Lyrik

[Dandelo]

Dieser Bereich ist neben Musik ebenfalls für Literatur. Und da wir - zugegeben nicht so sehr viele - bereits Threads über erzählende Prosa und Epik im Allgemeinen durchaus vorzuweisen wissen, vermisse ich hier doch einen ganz besonders wichtigen Aspekt der Literatur: Die Poesie, oder auch Lyrik.

Als großer Fan von Gedichten und selbst als Poet tätig (*hust* Atelier-Bereich *hust*) ist es mir ein Bedürfnis, diesen Thread zu erstellen. Darum meine Fragen:

Wer ist euer Lieblings-Dichter? Habt ihr mehrere?

Was ist euer Lieblingsgedicht? Was findet ihr daran?

Habt ihr schon einmal Lyrik gelesen, die euch so im Gedächtnis hängen blieb, dass sie euch eventuell beeinflusst hat?

Was mögt ihr an Gedichten und was weniger?


Es sind Fragen wie diese, mit denen ich mich schon seit einigen Jahren auseinandersetze. Darum möchte ich sie auch gleich selbst beantworten

1.
Meine favorisierten Poeten sind Edgar Allan Poe, Goethe (ofc), Rainer Maria Rilke, John Donne und Mihai Eminescu. Sicherlich gibt es noch mehr, aber diese Namen fallen mir stets zuerst ein.

2.
Auch hier muss ich eine schwierige Entscheidung treffen. Es gibt einfach zu viele großartige Werke, um sie alle zu nennen. Was ich aber besonders einprägsam fand, das war Invictus von William Ernest Henley. Ich möchte es hier zeigen, erst auf Deutsch, dann in der Originalsprache:

Spoiler (Öffnen)

Aus dieser Nacht, die mich umhüllt,
von Pol zu Pol schwarz wie das Grab,
dank ich, welch immer Gottesbild
die unbezwung'ne Seel' mir gab.

Wenn grausam war des Lebens Fahrt,
habt ihr nie zucken, schrein mich sehn!
Des Schicksals Knüppel schlug mich hart -
mein blut'ger Kopf blieb aufrecht stehn!

Ob zornerfüllt, ob tränenvoll,
ob Jenseitsschrecken schon begann:
das Grauen meines Alters soll
mich furchtlos finden, jetzt und dann.

Was kümmert's, dass der Himmel fern
und dass von Straf' mein Buch erzähl',
Ich bin der Herr von meinem Stern,
Ich bin der Meister meiner Seel'!

_____________


Out of the night that covers me,
Black as the Pit from pole to pole,
I thank whatever gods may be
For my unconquerable soul.

In the fell clutch of circumstance
I have not winced nor cried aloud.
Under the bludgeonings of chance
My head is bloody, but unbowed.

Beyond this place of wrath and tears
Looms but the Horror of the shade,
And yet the menace of the years
Finds, and shall find, me unafraid.

It matters not how strait the gate,
How charged with punishments the scroll.
I am the master of my fate:
I am the captain of my soul.

Was mir besonders daran gefällt, das ist die Aussage, die dahinter steht. Egal, wie sehr einem das Leben auch in die Quere kommt, man darf sich nicht unterkriegen lassen. Jemand, der eine schwere Zeit durchmacht, kann sicherlich Kraft aus diesen Worten schöpfen. Nicht umsonst wurde das Gedicht in dem gleichnamigen Film verwendet. Schaut ihn euch an

3.
Ja, auf jeden Fall. Genau kann ich mich aber nicht mehr erinnern, um welches Werk es sich dabei handelte. Wiederum deutlich vor mir sehe ich noch meine Reaktion, als ich erstmals "Herr Roland kam zum finstern Turm" von Robert Browning las. Ein faszinierendes, epochales Werk, bei dem ich eine Gänsehaut bekam, wann immer ich in den Versen las.

4.
Ich achte bei Gedichten immer auf eine korrekte oder zumindest angenehme Metrik und auf Reimschemen. Zwar gibt es sehr gute Werke, die ohne beides auskommen, aber mir selbst macht ein ordentlicher Versbau einfach wesentlich mehr Spaß.


Das wäre es so weit von mir. Ich freue mich auf eure Beiträge und wie viele Gedichte und Autoren hier vielleicht zusammen kommen Zählt auf und diskutiert, und vor allem: Habt Spaß.

Gruß und Blues,
Dan.

[sai]

- Wer ist euer Lieblings-Dichter?
Heinz Erhardt - ist jetzt nicht der typische Dichter, aber er hat's meiner Meinung nach echt drauf

- Was ist euer Lieblingsgedicht? Was findet ihr daran?
Die Maus

Spoiler (Öffnen)

Es wollte eine kleine Maus
- im Keller wohnhaft - hoch hinaus;
und eines Nachts, auf leisen Hufen,
erklomm sie achtundneunzig Stufen
und landete mit Weh und Ach
ganz oben, dicht unter dem Dach.
Dort wartete bereits auf sie
die Katze, namens Doremi.

Kaum, daß das Mäuslein nicht mehr lebte,
geschah's, daß eine Fledermaus
ein paarmal um die Katze schwebte,
zur Luke flog und dann hinaus.
Da faltete die Katz', die dreiste,
die Pfoten und sprach: "Ei, wie süß!
Da fliegt die Maus, die ich verspeiste,
als Engelein ins Paradies!"

Also Tiergedichte scheinen Heinz Erhardt ja sowieso zu liegen, aber die Maus hat gerade durch die letzten beiden Verse noch ein richtig schönes und lyrisches Ende.

Das Gewitter ist auch nicht schlecht, wird aber erst durch seine Art und Weise Gedichte vorzutragen richtig gut.

- Habt ihr schon einmal Lyrik gelesen, die euch so im Gedächtnis hängen blieb, dass sie euch eventuell beeinflusst hat?
Nope, aber dafür beschäftige ich mich damit auch zu wenig

- Was mögt ihr an Gedichten und was weniger?
wenn die Anzahl der Silben nicht passt

[Leo der zweite]

Also ich bin allegemein ein Freund von Erich Kästners Gedichten. Als Favorit fällt mir, auch wenn das jetzt ein bisschen klischeehaft ist, gerade nur "Das letzte Kapitel" ein.

http://www2.informatik.hu-berlin.de/~hst...pitel.html

Was mir bei Kästner gefällt ist dass er es schafft mit sehr simplen worten und Ausdrucksweise teilweise wirklich komplexe Gedanken und Emotionen zu vermitteln, ohne dabei irgendwie dadaistisch zu wirken. Auch seine oft eher zynische Sicht auf die Welt und der sehr rhythmustreue Aufbau sagen mir zu.
Ich glaube zwar durchaus, dass Lyrik einen in in verschiedenerlei Hinsicht beeinflussen kann, allerdings denke ich nicht dass das bewusst passiert.

[Dandelo]

Heinz Erhardt war ein begnadeter Autor. Wie er es schaffte, lyrische Finesse mit Witz und seinen typischen Gestiken und Mimiken zu verbinden - wie er sich bei "Das Gewitter" in die Faust beißt vor Angst und plötzlich "Aua!" schreit, ist einfach zu köstlich -, hat ihn legendär gemacht. Habe hier in meinem Zimmer auch ein großes Buch mit seinen besten Werken, worin ich immer sehr gerne schmöker
Apropos Tiergedichte: "Die Made" ist tatsächlich mein Lieblingsgedicht von ihm.

Erich Kästner, ein großer Name deutscher Literatur. Es freut mich, dass er hier genannt ist, und das gezeigte Exemplar zeigt seinen Geist. Wer weiß, ob die Welt nicht mal wirklich so untergehen wird? Jedenfalls hat er eine berechtigte Angst formuliert.

Zitat:Ich glaube zwar durchaus, dass Lyrik einen in in verschiedenerlei Hinsicht beeinflussen kann, allerdings denke ich nicht dass das bewusst passiert.

Wie kommst du zu dieser Annahme? Ich für meinen Teil denke, dass es auch bei Gedichten so ist wie bei einigen Büchern: Man legt sie beiseite und muss erst einmal darüber reflektieren, was man eben noch vor Augen hatte. Jedenfalls ist es bei mir so


Nebenbei: Habe von Verwandten ein schönes Geschenk bekommen. Ein Buch mit Gedichten von Eva Strittmatter, die ich davor noch nicht kannte (wobei mir Erwin Strittmatter durchaus ein Begriff ist). Habe mit ihr jetzt schöne deutsche Literatur für mich entdeckt, ich möchte ein Beispiel nennen:

Spoiler (Öffnen)

Lied stimmlos

Ich rufe den Vogel. Er folgt mir nicht mehr.
Der Vogel des Liedes fliegt nicht zu mir her.

Bin alt geworden. Das schreckt ihn so sehr.
Und ich lauf dem Vogel verzückt hinterher.

Als wär ich noch jung. Da war es nicht schwer.
Eine Rose. Ein Stern. Und schon flog er her

Und sang mir von Düften ein silbernes Meer.
Die Nachtigall war es. Und ich ging einher

In Liebe gewandet. Jetzt lieb ich nicht mehr.
Der Vogel der Liebe fliegt nicht zu mir her.

Besonders gefällt mir dieser Reichtum an Lebenserfahrung, der aus ihren Werken klingt. Es gibt noch einige Beispiele aus dem Buch "Atem", das man mir schenkte, die ich nicht alle aufzählen kann. Es sind Episoden eines langen Lebens, Eva Strittmatter starb 2011 in hohem Alter.

[Feron Change]

Heinz Erhardt ist auch mein Lieblingsdichter.
Eine Ballade ist mir das liebste Werk.

Kunibert (Öffnen)

Es war einmal ein altes Schloß.
Und Kunibert, so hieß der Boß.
Er hatte Mägde, hatte Knechte
und eine Frau- das war das Schlechte!

Ihr Mund war breit, ihr Hals war lang,
und es klang schrecklich, wenn sie sang.
Da zielte er mit Kron und Kimme
und Wut auf sie- das war das Schlimme!

Es machte bumm!-(natürlich lauter)-
dann fiel sie um!- Zum Himmel schaut er
und spricht das Auge voll Gewässer:
>>Vielleicht singt sie dort oben besser?!<<

[Lord of Mars]

Poe, Heine und manches von Lord Byron

Ich mag The Vison Bleak sehr und diese Vertonung einiger Verse aus "Manfred" ist sehr gelungen.




Lieblingsgedicht von Heine:
http://www.textlog.de/23249.html
Davon gibt es auch ein Lied von Bacio Di Tosca. Allerdings finde ich gerade keine Video.

Heinz Erhardt für etwas heiterere Sachen mag ich ebenfalls sehr.

[Dandelo]

Das Heine-Stück ist wirklich großartig, auch eines meiner Lieblinge von ihm

Die Ballade schafft in meinen Augen auch ein schönes Kunststück: Es ist von Anfang an humoristisch angehaucht und wird gegen Ende doch noch mal melancholisch. Wirklich sehr schön!

[Lord of Mars]

Gerade eben ist mir noch ein Lieblingsstück wieder eingefallen. Dachte eigentlich es wär von einem anderen Dichter, war dann aber doch von Lord Byron.
Ich hab wirklich eine Schwäche für seine unglaublich starke Sprache. Das ist wie Two Steps From Hell in Worten.

The Destruction of Sennacherib

Zitat:The Assyrian came down like the wolf on the fold,
And his cohorts were gleaming in purple and gold;
And the sheen of their spears was like stars on the sea,
When the blue wave rolls nightly on deep Galilee.

Like the leaves of the forest when Summer is green,
That host with their banners at sunset were seen:
Like the leaves of the forest when Autumn hath blown,
That host on the morrow lay withered and strown.

For the Angel of Death spread his wings on the blast,
And breathed in the face of the foe as he passed;
And the eyes of the sleepers waxed deadly and chill,
And their hearts but once heaved, and for ever grew still!