Was manche Lobbygruppen doch alles bereit sind zu schreiben, nur damit man Ablehnung in der Bevölkerung auslöst ist immer wieder erstaunlich. In diesem Falle für mich auch nur mit ideologiebegründeter Blindheit zu erklären.
Also, hier eine Erklärung was dahinter steckt und wie der Prozess funktioniert:
Ein Konzern möchte sein genetisch verändertes Saatgut in Europa verkaufen. Dafür gibt es einen Zulassungsprozess der EU und dieses Verfahren findet auf jeden Fall statt, wenn Saatgut angeboten werden soll.
In Europa ist nur eine Minderheit der Staaten überhaupt für Gentechnikeinsatz, allerdings war die Minderheit immer groß genug, dass ein komplettes Verbot verhindert werden konnte. Einige Staaten wollen das Zeug eben trotzdem anbauen dürfen, wenn die EU Richtlinien erfüllt wurden.
Weil man sich über Jahre nicht einigen konnte, nahm man irgendwann den bürokratisch aufwändigeren, aber einzig umsetzbaren Weg. Nationale Selbstbestimmung. Die EU durchläuft das Verfahren, aber die Mitgliedsstaaten können selbst entscheiden. Genau genommen sogar nur die Regionen, weshalb es theoretisch denkbar ist, dass in einigen Bundesländern ein Saatgut zugelassen wird, in anderen nicht. "gentechnikfreie Region" ist ein Terminus der auf diese Rechtslage zurückgeht und den der ein oder andere vielleicht schon mitbekommen hat.
Dieses so genannte "Opt-Out" kann auf zwei Wegen stattfinden. Phase 1 findet dabei während dem Zulassungsverfahren statt. Der Staat kann den Antragssteller bitten, das eigene Territorium von der Zulassungsanfrage auszunehmen. Dazu kann niemand den Antragssteller zwingen, aber die Möglichkeit besteht. Wenn Global2000 behauptet, der Staat müsse in dieser Sache den Konzern um "Erlaubnis" bitten, dann ist das eine schlichte Lüge, die bestenfalls auf mangelhaftes Textverständnis bei der Verordnung, schlimmstenfalls auf bewusste Täuschung der Massen zurückzuführen ist. Ich tippe auf letzteres, weil diese Leute bei ihren Behauptungen dazu grundsätzlich keine Links zu ihren Quellen anzubieten scheinen.
Bevor jetzt jemand denkt, dass diese freiwillige Regelung ja doch nichts bringt: Es gibt noch eine Möglichkeit für den Staat das Anbauverbot durchzusetzen. Dies wird aber erst fällig, wenn die EU bereits entschieden hat, dass nach ihren Richtlinien das Saatgut zugelassen werden kann. Wenn das Zeug also in Europa bereits erlaubt ist, dann kann die Region erklären, dass sie auf ihrem Territorium ein Anbauverbot erklärt. Dieses Verbot muss begründet werden und zwar mit umwelt- oder agrarpolitischen, oder auch sozioökonomischen Zielen des Staates.
In einer dritten Methode gibt es außerdem noch die Möglichkeit, dass ein Staat aus Gesundheitsgründen das Verbot durchsetzen will. In diesem Fall muss der Staat allerdings selbst nachweisen, dass er berechtigten Grund zu der Annahme hätte, dass die Zulassung auf unzureichenden Informationen basierte. Wenn der Staat also beispielsweise Studien vorlegen kann, die die schädliche Wirkung auf Umwelt oder Gesundheit nachweisen sollen. Dann greift die so genannte Schutzklausel und der Staat darf den Anbau auch dann so lange verbieten, bis die Zweifel ausgeräumt werden konnten.
Warum dieser Aufwand? Naja, an der europäischen Zulassung für Saatgut wollte man nicht grundsätzlich rütteln. Aber die Lager waren in dieser Frage zu verschieden. Indem die Konzerne jetzt ihren Antrag anpassen können, kann der Staat theoretisch eine Lösung finden, bei der er keine weitere Begründung für ein Verbot finden muss. Gibt es keine Einigung durchläuft der Antrag ganz normal das Zulassungsverfahren. Wird die Zulassung abgelehnt ist die Sache ohnehin erledigt, weil das Saatgut in ganz Europa verboten ist. Wie dem Antrag stattgegeben, dann hat der Staat jetzt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sich Begründungen für ein lokales Verbot des Anbaus einfallen zu lassen. Wäre Global2000 nicht so ideologieblind, dann würden sie das auch erkennen und den Vorteil an der Opt-Out Lösung erkennen, anstatt offensichtlich weiterhin das tote Pferd eines gesamteuropäischen Verbotes reiten zu wollen. Insbesondere übrigens wieder beeindruckend, dass man mit der Behauptung, die Staaten müssten bei den Konzernen um Erlaubnis bitten, porblemlos eine halbe Millionen Stimmen bekommen kann. In ihrer Systemkritik sind offensichtlich genug Menschen bereit jede Frage nach der Plausibilität einer solchen Behauptung ruhen zu lassen, so lange man sich nur gehörig empören kann.
Nevermind. Ich hoffe die kleine Ausführung konnte dir helfen Heavy. Das Gesetz ist nicht abgelehnt worden, sondern rechtliche Regelung im heutigen Zulassungsverfahren. Global2000 hat einfach nur Tatsachen verdreht um einen besseren Narrativ zu erzeugen.
Übrigens, die genetisch veränderten Sorten über deren Zulassung damals mit dem Opt-Out Verfahren entschieden wurde sind heute in Ländern wie Spanien, England, Tschechien und Schweden auf dem Markt. Andere Länder wie Deutschland und Österreich, oder auch die Region Wallonien in Belgien haben die Antragssteller gebeten ihren Antrag anzupassen und keine Zulassung zu verlangen und die so unglaublich bösen und gierigen Konzerne haben dem auch zugestimmt. Nur um die Perspektive auf die Macht dieser Konzerne mal ein bisschen zu erden.
Den Wind können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen.
- Lucius Annaeus Seneca -