Ist 'ne zweischneidige Sache.
Zum Telefonieren kann es absolut sinnvoll sein, wenn Kiddies mal irgendwo unterwegs sind und ihre Eltern oder sonstwen anrufen müssen aus welchem Grunde auch immer. Klar, früher™ hat man dafür kein Handy gebraucht, aber früher™ gab's ja auch erheblich mehr (funktionierende) Telefonzellen, und Kids, die viel draußen waren (waren sie früher™ ja auch mehr – 5 Bits ins Phrasenschwein), wußten auch, wo die Telefonzellen zu finden waren, weil sie da ständig dran vorbei kamen.
Heute hast du meistens im Umkreis von Kilometern an Zellen nur die Mobilfunkzellen, weil der Bedarf an Telefonzellen im Handyzeitalter einfach nicht mehr da ist. Wenn überhaupt noch irgendwo Telefonzellen stehen, dann höchstens da, wo es sich lohnt, und das kann auch mal weit weg von da sein, wo Kids sich rumtreiben. Wenn dann mal irgendwas ist, bist du auch als Erwachsener ohne Mobiltelefon aufgeschmissen. Das kannst du außerdem direkt da verwenden, wo du gerade bist – selbst auf'm Dorf hat man für gewöhnlich zumindest GSM, vielleicht kein UMTS oder LTE, aber Telefonie hat man.
Bei Smartphones wird's schon schwieriger. Das Problem mit Smartphones ist die Markenversessenheit. Früher war's die Ranzen- oder Füllermarke, dann war's die Turnschuhmarke, heute ist's die Smartphonemarke. Nicht mal selten bestehen die Kids auf einem iPhone. Und zwar dem jeweils aktuellen Modell. Oder wenn Mama ein iPhone hat, auf einem aktuellen Samsung Galaxy S, um ja nicht das gleiche Smartphone wie ihre eigene Mutter zu haben. Warum bestehen sie darauf? Um dazuzugehören. Um cool zu sein. Und auf dem Schulhof nicht wegen des uncoolen Billig-Phone gemobbt zu werden von den ganzen coolen Kids, deren reiche Eltern ihnen innerhalb von sechs Wochen nach Erscheinen das neue iPhone kaufen (damit sie die Klappe halten, oder um selbst damit zu strunzen, daß "mein Kind jetzt auch das neue iPhone hat"), oder deren großer Bruder einfach die richtigen Hehler kennt. Zugegeben, mit einem Dumb- oder Featurephone werden sie auch gemobbt.
Vor allem, wofür brauchen Kinder im Grundschulalter wirklich immer und überall ein voll funktionsfähiges Smartphone mit allen Schikanen?
- Whatsapp? Wenn man sich schon schreiben muß, tut's auch 'ne SMS. Und, bitte, wieviel muß man sich schreiben, um die monatliche SMS-Flat zu sprengen? Früher™ hat man miteinander geredet, und übrigens sind Smartphones immer noch Telefone.
Man sieht heutzutage sogar Jugendliche oder gar Kinder miteinander whatsappen, die sich im selben Raum befinden.
- E-Mail? Die wenigsten nach 2001 Geborenen wissen noch, was das ist.
- Navi? ₣rüher™ konnten auch Kinder sich ohne Navi orientieren, aber heute können nicht mal mehr Erwachsene irgendwohin finden ohne Navi mit 3D-Point-of-View-Perspektive. Kein Mensch kann mehr Karten lesen, und kein Mensch kann sich mehr ohne Karten irgendwo orientieren. Es ist traurig. Das ist kein Fortschritt, das ist Degeneration, das ist Rückbildung.
Für ausgedehnte Outdoor-Abenteuer ist das Navi im Smartphone eh grenzwertig, weil es den Akku schneller leersaugt, als einem lieb ist. Karte dabeihaben hat natürlich was Pfadfindermäßiges, aber sollen die Kids mit ein, zwei Akkupacks losziehen? Und draußen gibt's keine Zigarettenanzünderdosen, an denen man das Phone betreiben könnte.
- Internet? Als wenn man unterwegs (vor allem draußen) nichts besseres zu tun hätte. Dann eher dafür den Rechner im Elternhause. Der geht dann auch eher zu kontrollieren.
- Alle möglichen Zusatzapps? Ernsthaft, das würde ich eher verhindern. Ich meine, die meisten Apps sind Payware, Download ist Kaufvertrag, und solche Verträge dürfen die Kiddies doch gar nicht abschließen. Mal abgesehen davon, was da draußen teilweise an fragwürdigen Apps rumschwirrt.
(13.03.2015)Meganium schrieb: (13.03.2015)Purpleshy schrieb: Ach ich glaub mit Autos War es ähnlich
Ist heute immernoch so, dass man über den Fortschritt meckert. Stichwort alternative Antriebe, wie Elektro oder Hybrid. Oder Automatikgetriebe.
Wobei ich gerne über Vollautomatik meckere und ja immernoch gerne unsynchronisiert durch die Gegend düse.
Das seh ich teils so, teils so. Einige der ersten Autos waren E-Autos, und damals hatten Benzinkutschen auch keine größere Reichweite. Als das Thema im letzten Jahrhundert wieder aktuell wurde, konnte man schon deshalb nichts Reelles bauen, weil NiCd-Akkus einfach nichts taugten, selbst wenn die Gefährte nur eine Vierteltonne wogen und Solarzellen auf'm Dach hatten. Gegen E-Antrieb hab ich nichts einzuwenden.
Was mir aber gegen den Strich geht, ist das systematische Runterblöden des Autofahrens. Erst werden immer neue Assistenzsysteme eingebaut. Parkassistent (ich sag jetzt nicht Parksensoren, die sind sinnvoll bei den heutigen unübersichtlichen Karosserien, während man einen Mercedes Strichacht auch ohne einparken könnte, weil man von allen Plätzen aus die 4 Ecken der Karosserie sieht), Spurhalteassistenz, Abstandsassistent, Überholassistent, Schilderassistent und was nicht noch alles. ESP sowieso, serienmäßig sogar in französischen Kleinstwagen und immer permanent an (außer bei sportlicheren Fahrzeugen, wo's irgendwo in einem Menü einen Eintrag gibt, über den man das abschalten kann).
Also, erst werden die alle eingeführt. Dann werden die zum Killerkriterium bei Autotests. Dann führt jeder Hersteller die volle Bandbreite bis hin zum kleinsten Basismodell serienmäßig ein. Selbstverständlich wird keins dieser Systeme abschaltbar gemacht, weil "mit ist immer besser". Und ehe man sich's versieht, kann eine ganze Generation Autofahrer nicht mehr ohne diese Systeme fahren und macht sich von dieser Technik abhängig.
Folglich, so schätze ich, wird es aus den nach 1990 Geborenen nur sehr, sehr wenige geben, die sich für Young- oder gar Oldtimer interessieren – ganz einfach, weil sie die nicht fahren können. Wer seinen Lebtag nur mit dem vollen Brett an Assistenzsystemen gefahren ist, wird eine Relation zwischen der Gasstellung und den Fahrleistungen kaum mehr kennen.
Die schöne alte S-Klasse fliegt aus der Kurve, weil Hecktriebler ohne Traktionskontrolle, geschweige denn ESP, und erst recht gibt's keine Schilderlesekamera, die den Dampfer automatisch auf 70 km/h runterbremst, weil das Schild das sagt. Oder sie semmelt auf der Bahn dem Vordermann hinten drauf, weil sie keinen Abstandsassistenten hat, der sogar bei Bleifuß stur den korrekten Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hält, bis man auf den Taster auf der Mittelkonsole tippt und das Fahrzeug selbsttätig ein Überholmanöver durchführt – auch das muß man bei dem alten Benz noch per Hand.
Von noch älter und noch kleiner ganz zu schweigen. Irgendwann wird der letzte aussterben, der noch einen Käfer fahren könnte. Vergasermotor (Choke!), Seilzugbremse statt ABS, Heckantrieb und -Motor und daher -Schleuder, unsynchronisierte H-Schaltung mit nur 4 Gängen, und noch dazu ist er eine Todesfalle mit weniger als 50 Airbags und 5 EuroNCAP-Sternen. (Okay, Todesfalle ist er heutzutage, in einer Zeit, wo die Leute mit dicken SUVs und abgeschaltetem Hirn durch die Städte bolzen, weil die Fahrassistenzsysteme für sie das Auto fahren. Wenn du im Käfer sitzt, und dir knallt ungebremst ein VW Touareg in die Seite, dessen Fahrer gerade am Whatsappen war – ja, das mußte unbedingt gerade
jetzt sein –, dann hast du ein ziemliches Problem.)
So leicht die Teile außerdem zu warten sind, so wird das trotzdem keiner können, weil ganze Generationen heutzutage ausschließlich unschraubbare Autos fahren. Die Motorhaube ist ja schon bei so manchem Modell ersetzt worden durch eine Serviceklappe, die zwar ein paar Füllstutzen und Ladeanschlüsse freigibt, das Triebwerk aber komplett verhüllt. Beim kleinsten Wehwehchen (angezeigt auf dem Farbdisplay im Cockpit – also Neuauflage der bunten Leuchten, die die Fahrer italienischer Autos der 80er Jahre immer ignorieren, weil die selbst nicht richtig gehen) geht's gleich zur Vertragswerft, weil sogar zum Lämpchenwechsel im Scheinwerfer herstellerproprietäre Spezialwerkzeuge gebraucht werden und das nur Mitarbeiter von Vertragswerkstätten dürfen, die mittels Spezialseminar auf die Hochspannungs-Scheinwerferelektrik geschult sind. Und wenn das Triebwerk abraucht, weil man einen Common-Rail-Turbodiesel jahrelang nur im Stadtverkehr fuhr, geht der ganze Wagen zum Abdecker, zumal man eh eine zu alte Generation fuhr.
Den ganzen Zirkus hätte man mit den Autos von früher™ nicht. Etliche Reparaturen waren so trivial, daß man zur Tanke oder Werft fuhr, sich die Teile holte und zu Hause einrüstete. Bei durchgebrannten Birnen sowieso, aber so manch einer hat in der heimischen Garage auch mal die Kerzen oder Bremsbeläge gewechselt. Motorschaden? Motoren wurden damals nicht als Ganzes angesehen, als Black Box, sondern als reparabel. Selbst wenn der Motor als Ganzes hin war (Block gerissen oder Kolbenfresser oder so), wurde er ausgetauscht; Hinterhofklitschen wie Vertragswerkstätten hatten immer einen ATM rumliegen oder konnten einen kriegen – mal abgesehen davon, daß früher sogar, nein, gerade Dieselmotoren ewig hielten und so manch einer kein Problem damit hatte, daß ihm in seinen 240 D ein Aggregat reingehängt wurde, das schon 120.000 runter hatte (= gerade eingefahren), dessen einst umgebende Karosse aber von der braunen Pest dahingerafft wurde (eindeutig zu begrüßender Fortschritt der 80er: Rostvorsorge).
Derlei Autos sterben zwar nicht aus, aber Kfz-Mechaniker, die damit noch umgehen können. Heute gibt's nur noch den Mechatroniker, der alle Reparaturen mit dem Laptop durchführt und dank der Abwrackprämie fast gar keine Fahrzeuge mehr aus dem 20. Jahrhundert unter die Hände bekommt. Irgendwann wird der letzte Meister in Rente gehen, der noch einen Opel Ascona unter den Händen hatte. Dann wird's auch kaum mehr Privatleute geben, die sich mit den Autos des 20. Jahrhunderts auskennen – diejenigen, die noch ohne ABS fahren konnten, dürfen es nicht mehr, weil sie zu senil sind. Dann wird das letzte Fahrzeug aus dem 20. Jahrhundert von den Straßen verschwinden. Einige berühmte Modelle werden in sehr wenigen Exemplaren in Museen landen, aber ganze Baureihen werden im hohen Alter aussterben, weil ihre verbliebenen Exemplare in den Händen von Leuten landen, deren Eltern oder Großeltern sie einst gehegt und gepflegt haben, die selbst aber damit nichts mehr anfangen können und sie mangels Alternativen verschrotten lassen.
Um back to topic zu kommen: Ich befürchte ja für die Zukunft, daß auch z. B. Smartphones mit derartigen "mitdenkenden Assistenzsystemen" versehen werden. Das wird dann als Fortschritt umjubelt, nimmt aber den Leuten derartig das Denken ab, daß die aus reiner Bequemlichkeit ganz drauf verzichten und es mehr und mehr verlernen.
(15.03.2015)Triss schrieb: (15.03.2015)DerWächter/mmmm schrieb: Und wer hat festgesetzt dass diese Grenze Computerspiele sein müssen? Ich meine, klar früher musste man draußen spielen weil es nichts anderes gab, heute gibt es eben aber diese Alternative. Dass es sie früher nicht gab, macht sie nicht schlecht.
Ich weiß nicht, ob du schonmal Kinder verglichen hast, die, die viel draußen sind und die, die ständig Computerspiele spielen. Kleine Kinder brauchen körperliche Betätigung, da führt kein Weg dran vorbei und wenn es den ganzen Tag nur zuhause sitzt und spielt, fehlt ihm das und es wird hibbelig und unkonzentriert. Kinder müssen sich auspowern, vom Aspekt des Immunsystems mal ganz abgesehen, wer draußen im Matsch spielt wird irgendwann nicht mehr so schnell krank.
Generell sollten Computerspiele immer nur eine kleine Alternative sein und keine 24/7-Freizeitbeschäftigung, auch wenn das Kind das unbedingt will.
Hier haben wir das Problem der Eltern, die mit Kindern – ihren eigenen – nicht umgehen können und wollen. Die Kids werden ruhiggestellt, indem man
sie vor die Glotze setzt sie an den Rechner setzt ihnen ein Smartphone oder Tablet in die Hand drückt. Dann sind sie beschäftigt und quengeln nicht rum, ohne daß man selbst ihnen Zeit und Energie widmen muß.
Immer rumsitzen kann aber auch nicht das Wahre sein, denn, wie du schon sagt, die Kiddies werden hibbelig. Ist tatsächlich heute verbreiteter als früher. Auf die tatsächliche Ursache kommt man aber nicht. Statt dessen wird einfach ADHS diagnostiziert ("ja, früher kannte man das einfach noch nicht, deshalb gab's da noch kaum Diagnosen") und das Kind mit Ritalin vollgepumpt, und die Psychopharmaka-Industrie freut sich mit den Eltern eines endlich zu hinreichend Ruhe sedierten Kindes.
Draußen spielen? Gott bewahre, das ist doch gefährlich und schmutzig und hastenichgesehn! Gerade Mütter sind heute doch verschärft auf dem Trip, ihre Kinder überzubehüten und in einer derart keim- und staubfreien Umgebung aufwachsen zu lassen, daß sie auch gleich einen Reinstraum zum Kinderzimmer machen könnten.
Raus dürfen die Kids nicht, könnte ja sonstwas passieren, wofür man niemanden verklagen kann, wo man also selbst auf dem Schaden sitzen bleibt. Die teuren Markenklamotten (andere Mamas sollen ja sehen, daß man sich ordentliche Kleidung für seine Kinder leisten kann, nicht wahr) sollen ja nicht dreckig werden, geschweige denn kaputtgehen. Dreckig werden nicht, weil a) Waschen kostet, b) Waschen streßt, c) Waschen schadet den teuren Klamotten, d) schmuddeliges Kiddie kann man nicht rumzeigen, e) gehört sich nicht, f) könnten Krankheitserreger drin sein. Und wenn sich irgendwo Verschleißerscheinungen zeigen, müssen die Klamotten entsorgt und teuer neu gekauft werden.
Folgen: Zunächst mal sind die Kids in der Motorik gestört, weil sie sich ihre ganze Kindheit über außerhalb des Sportunterrichts nirgendwo wirklich bewegen dürfen. Schon vor Jahren fiel auf, daß viele Kinder nicht mal mehr rückwärts laufen konnten. Dann trauen sie sich im Real Life nichts mehr. Kein Wunder, daß die Wehrpflicht abgeschafft wurde – wo will man noch Rekruten herkriegen. Vor allem aber härten sich die Kids draußen nicht ab. Nicht gegen Schmerzen, nicht gegen Dreck, erst recht nicht gegen Krankheitserreger.
Dann soll mal ein Kiddie in der Kitagruppe oder in der Klasse was mitbringen, und sei es eine banale Erkältung. Weil niemand mehr ein nennenswertes Immunsystem hat, haben es rumsbums alle und bringen es nach Hause, wo die verweichlichten Mütter sich natürlich auch anstecken. Die Väter dann auch, die sind ganz einfach chancenlos.
Ich kann das ja sagen, ich bin Generation-X-er, Jahrgang 1975. Ja, ich werde dieses Jahr 40. Alter Sack.
Wie war's denn zu meiner Zeit™? Klar, Erkältungen gab's auch, aber die griffen nicht so heftig um sich. Man blieb zu Hause, weil's einem einfach scheiße ging (meist erst ab Grippe der Fall), weil man mangels Stimme unbrauchbar war (nicht selten sogar dann nicht), oder weil der Doc das gesagt hat – aber nicht, um nicht alle anzustecken, das war damals kein Argument.
Kids wurden damals auch nicht in Edeljeans gesteckt. Okay, in meiner Kindheit gingen manchmal sogar Cordhosen durch. Aber eins will ich an dieser Stelle sagen: Bevor die Hosen Hochwasser bekamen, bekamen sie Lederflicken auf den Knien, weil sie durchgescheuert waren. Alle. (Passierte aber auch gern beim Legospielen auf'm Teppich.) Dann scheuerten sie nicht mehr durch. Und Flicken auf den Hosen waren damals in der Schule so normal wie Schuhe mit Klettverschlüssen (wir können trotzdem heute alle Schleifen binden, weil spätestens auf dem Gymnasium Klettschuhe uncool wurden).
Was haben wir in der Freizeit gemacht? Ein paar meiner Generation hatten schon in der 2. Hälfte der 80er Homecomputer. Das war die große Zeit von C64 und Amiga. Aber selbst die liefen nicht ständig. Das wichtigste für uns war damals meistens das Fahrrad. Nicht nur, um zu Kumpels zu fahren, sondern, um mit Kumpels durch die Weltgeschichte zu gurken. Besonders boten sich so ab Mitte der 80er die All-Terrain-Bikes an, verkehrstüchtig gemachte Mountainbikes, nicht weil cool, sondern weil robust, weil man damit noch mehr Scheiße machen konnte als mit anderen Rädern. Die Dinger luden ja ein zum Offroad-Fahren, also wurde offroad gefahren und ausgetestet, was die Mühlen konnten, und auf was für Untergründen man noch fahren konnte. Und wenn's ein regendurchweichter Acker war oder ein für Fahrräder eigentlich unpassierbarer Waldweg, egal, da mußten Mensch und Maschine durch. Gerade an der Schwelle zur Jugend ging An-die-Grenzen-Gehen-und-dabei-Einsauen dazu. Gut, beim Materialschrotten hörte der Spaß auf, weil man wußte, daß ein zu stark beschädigtes Bike zu lange nicht zur Verfügung stehen wird.
Aber das Radfahren war nicht nur Selbstzweck, sondern man kam mit dem eigenen Eisen auch dahin, wo man seine eigentlichen Abenteuer erlebte. Hier sei angemerkt:
Gerade wir standen damals unterm Einfluß der Medien. Wenn man erst angefixt war mit Sachen wie
TKKG (Enid Blytons
Fünf Freunde auf deutsch und 20% cooler, die Gearschten waren nur immer die, die Klößchen oder gar Gabi spielen mußten) oder gar
MASK – andere Generationen, andere Vorlagen; Westerns eigneten sich für frühere Generationen auch vorzüglich –, wurde es richtig lustig, und man fühlte sich in seinen Fantasierollen im Einsatz gegen imaginäre Gegner unglaublich badass. Erkundungstouren gab's natürlich auch immer mal, weil man sich neue Kulissen für seine Abenteuer ausgeguckt hat. Und wenn man in der Dämmerung nach Hause fuhr – dafür hatte man ja die großen Lampen an den Bikes, die andere Räder nicht hatten.
Womit man sich auch beschäftige, man konnte damit auch umgehen. Die Baby-Boomers und die Generation davor hatten als Jugendliche Mofas, Mopeds oder Mokicks, die sie frisierten bis zum Gehtnichtmehr. Die irgendwo gebraucht geschossene NSU Quickly, die auf einmal 80 oder 90 rannte und sich anhörte wie 'ne Speedway-Maschine, war keine Seltenheit – wenn das keine verlorene Kunst wär, würde kaum einer mehr Motorroller kaufen. Das heutige Pendant ist das Aufrüsten des Gaming-Rechners, nur daß man den heute nicht gezielt lauter macht.
Zu meiner Zeit war der Amiga "the easy way" und eher zum Spielen – Amiga-Kids erkannte man daran, daß sie auf dem Schulhof 3½"-Floppies tauschten; glaubt man nicht, daß damals irgendeiner Geld für Spiele ausgab, wenn man XCOPY hatte, und das hatten sie alle. Die C64-Fraktion hatte den weitaus schwächeren Rechner, die wabbeligen 5½"-Floppies mit nur der halben Kapazität – und weitaus mehr Quatsch, die sie mit den Brotkisten machen konnten, weil die zugänglicher waren als die Amigas. Ich hab schon um 1990 das legendäre Commodore 1541 Musik machen hören, dies zum Thema Floppymusik. Oder damals eine Sensation und eigentlich heute noch: zwei Sekunden aus Michael Jacksons "The Way You Make Me Feel", in Dauerschleife gespielt auf dem halbanalogen SID-Chip und gespeichert auf einer 360-kB-Floppy – das war lange vor MP3 und auf Hardware, die dafür gar nicht geeignet war. War zwar nur Proof of Concept, aber geil. Wir hatten sogar eine kurzlebige Schülerzeitschrift, die auf C64 gesetzt wurde; ich glaube, irgendjemand hatte einen 24-Nadel-Drucker, der für ein halbwegs druckreifes Schriftbild sorgte, oder eine elektronische Schreibmaschine, die man vom C64 aus ansteuern konnte.
Ich gehörte der Lego-Fraktion an, die damals – Serious Business – in einer "Dauerfehde" mit den Playmobil-Fans lag, aber deutlich eher Geeks hervorbrachte. Das volle Programm von Stadt und Weltraum über die 12-Volt-Bahn bis Technic. Irgendwann konnte ich auch an meinem eigenen Fahrrad schrauben, und zwar sinnvoll. Und dann spielte ich seit Ende '83 auch noch ein Musikinstrument. Einen Rechner hatte ich erst ab Ende '91, und das war der Familiencomputer. Wieder andere, so einen Kumpel hatte ich zu Grundschulzeiten auch und später noch einmal während der Ausbildung, hatten eine "richtige" Modellbahn.
Kurzum: Wir hatten damals derartig viel zu tun, daß man uns nicht noch irgendwie beschäftigen mußte.