(06.03.2014)Lihannanshee schrieb: Erklär mir doch mal, was du mit deinen Mäusen so machst.
Aufschneiden wirst du sie wohl nicht und mit Kosmetika einschmieren auch nicht.
Vllt das Testen verschiedener Stoffe auf den Organismus?
Verhaltenstests? Kläre mich auf.
Nagut.
Aufschneiden tat ich schon mal. Allerdings wurden sie in einer CO2-Kammer (auch nicht vor den Augen der anderen) vorher schmerzlos umgebracht, sodass die Organe langsam sich abschalten. Der Genickbruch (das einfache Trennen zweier Halswirbel mit einem Stift) ist lediglich eine Sicherheitsmaßnahme.
Der Grund für solche Taten: wenn Medikamente nicht angeschlagen sind und das Tier Gefahr läuft, unvorhersehbare Konsequenzen von sich zu tragen, kommt die wahre Qual durch die Folgen. Bei Tierversuchen tappt man gerne im Dunkeln und man kann diese Folgen nie genau vorhersagen. Ich kann aber sagen: es ist besser, das Tier schmerzlos umzubringen, als es den Folgen eines nicht angeschlagenen Medikamentes erliegen zu lassen. Sowas ist halt ein Missglückter versuch - passiert oft. Aber aus der Entnahme von Organen kann man Erkenntnisse gewinnen, was genau falsch gelaufen ist. So kann man evtl. auch wieder weitere Misserfolge vorbeugen. Beim Töten muss übrigens ein Brief an den Tierschutzbeauftragten geschickt werden. Sowas darf niemals spontan und nach Lust und Laune gemacht werden.
Solche Fälle, wo Misserfolge zu Qualen des Tieres führen, sind aber nicht die Regel. Manchmal passiert gar nichts gravierendes, manchmal baut der Organismus die Inhaltsstoffe einfach ab und manchmal kommen sie meist so raus, wie sie eingenommen wurden.
Aber Kosmetika sind in unserem Institut Wurst. Wir machen mit solchen Dingen nichts und für mich wäre das auch sinnlos, Tierversuche wegen Wimperntusche für Madame Schönheit aus Hollywood zu machen.
Für Untersuchungen gibt es verschiedenste Applikationsarten von Wirkstoffen, die verwendet werden:
Subcutan - unter die Haut mit z.B. der Bildung einer Hautfalte im Nacken und Spritzen unter der Hautdecke
Intraperitoneal - Einstechen durch die Bauchdecke in den Bauchraum im rechten Winkel. Die Stichtiefe beträgt aber nur 5mm und Organe werden weder angefasst, noch beschädigt durch die Spritze.
Intravenös - Einspritzen in die Schwanzvenen, dort verspürt das Tier am wenigsten Schmerz und man kann dort zielgerichtet eine Vene treffen (die Dimensionen bei einer Maus sind halt klein, die Schilddrüse ist z.B. so groß wie ein Bleistiftpunkt auf einem Blatt Papier)
Oral - meist per Os (über Speiseröhre). Ein kleines Röhren, welches an einer Spritze angeschlossen ist, wird in die Röhre bis in den Magen geschoben und dort wird direkt der Wirkstoff appliziert. Klingt schmerzhafter, als es ist. Die Maus würgt nicht, beim kleinsten Widerstand beim Einführen muss abgebrochen werden und das Röhrchen ist klein genug, damit es schmerzfrei genutzt werden kann.
Ab und zu wird auch Blut entnommen, um Abbauprodukte oder Reaktionen im Körper nachzuweisen. Hierzu wird immer die Schwanzvene genommen, zumal die Blutmengen, die man bekommt, verdammt gering ist. Bei mehreren Blutabnahmen müssen Erholungspausen für das Tier eingehalten werden, zudem gibt es ein Maximum, wie viel man insgesamt entnehmen darf. Die Spritzen sind steril und für gesunde Tiere sind in der Regel keine Nebenwirkungen mit einzuberechnen.
Narkosen sind Pflicht, wenn nicht schmerzfreie Eingriffe durchgeführt werden müssen. Dazu habe ich aber keine Berechtigung, das dürfen nur autorisierte Personen wie z.B. Tierärzte oder Mediziner durchführen.
Verhaltensforschung ist bei uns eher untypisch allerdings wird bei den Tieren auf vieles geachtet:
- Sie müssen an die Umgebung gewöhnt sein, ich darf keins in ein anderes Labor schleppen und da "bearbeiten"
- Sie müssen sich an den Umgang gewöhnen. Das Personal muss geschult sein, wie man das Tier richtig anfässt und handhabt
- Sie werden meist an experimentelle Bedingungen trainiert (bei der ersten Blutabnahme ist keine Maus ruhig)
- Hektik und Lärm muss vermieden werden. Umsichtiges und ruhiges Handeln ist Pflicht
- Für das Tier unangenehme Prozeduren müssen sicher und vor allem zügig durchgeführt werden
- Die Aufbewahrung mehrerer Mäuse in verschiedenen Käfig ist absolut wichtig und knifflig. Die Mäuse üben nämlich auch Dominanz in ihren Käfigen. Packt man eine Maus in den falschen rein, gibts Zank, noch mehr Stress und evtl. Verletzungen. Eine wurde sogar mal totgebissen ... und das lag nicht an irgendwelchen Substanzen, die sie gespritzt bekommen haben.
Jede Maus muss eindeutig gekennzeichnet sein (von Alter und Geschlechtsreife, bis hin zu Gewicht, Größe und auch, ob es schon mal einige Versuche durchlebt hat und schon evtl. gewöhnt ist oder noch gestresst ist und es erstmal in Ruhe gelassen werden muss.) Früher wurden dafür Zehenamputationen gemacht, das ist heutzutage aber strikt verboten!
Wir zeigen so viel Umsicht für das Tier, wie es nötig ist ohne die Forschung großartig zu erschweren.
Mehr mache ich momentan kaum und mehr fällt mir auch nicht ein. Da Labormäuse nahezu immer für Tierversuche genutzt werden, unterscheiden sich solche Handhabungen mit ihnen nicht großartig von anderen Instituten. Mäuse kommen ums Leben, das ist war. Aber wir fangen keine aus der Wildnis, wir achten auf eine gesunde Aufzucht, das Töten geschieht oft aus Sicherheitszwecken (auch für das Tier selbst, ein Magenriss z.B. ist nämlich nicht angenehm für die Maus).
Ach ja: ich darf den Tieren keine Namen geben. Sonst versuche ich ja noch, Mitleid mit denen zu haben ... armer Speedy!