, was eine Einschränkung darstellen würde, dann könnt ihr den Propheten von morgens bis abends beleidigen wie ihr lustig seid. Gut, zumindest in Deutschland und Österreich ist das nicht der Fall, aber beide Staaten könnten das im Zweifel jederzeit ändern. Es besteht nach Menschenrechtskonvention ja nur die Möglichkeit die Redefreiheit dahingehend einzuschränken, kein Zwang.
Vor allem aber, wehrte Leser, falls euch nochmal jemand über den Weg läuft und meint, der Prophet dürfe nicht beleidigt werden, der EGMR habe dies so entschieden. Nun, jetzt wisst ihr, dass die Person falsch informiert ist.
Oh und verschwendet eure Zeit nicht mit RT. Oder Bild. Meinungsmache auf derart unterirdischem journalistischem Niveau verdient eure Aufmerksamkeit nicht.
Den Wind können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen.
- Lucius Annaeus Seneca -