Endlich vor paar Tagen die Doppelfolge gesehen... hab die letzten Tage teilweise damit zugebracht, hier alles (!) zu lesen, einschließlich Stargaze's ausführlichem Review.
Also, meine Meinung: mit dieser Doppelfolge hat sich MLP endgültig vom Klischee der Kleine-Mädchen-Serie verabschiedet - MLP versucht jetzt nicht mal mehr, wenigstens oberflächlich eine Kinderserie zu sein. Nicht mit
der Handlung und Atmosphäre! Damit ist MLP wirklich erwachsen geworden (gut für uns), kann zwar durchaus auch noch von der eigentlichen Zielgruppe geguckt werden, aber "Kleine-Mädchen-Kitsch" kann nun der Serie wirklich niemand mehr vorhalten. Nicht mal mehr oberflächlich.
Auch meiner Ansicht nach war die Stimmung deutlich anders, viel ernsthafter, erwachsener, als in Staffel 1 und großteils auch Staffel 2. Und wir sehen eine Charakterentwicklung bzw. neue Seiten an einem Pony, das bisher auch eher flach dargestellt war: Celestia!
Geht schon vor dem Intro los, noch bevor der Guard reingestürmt kommt. Wir bekommen hier tatsächlich mal das Alltagsgeschäft gezeigt: nichts von wegen freundliches Grüßpony, nee - dröger Papierkram, wie eben bei einer realen Kanzlerin / Managerin / Herrscherin vermutlich auch (Papierstapel und Schreibfeder vor dem Gesicht, ein Blatt wird ans Ende des Stapels levitiert).
Aber es geht noch besser: Twilights Briefing!
Hier ist nichts mehr mit der gütigen, liebevollen Regentin oder gütigen Lehrerin, die ich bisher ja eher in die Rubrik "freundliche Tante" eingeordnet hab. Nee: Celestia hat hier ein ganz anderes Format: 100% ernsthaft! Nix mehr lieb und nett, sie wird zwar nicht direkt unfreundlich, bleibt aber absolut streng sachlich. Das ist neu - mir zumindest. Rein sachliche Ebene, keine persönliche Ebene, dafür hat sie hier keine Zeit. Hier zeigt sie, daß SIE die Chefin im Raume ist, sie bestimmt, was passiert - ohne Widerrede. Und da ist auch nichts mehr mit freundlichem oder spaßigem Trolling, hat sich was -
serious business ist angesagt.
Und es geht noch weiter: Celestia beherrscht dunkle Magie?? Hätte ich mir zwar denken können, aber es dann doch zu sehen war schon gruselig... wenigstens für mich. Den Kristall levitieren: schön, das CE als magisches Modell-Hologramm erscheinen lassen: recht beeindruckend (ist schon deutlich mehr, als wir bisher von ihrer Magie gesehen haben), aber dann verfinstert sich ihr Blick, und es kommt buchstäblich schwarze Magie - was zum...?
Hätte ich von ihr nun nicht wirklich erwartet - das ist für mich das Zeigen von Eigenschaften, die man bisher nicht gesehen hatte.
Anschließend gibts gar keine lange Diskussion und auch keine weitere Hilfestellung - Twilight, du kennst deinen Auftrag, und jetzt raus. Rums, Türe zu, sieh zu, wie du zurecht kommst... so eine Celestia hatten wir in Staffel 1 und 2 nicht!
Dann wollen wir mal... auf in Richtung Hoher Norden. Wir bekommen Sombra zu sehen, gleich mal was zu dem: wird ja hier in fast jedem Beitrag kritisiert, daß der zuwenig Tiefe und keine Persönlichkeit bekommen hat. Ich sage: gerade das macht ihn für mich so schaurig und furchteinflößend! - Eine der Urängste der Menschen (also der Zuschauer) ist die Angst vor dem Unbekannten (absurderweise konterkariert von unserer Neugier) und vor der Dunkelheit (genetisches Erbe, Nacht und Dunkelheit bedeuteten für die frühen Säugetiere der Erde stets Gefahr durch nachtaktive Raubtiere). Und diese Kombination aus beidem - unbekannte Dunkelheit - wird die ganze Zeit über aufrecht erhalten, und durch die Wolke kann sich auch die Gestalt jederzeit ändern (was sie leider nicht tut). Dagegen kamen mir die anderen "Endboss-Gegner" viel weniger furchteinflößend vor: NMM war bekannt, ihre Motivation war klar, ihre Geschichte - naja, alles ganz nett, aber damit war auch sofort klar, wie ihr zu begegnen war. Discord: für mich weniger ein erzböser Gegner als vielmehr einfach ein Chaot, ein Troll eben, mit jeder Menge Humor, aber nicht wirklich furchteinflößend. Chrysalis: fremdartig, ja, aber auch mit klarer Motivation, die enttarnte Chrysalis war so furchterregend nun auch wieder nicht. Anders Sombra in seiner Wolke: eben dadurch, daß man nichts über ihn weiß (die Ponys wissen nichts über ihn, nicht mal Celestia) und auch nicht erfährt, bleibt er richtig schön geheimnisvoll und dadurch potentiell bedrohlich. Daß er sich teilweise unterm Schutzschirm durchmogeln und schwarze Kristalle wachsen lassen kann, macht ihn für mich noch gegner-mäßiger.
Dann haben wir das CE: wirklich schönes Design und mal was völlig anderes. Ob da irgendwelche Merch-Interessen dahinterstecken, ist mir erstmal völlig egal, ich erfreu mich an den Bildern: neues Land (wenn wohl auch nur ein Stadtstaat, macht aber nichts), anders aussehende Ponys (Depri-Ponys / gut gelaunte Ponys / Crystal-Ponys, wobei ich bei letzteren hoffe, daß sie nicht so bleiben) und die Verwandlungen zwischen den einzelnen Stufen... einfach nur... wow
Jedenfalls für mich.
Die Mane5 müssen nun also das Fest organisieren und die Crystal-Ponys von dem falschen Herz fernhalten - alles hübsch gemacht. Auch die inzwischen vorhandene gegenseitige Vertrautheit zwischen den Hauptfiguren (RD trollt Rarity mit dem "nur ein weiteres altes Schloß") ist nett anzusehen, es gibt also auf jeden Fall Charakterentwicklung und nicht, wie in den meisten anderen Serien: nach Folgenende alles zurück auf Anfang, als ob nie was gewesen wäre.
Den Weg zum versteckten Crystal Heart fand ich richtig gut: klar, daß das Ding nicht offen rumliegt, war zu erwarten. Erste Überraschung für mich: wie denn, Twilight setzt jetzt auch finstere Magie ein?
Sie kann das also auch?! Gut, man könnte sagen, sie hat es sich im Briefing von Celestia abgeguckt - trotzdem: genau wie bei Celestia hätt ich diesen Zug von ihr nicht erwartet, die gute Twili kann offenbar auch deutlich mehr, als man ihr von außen her ansieht. - Unendliche Treppe nach unten, die dann doch nicht so sehr lang ist: gute Idee... auch, daß sie nur durch Magie überhaupt sichtbar ist, ist schon erstmal gut. Klar, aus dem ganzen Felsen-Treppenhaus hätte man noch mehr machen können... ich könnte die entsprechenden Szenen ja mal im Wolfgang-Hohlbein-Cthulhu-Mythos-Stil neu schreiben, das wäre dann aber schwer zu zeichnen (etwa in der Art "Sinnverdrehende Linien, eine Treppe, die nach oben und unten gleichzeitig zu führen schien und von der jede Stufe eine andere Höhe und Größe hatte; Winkel, die mehr als 360° betrugen; Flächen, die der euklidischen Geometrie Hohn sprachen; Parallelen, die sich auf absurde Art zu schneiden schienen, dazu ein ungesundes, krank aussehendes grünliches Leuchten in der Luft, das aus keiner auszumachenden Quelle kam... die gesamte Umgebung war eindeutig nicht für die Sinne eines Ponys gemacht. Twilight versuchte, die einander widersprechenden Sinnesempfindungen, die diese Treppe des Wahnsinns und das auf unmögliche Art in den Felsen gehauene Treppenhaus in ihr hervorriefen, zu ignorieren, so gut es eben ging, und tastete sich mühsam Stufe für Stufe in die Tiefe, nur um nach wenigen Stufen (wieviele es waren, konnte sie selbst nicht sagen, denn in dieser Umgebung versagte ihr Verstand - sie hatte rein instinktiv die Stufen zählen wollen, wußte aber bereits nach kurzer Zeit nicht mehr, ob sie nun fünf, zehn, fünfzig oder hundert Stufen hinter sich gebracht hatte) schweißgebadet und zitternd stehenzubleiben. Aus undefinierbarer Entferung hörte sie Spikes Stimme und drehte den Kopf in die Richtung, aus der sie zu kommen schien, nur um festzustellen, daß der Eingang zu dieser Treppe zwar einerseits nur wenige Meter über ihr lag, andererseits aber gleichzeitig hunderte Meilen entfernt zu sein schien, so daß sie Spike nur als winzigen Schatten im Rahmen der Öffnung erkennen konnte.") und wohl für the Hubs Nachmittags-Familienprogramm auch nicht mehr zu gebrauchen.
Dann die Tür des Wahnsinns... nicht genug damit, daß die Tür (!!!) erst mindestens dreimal ihre Position ändert und nur durch Magie fixiert werden kann, nein, sie führt erstmal in den schlimmsten Alptraum: in die persönlichen größten Ängste, vor denen kein Lebewesen flüchten kann; und man muß die richtige Magieart (!) anwenden, damit die Tür sich wirklich öffnet und man durch eine Art
Tor auf die nächste Treppe kommt. - Diese ist dann anscheinend wirklich unendlich, auch das ein sehr beliebtes Alptraumelement - die Treppe, auf der man läuft und läuft und läuft, ohne vom Fleck zu kommen; sehr eindrucksvoll beschrieben in
Der Hexer von Salem Buch 3: Der Dagon-Zyklus, in welchem die Figur Sarim de Laurec auf eine ebensolche Treppe trifft. Twili muß erstmal auf die Idee kommen, ihren Reverse-Gravity-Spell zu gebrauchen - whoa, das ist schon höhere Magie und höheres logisches Denken! Kinderserie oder gar liebe kleine Mädchen, anyone? Mit Sicherheit nicht! Zumal die zeichnerische Darstellung gelungen ist: man drehe das komplette Bild um Twily und Spike herum! Whoa! Das geht straff in Richtung Surrealismus! - Hätte man nur noch mit surrealistischen Bildern á la Treppen in alle möglichen Richtungen, die ineinander übergehen, toppen können - aber das wär des Aufwandes wohl wirklich zuviel geworden, vor allem für die kurze Sendezeit.
Dann die Lektion der Folge: die Selbstaufgabe... stimmt, ganz, ganz wichtig für Führungskräfte (kennt man von Captains, wenn sie sich an den alten Ehrenkodex halten: der Captain verläßt sein Schiff auch in der größten Gefahr als Letzter, auch wenn das den eigenen Untergang bedeutet); hier: Twily läßt vermeintlich ihren Test sausen, um das CE zu retten, indem sie Spike das Herz überbringen läßt. Ganz wichtig... noch in "Lesson Zero" war es genau umgedreht, Twily hat damals alles andere ins Chaos gestürzt, nur um ihren Dickschädel durchzudrücken, hier dagegen erkennt sie die schon fast vulkanisch anmutende Logik:
The needs of the many outweigh the needs of the few, auch wenn das bedeuten kann, daß sie bei Celestias Test durchgesegelt ist. - Löblich, daß Celestia das anerkennt... sehr, sehr löblich, aber auch klar; letztlich ist sie ja selber eine Anführerin.
Da sind wir wieder bei Celestia: klar, daß sie für Twily große Pläne hat... was auch ihre plötzliche Ernsthaftigkeit erklärt und die Tatsache, daß sie die Rettung eines gesamten Reiches eben *nicht* selber macht, sondern als Test von ihrer besten (und einzigen?) persönlichen Schülerin erledigen läßt. Nach dem Motto
Mal sehen, ob sie DAS schafft, wenn ja, dann ist sie wirklich bereit für höhere Aufgaben - Charakterentwicklung! Nicht gerade typisch für eine reine Kinderserie. - Klar, wäre Twily nicht zurechtgekommen, hätte Celestia immer noch kommen und selber alles geradebiegen können, das wär für sie sicher kein Problem gewesen - aber sie wollte ja sehen, ob ihre Studentin eben auch mit größeren Aufgaben fertig wird. - Damit läßt sich kein Merch verkaufen, ist klar, es braucht also künftig wirklich größere Aufgaben für Twily, eine veränderte Twily (wissen wir ja inzwischen), eventuell auch neue und mehr Figuren... das geht direkt in Richtung sich ausbreitendes MLP-Universum, würde ich sagen.
Fast verblaßt sind dagegen Shining Armor und Cadence. Weil einige geschrieben haben, Cadence hat ja die ganze Folge über nichts gemacht: ooooh doch
Zwar nichts Sichtbares, aber einen Schutzschild über den Stadtstaat aufzubauen und schon werweißwielange aufrecht zu erhalten, ist eine geistige Höchstleistung - kann mir vorstellen, wie kräfteraubend das für sie war. Die nötigen Energiemengen müssen gewaltig gewesen sein, ich bezweifle, daß Shining dazu in der Lage gewesen wäre, auch mit intakter Magie - jedenfalls nicht über einen längeren Zeitraum - Dann der Cadence-Weitwurf: war für mich nun kein WTF-Moment wie für andere hier, sondern eher logisch und folgerichig... immerhin ist Cadence von Natur aus als Alicorn ein flugfähiges Wesen, war aber wohl durch ihren langen Magie-Einsatz zu geschwächt, um eigenständig starten zu können (der Start ist bei allem, was fliegt, das, was am meisten Energie kostet, ist man einmal in der Luft, braucht man deutlich weniger. Vgl. RL-Flugzeuge: beim Start braucht man stets 100% Triebwerks-Leistung, direkt nach dem Abheben und im stabilen Steigflug kann man eventuell schon auf 90% zurückgehen, auf Reiseflughöhe fliegt man meist nur mit 70 bis 80% Triebwerksleistung). Shining hat ihr also nur Starthilfe gegeben - ähnlich wie die Dampfkatapulte auf RL-Flugzeugträgern, die die Flugzeuge auch erstmal "wegwerfen", weil sie aus eigener Kraft auf dem vergleichsweise kurzen Schiff nie und nimmer würden starten können bzw. nie die erforderliche Geschwindigkeit erreichen würden, sie würden einfach nur ins Wasser klatschen ohne diese "Wurf"-Starthilfe der Katapulte, die sie eben ausreichend beschleunigen. War für mich also nur logisch - wenn man sich eben darauf einläßt, daß man es hier mit flugfähigen Ponys und nicht mit Menschen zu tun hat.
Das alles läßt mich auch über kleinere Schwächen hinwegsehen - deshalb von mir: 5/5 !
Ich war nach der Doppelfolge hin und weg... und ich geb euch recht: der Stoff hätte für einen 90-min-Kinofilm ganz gemütlich gereicht, und es wäre ein
Film geworden.