Das Trading-Card-System hätte ja ganz lustig sein können, aber in der derzeitigen Version ist es das überhaupt nicht. Wo genau soll da Spass aufkommen? Ich vergleiche einfach einmal die Half-Life 2 Karten mit realen Kartenspielen wie Magic:
Qualität der Karten:
Real: Karten sind unterschiedlich häufig und daher unterschiedlich wertvoll. Es ist leicht, eine bestimmte Kombination an Karten zu 80% zu vervollständigen, aber die letzten 20% sind entweder eine Frage des Glücks (Päckchen kaufen) oder Tauschhandelns/Kaufens.
Steam: Karten des selben Spiels haben identische Dropchance, sind daher alle gleich wertvoll/wertlos. Es gibt zwar seltene Karten ("foils"), diese droppen allerdings nur für Spieler mit Mindeststeamlevel 20. Lustigerweise bin ich mit über 200 Spielen und 9 Jahren "Dienstzeit" bei Steam gerademal Level 7. Wie man zu Level 20 kommt? Keine Ahnung, die mir angezeigten "Achievements" die XP bringen sollen, würden nach kollektiver Erfüllung mich trotzdem nur auf Level 9 bringen.
Fazit: Im Gegensatz zu realen Kartenspielen (mit ihren Kartenpäckchen) habe ich nichtmal eine theoretische Chance, seltene Karten bei Steam zu bekommen. Das motiviert mich überhaupt nicht, auch nur daran zu denken, diese Karten sammeln zu wollen.
Nachschub an Karten:
Real: Es werden laufend neue Kopien der bestehenden Karten, sowie auch regelmäßig neue Karten verbreitet. An neue, zufällige Karten kommt man üblicherweise sehr billig (Kartenpäckchen). Dabei gibt es auch immer ein bisschen Nervenkitzel, ob man vielleicht eine wertvollere oder neue Karte dabei hat.
Steam: Karten droppen einmalig im Spiel. Innerhalb einer Stunde hat man seine 4 zufälligen Karten für HL2. Null Nervenkitzel denn ich weiß, dass ich weder den kompletten Satz von 8 Karten vervollständigen kann und dass ich keine der seltenen "Foil"-Karten bekommen kann, weil nicht Level 20. Weder der Akt des Erspielens der Karten, noch deren Drop erzeugt Freude (im Gegensatz zu z.B. Drops in TF2, wo man immer eine geringe Chance auf etwas richtig gutes hat).
Fazit: Nichts am Erspielen der Karten macht Spass. Da hätte man mir auch gleich beim Kauf von Half-Life-2 die Karten ins Inventar stecken können und mir die eine Stunde im Spiel auch ganz ersparen.
Handel mit Karten:
Real: Ob mit Freunden, auf Tauschbörsen online oder offline, man kann alles tauschen und um alles feilschen, sofern man den passenden Partner findet. Ansonsten gibt es natürlich auch Märkte, wo man direkt um bares Geld gezielt einzelne Karten erwirbt. Der Akt des Handelns kann Spass machen, wenn man z.B. ein gefühltes "Schnäppchen" macht.
Steam: Prinzipiell ganz ähnlich, nur dass einen Tauschhandel aufzusetzen deutlich umständlicher ist und Steam beim Verkauf auf dem Marketplace ordentlich "mitschneidet". Dafür hat man eine gute Übersicht über den Marktwert einzelner Karten.
Fazit: Steam zwar etwas umständlicher und langfristig wohl teurer, aber auch transparenter bei der Preisfindung.
Das "Sammlerfeeling":
Real: Es hat schon was, so einen Katalog mit Karten zu besitzen und sagen zu können, man hat sie alle. Oder diese eine wertvolle Karte, um die man vielleicht beneidet wird. Aber vorallem hat man das Gefühl, etwas von Wert zu besitzen (selbst wenn man das eigentliche Spiel nicht spielt). Was auch nicht ganz falsch ist, denn so eine Sammlung mit selten(er)en Karten kann man auch irgendwann wieder verkaufen/weitertauschen.
Steam: Hat man einen Satz Karten fertig gesammelt, craftet man sich einen Badge daraus (und bekommt noch ein kleines Extra, wie z.B. neue Smilies für den Chat, Hintergrundbild fürs Profil etc.). Das Problem dabei: Die Karten sind weg! Zerstört, unwiederbringlich verloren. Und Steam verlangt von einem doch bitte nochmal die
exakt gleichen Karten zu sammeln, wenn man einen "besseren" Badge will. Vier Mal! Das ist doch das Gegenteil dessen, was am Sammeln reizt. Und natürlich kann man so nicht die Sammlung (oder Teile davon) später wieder eintauschen gegen andere. Die Karten werden zu nichts anderem, als das was bei TF2 "Scrap Metal" ist, ein Rohstoff ohne spezielle emotionale Bindung oder Interesse daran. Etwas wertloses, das man in etwas "wertvolles" umtauscht.
Fazit: Null Sammlerfeeling bei Steam, eher im Gegenteil. Das Craftingsystem entwertet die Sammelkarten, indem mehrmals die selben Karten gesammelt werden müss(t)en und nicht die Vervollständigung der Sammlung, sondern deren Zerstörung "das Ziel" ist.
Nutzen der Karten:
Real: Auch mit unvollständigen Sammlungen kann man Spielen und Gewinnen. Man kann das Fehlen von bestimmten seltenen Karten auch teilweise mit Cleverness ausgleichen. Aber in jedem Fall haben die Karten auch ohne den Sammelfaktor einen Wert, einen Nutzen.
Steam: Karten tun nichts. Sie sind, wie gesagt, ein Rohstoff ("Scrap Metal"), den man gegen etwas tatsächlich nützliches tauscht. In jedem Fall ist das Besitzen von Karten das nutzloseste an ihnen. Erst wenn man sie alle los wird (tauschen, verkaufen oder craften), hat man tatsächlich was davon.
Fazit: Die Karten auf Steam sind nutzlos. Wie das ganze System drumherum. Man hätte soviel mehr daraus machen können, wenn man verstanden hätte, was an Kartenspielen die Spieler zum Sammeln und Tauschen motiviert. Stattdessen hat man einfach ein neues "Scrap Metal" eingeführt, das sich "Trading Card" nennt.
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Ich werde einfach jedes Mal wenn ich über solche Karten stolpere diese direkt auf den Marktplatz befördern. Vielleicht bekomme ich zumindest ein paar Cent dafür. Aber im Gegensatz zu Achievements und anderen Dingen, die normalerweise meinen Sammeltrieb ansprechen, lassen mich die Karten in derzeitiger Form eiskalt.