Achja die Wachmacher. Hier mal meine Erfahrung beim letzten 12 Stunden Dienst am Wachturm:
Zu Dienstbeginn um 21:00 war ich noch gut drauf, ein simpler Kaffe mit Milch den ich mir im Becher mitgenommen hatte war ausreichend.
Gegen Mitternacht wurde es etwas zäh, also das erste Red Bull aufgemacht und weiter gings. Nach nur einer halben Stunde das zweite Red Bull und dann nach fünfzehn Minuten das nächste Red Bull und die traurige Erkenntnis, dass es am Turm oben keine Toilette gibt. Nach einem hektischen Funkspruch an die Bereitschaft ließ sich das Problem doch lösen. Die Müdigkeit war für kurze Zeit besiegt doch kam zurück wie ein Zeuge Jehovas am Sonntag. Die Kampf war erbarmungslos und doch musste ich einsehen, dass ich ohne Verstärkung bald überrannt werden würde. Es wurde Zeit die schweren Geschützte aufzufahren. In einer kleinen Munitionskiste lag meine Geheimwaffe: Eine Espressokanne und ein Camping-Kocher.
Schnell war der erste Espresso gebrüht und nach nur zwei Minuten Kopfschütteln auch sein grauenhafter Geschmack nicht mehr so schlimm dass er mir die Geschmacksnerven von der Zunge ätzen wollte. Die Uhr am Handy zeigte gerade mal zwei Uhr Morgens. Noch sieben Stunden vor mir. Alles kein Problem. Der bittere Geschmack meiner Hausmischung würde mich noch wach halten. Die Stunden zogen ins Land während ich streunende Hunde durch mein Nachtsichtgerät beobachtete weil, Hand aufs Herz, was anderes gabs nicht zum Beobachten. Kurz abgelenkt wurde ich von der Eule die sich in dem Baum neben dem Camp-Zaun einnistete. Doch trotz dieses mannigfaltigem Angebot an Entertainment kam die Müdigkeit zurück und sie brachte Verstärkung mit.
Challenge Accepted! Der Camping Kocher wurde erneut angeheizt und nachdem ich dem panischem Wachkommandanten erklärt hatte, dass nicht der Wachturm brennt sondern das Feuer für meinen Kaffee war, wurde auch schon gebrüht. Mmmmh Köstlich! Wie eine sanfte Brise Glassplitter die einem an einem sonnigen Tag das Gesicht zerfetzt. Ich konnte aus dem Augenwinkel den mitleidigen Blick der Eule sehen, winkte ihn jedoch ab. Sie solle sich um ihren eigenen Kram kümmern. Die Wirkung war wie zuvor, doch hielt sie nicht mehr so lange an. Alle halbe Stunde wurde der Kocher neu angeheizt und nachdem ich mir ziemlich sicher war, dass man meinen Herzschlag selbst durch die Kampfweste sehen konnte, wurde mir ein grauenhafter Umstand bewusst. Ich hatte kaum noch Wasserreserven. Erneut die Bereitschaft anzufunken war keine Frage. Es waren ja nur noch 4 Stunden Dienst. Ein Plan musste her!
Mit meinem Planungsstab, namentlich dem Beagle-Mischling der vor Zaun spielte und der Eule hatte ich eine Strategie ausgearbeitet, die mir den sicheren Sieg über die Müdigkeit bringen würde. Der taktische Campingkocher wurde angeheizt und mit den spärlichen Reserven aus meiner Wasserflasche gefüllt. Das dumpfe Brodeln von dem ich mir nicht sicher war ob es aus der Kanne oder meinem Magen kam durchstach die Stille der Nacht. Fertig gebrüht würde sich nun der Modus Operandi ändern. Schluss mit Kinderkram, jetzt gings um Männlichen Kaffee! Kaffee so männlich dass dem Becher beim Eingießen Brusthaare wachsen würden! Der fertig gebrühte Kaffee landete im Becher nur um danach wieder zurück in die Kanne zu fließen. Nun wurde doppelt gebrüht!
Die zähflüssige Masse die mehr an das Motoröl eines Leopard 2 Kampfpanzers erinnerte als ein auch nur im entferntesten genießbares Heißgetränk füllte den Becher. Kurz sah ich die Seele des Bechers in einem kreischenden Anflug von Suizid seine Plastikhülle verlassen und in den Nachthimmel steigen. Die Eule salutierte dem gefallenem Kameraden. Der Hund jagte seinen Schwanz. Mit mehr als fragwürdigem Blick sah ich das Totenkopfmuster an welches sich im Becher gebildet hatte. Nuc est Bibendum! Der Todeskaffee verätzte was noch übrig war von meinen Geschmacksnerven und zog sich wie brennendes Öl meine Kehle hinab. Aus der Distanz hörte ich die Eule, sie war sich unsicher ob ein Puls über dreihundert gut war für einen Wachsoldaten. Ich winkte ihre Bedenken ab und erinnerte sie daran, wer der eingetragene Kommandant hier war. Nach einer kurzen Entschuldigung der Eule widmete ich mich wieder der Beobachtung. Das Nachtsichtgerät schaltete ich ab da ich auch ohne in der tiefschwarzen Nacht jede Grille erkennen konnte. Wenn ich mich zurückerinnere, dann war ich mir sogar ziemlich sicher, dass ich Farben hören und die Geräusche riechen konnte.
Ausgestattet mit diesen neuen Fähigkeiten waren die restlichen 2 Stunden Dienst kein Problem mehr. Die Eule wurde trotz ihrer vorherigen insubordination von mir zum Gefreiten befördert für ihre beispiellose Treue und Kameradschaft während der Hund unehrenhaft entlassen wurde. In einem Anflug von Feigheit hatte er seinen Posten dessertiert und war geflohen. Eine Schande für Volk und Vaterland. Die ersten Sonnenstrahlen legten sich auf das Land. Mit dem Herzschlag eines Kollibris überwachte ich die Gegend und sah auf meine Vorräte. Eine letzte Brühung! Mit einer Hand die das Zittern schon lange hinter sich gelassen hatte und in höhere Gefilde des Koffein-induzierten Deliriums entschwunden war füllte ich die Kanne erneut. Doppelt gebrüht, selbstredend! Doch dies war mein letztes Wasser. Alles oder nichts! Dreifach gebrüht!
Nach einem Hinweis an die Kanne ihr gequältes ächzen sofort einzustellen wurde das schwarze Gold aus ihr "gegossen". Ich musste zwar mit meinem Feldmesser nachhelfen sie aus der Kanne zu bewegen, doch es sprach nichts gegen den Einsatz von etwas militärischer Zärtlichkeit. Nachdem die gallertartige Masse den ersten Becher geradewegs weggeschmolzen hatte wurde der Edelstahlbecher zum Dienst berufen. Ich verlor beim umfüllen zwar meine Augenbrauen, doch der Dampf sorgte wenigstens dafür, dass ich mich auch die nächsten Tage nicht mehr rasieren musste. Entgegen seinem Versprechen äußerte die Eule erneut ihre Bedenken und wurde von mir scharf an ihre kürzliche Beförderung erinnert. Das Intermezzo mit dem Kameraden beendet, war es Zeit für den finalen Kaffee. Nach nur wenigen Minuten des Kauens war er dann auch bereit geschluckt zu werden. Zwei Stunden später sollte die Wachablöse kommen und mit Augen die ins Herzen des Universums und zurück gesehen hatten begrüßte ich den Kameraden und übergab ihm die Wache.
So viel zu meiner Erfahrung mit Kaffee und Red Bull