Wir schreiben Donnerstag Abend, 23:14, MEZ und ich habe Kapitel 13 beendet. Damit liegen exakt 51.064 Wörter und Akt I 'Änderungen' hinter mir. Treuer Begleiter auf den letzten Metern der Kapitel 8 bis 13 war folgendes Stück Musik. Möge es für die Ewigkeit in die Sterne geprägt werden:
Was bleibt? Welche Eindrücke habe ich gewonnen von einem Auftakt, den die ersten 13 Kapitel bilden, die uns noch zu (wohl) 87 weiteren Kapiteln führen werden? Ich habe keine Ahnung.
Ich weiß nur, dass ich geflucht habe. Mit kontinentengroßen Fragezeichen vor dem Bildschirm saß. Den Kopf schüttelte, die Hand tief in die Stirn grub, schlicht: ich konnte, ich kann es immer noch nicht fassen, was ich hier über den Zeitraum einiger Tage gelesen habe.
'The Precious Life' ist, nach Views und Postings bemessen, eine der Speerspitzen, wenn nicht sogar die Speerspitze der deutschen Fanfiction-Szene und dann ist das, was in den ersten 13 Kapiteln + Prolog steht, jeder Beschreibung spottend.
Ich bin irgendwo sprachlos. Ich bin irgendwo sauer. Ich bin irgendwo wütend. Ich bin überall maßlos enttäuscht. Ich stehe vor einem gigantischen Moloch, der sich deine Fanfiction nennt und ich staune. Selten hatte meine Contentance derartige Risse. Das Leben muss mich hassen.
Aber bringen wir das in eine Ordnung, fangen wir vorne an: mit der Basis. Mit Level 1:
Es ist Human in Equestria. Ein Genre mit dem ich mich noch nie identifizieren konnte - warum sollte es diesmal anders sein? Ich und Human in Equestria. Das wird keine Liebe mehr und 'The Precious Life' war der endgültige Sargnagel. Mir bleibt schlicht schleierhaft, was an diesem Genre derart anziehend wirkt. War das nun alles Comedy, so mehr oder minder? War es die direkte Anzapfung der Phantastereien eines Menschen, der ungefiltert, frei, wie sein Schnabel ihm gewachsen war, auf Papier brachte, was ihn umtrieb? Ich tippe auf Letzteres, aber das macht es einfach nicht besser.
Wir erhalten Einsichten, wir werden erfahrener. +100
Experience Points... Level 2:
Erwartungshaltung. Es ist 'The Precious Life'. Es ist nicht irgendein Provinzprojekt aus der hinteren Ecke des Internets. Es ist
the one and only 'The Precious Life'! Hatte ich eine Erwartungshaltung, die eventuell gar nicht erfüllt werden konnte? Liegt hier der Pfeffer im Hase, ist hier mein ganz persönliches Mordor zu suchen, was nach dem erlösenden Einschmelzen des Einen Ringes lüstet? Ich bezweifel es, habe ich im Vorfeld doch nur Mäßiges über dieses Projekt gehört. Aussagen, die ich eigentlich nicht glauben konnte, womit mal wieder auf die große Popularität verwiesen wird, die dieser Geschichte innewohnt. 'The Precious Life' hatte für mich etwas, ich will es mal mit "Underdog-Charme" umschreiben, was eventuell paradox klingt, ist dieses Projekt doch alles andere als unbekannt. Aber heute ist alles anders. Heute ist alles manisch. *weiter der 8-Bit Mondschein-Sonate lauscht*
Level 3, wir nähern uns dem Kern, verlassen den Schatten vor der Sonne:
Aber hier ist noch mehr. Die anscheinend angeborene Antipathie für das Genre 'Human in Equestria' ist nur die Oberfläche. Ich habe versucht sie zu ignorieren (was mir bei z.B. 'My Second Life' nicht eine Seite lang gelungen ist) und wollte endlich darüberstehen, meinen eigenen, inneren Dämon besiegen, der mir immer wieder möglicherweise wundervolle Geschichten madig machte, nur weil ein Ich-Erzähler auf eine x-beliebige Weise aus dem beschaulichen, tristen Alltag
on planet earth in das farbenfrohe, kunterbunte Equestria hüpft.
Ich wollte fair bleiben, nüchtern: schlicht sachlich. Aber es geht nicht. Ich habe verloren, versagt.
Level 4, wir sind dicht vor der Schwelle.
The center of hell itself awaits us.
Jedes Kapitel setzt dem vorherigen Machwerk eine weitere Krone auf, in wilder Kaskade, die nur wenige, spärlichst verteilte Lichtblicke kennt, geht es hinunter in die Abyss - keine Chance auf Widerkehr. Ich habe, wie Eingangs erwähnt, die letzten fünf Kapitel (also 8 bis 13) mit einer irren, manischen Version von der Mondschein-Sonate gehört und nur ihr verdanke ich wahrscheinlich meine geistige Intaktheit, weil mein Verstand nicht wahrhaben wollte, was vor ihm ganz selbstverständlich, mich hämisch angrisend, weilte.
Wäre 'The Precious Life' nun, sagen wir, irgendeine Fanfiction, die halt vor sich hinexistiert und ihrem Autor viel Freude bereitet, wäre dieses große Maß an heißer, echauffierter Luft wohl unnötig, aber, bei aller Ironie der Existenz selbst, ist 'The Precious Life' das große Aushängschild; neben Streibens humoristichen vier Hufen und Dandelos jedes Gefühl der Zuversicht vertilgende Lehrstunde in lyrischer Prosa.
Und ich
verstehe es einfach nicht! Seit Stunden durchläuft mich die Frage, was an diesem Machwerk besonders ist. Ich suche den Zugang, aber auf jeder Zeile springt es mich an, dein Federschwung, und lässt mich abprallen. Es scheint mich genauso wenig zu mögen, wie ich es. Inkompatibel, bis zum Ende der Zeiten. *seufz*
Ein letzter Blick, jetzt gibt es kein Zurück: Level 5.
Der Kern ist erreicht, die Geistesverwirrtheit kreischt aus allen Ecken. Wenn ich mir jetzt noch die häufiger gehörte Aussage in Erinnerung hole, dass 'The Precious Life' noch zu den Guten respektive Besseren 'Human in Equestria'-Fictions gehört oder gehören soll, bekommt die wilde Helix aus Wahn und Unverständnis weitere Bögen, die jeder visuellen Beschreibung spotten.
Hat es doch zwei fatale Konsequenzen zur Folge:
1. Wenn 'The Precious Life' wirklich zu den besseren bis guten Geschichten seiner Zunft gehört, dann will ich nicht die schlechte(re)n Vertreter sehen, ja nicht einmal in ihrer Nähe sein oder ihre Existenz anerkennen, einfach ausblenden. Hinfort damit!
2. Es muss einen unfassbaren Wulst an miserablen Geschichten geben, wenn selbst dieser literarische Durchschnitt, den 'The Precious Life' bis Kapitel 13 abliefert, in irgendeiner Form positiv erwähnungswürdig ist und zurecht aus der Masse heraussticht, die im großen Ozean des Internets herumschippert.
In diesem Genre geht irgendwas grundlegend falsch und ich bin mir nicht sicher, was ich zu dieser Abstrusität groß beitragen soll. Es verbleibt das Unverständnis - auf vierlei Ebenen.
Damit könnte ich am Ende sein. Könnte dir die Hände schütteln, mich für den Versuch bedanken mich zu unterhalten und wieder getrennte Wege gehen. Wir könnten es schlicht dabei belassen. Du schreibst 'Human in Equestria' und ich mag kein 'Human in Equestria'. Freundschaft ausgeschlossen, P ist nicht gleich NP, man kann eben nicht alles im Leben haben. Es könnte so schön, so einfach sein. Aber hinter der Singularität der tiefsten Abgründe erwartet uns:
Level 7.
Dies ist der finale Paukenschlag. Ich könnte über alles bisher Erzählte großzügig hinwegsehen. Es gibt eben solche Autoren und solche Autoren. Jeder schreibt, wie ihm genehm und am Ende des Tages setzt man sich auf die Veranda, schaut über die
Sweet Apple Acres, genehmigt sich einen Schluck Cider und gut ist.
Aber, aber, aber, aber, ich komme nicht umhin ein weiteres Male die Hände (oder Hufen) über den Kopf zusammenzuschlagen. Als dein Betaleser hätte ich dir wirklich, ausnahmslos jedes Kapitel doppelt und dreifach um die Ohren gehauen. Um die Ohren hauen müssen. Es geht mir nicht einmal primär um deine ortographischen Nicklichkeiten, die in Hülle und Fülle jedes deiner Kapitel zieren, praktisch ein optisches Erkennungsmerkmal deiner Kapitel bilden. Du hast dich in diesem Felde bereits einmal ausgesprochen, ich habe dies registriert - kann die Entscheidung, weil ich ähnlich arbeite, sogar mehr als gut nachvollziehen. Akribisches Durchlesen und Korrigieren von Kleinfehlervieh macht eben keinen Spaß. Kapitel runterschreiben, einmal kurz rastern, raushauen, fertig. Gutes Gefühl.
Nein, es geht mir um den Inhalt. Den Aufbau der Szenen, dein Umgang mit der Dramaturgie, die Dialogführung, die Porträtitierung und Entwicklung von Charackteren, die Kohärenz und Authentizität der Geschichte an und für sich, dein Pacing, deine Wortwahl, deine Stilistik. Ich werde mich an diesem Punkte hüten und irgendeine "Schlechtigkeit" herbeifabulieren, die nicht gegeben ist. Das wäre vermessen, schlicht unfair und nicht zutreffend. Dennoch habe ich auch nichts gefunden (bis auf wenige, wenige Lichter in einem tiefen Meer aus grauer Tristesse), was wirklich gut gewesen wäre. Vielleicht liegt es an Kapitel 1 bis 13. Vielleicht sind Kapitel 42 - 59 echte Perlen. Ich werde es nie erleben und nach dem Eindruck, den der erste Akt hinterlassen hat, bezweifel ich, dass da noch viel kommt. Ich weiß nicht woran das liegt, aber von Anfang an zogen sich die gleichen Fehler, Nicklichkeiten, Schlampereien durch deine Textwüste, die an vielen Stellen einfach nur ins Belanglose abdriftete.
Wäre ich von Natur aus wütender und nicht so gelassen, ich würde dich jetzt auffordern bitte das Schreiben zu lassen, dir ein anderes Hobby zur kreativen Auslebung zu suchen. So bin ich aber nicht. Ich wünsche dir weiterhin viel Freude mit einem Projekt, dass dir offenkundig mehr als nur am Herzen liegt. Ich wünsche auch deinen vielen Lesern weiterhin viel Freude, sowohl mit Nightmare, als auch mit Afterlife oder später mit Hope.
Aber wenn du mir einen Gefallen tun möchtest, der eventuell völlig eigennützlich ist: verbessere dich bitte. BITTE. *Pinkie Pie-Flehen aufsetzt*
Du kritzelst möglicherweise auf die 300.000 oder 400.000 Worte zu und trotzdem bleibt alles so furchtbar durchschnittlich. Mag an meiner Vorliebe für
gute Literatur mit Anspruch liegen; eine Zielsetzung die du dir vielleicht gar nicht, sogar bewusst nicht stellst. Aber ich... ich... bleibe dabei. Mach mehr aus diesem Projekt. Lass die Mary-Sue-Anleihen, die du hast, verbessere deine Stilistik. Vielleicht ist vieles davon schon geschehen, vielleicht echauffiere ich mich über Makel, die später nicht mehr da sind. Aber 51.064 außerordentlich unerquickliche Wörter haben schlicht ihren Eindruck hinterlassen, wollen irgendwie verdaut werden.
So, ich höre jetzt noch ein paar Mal genüsslich die Mondschein-Sonate in 8-Bit und ordene meinen Kopf wieder. Und verscharre irgendwo unauffällig meinen ganz persönlichen 'Human in Equestria'-Sarg. Jeder braucht schließlich seine Leichen im Keller.
Tschöö!