Wieso, was bringen die RPG Elemente? Ich könnte jetzt meinen Text RPG vs. Spielspaß posten... Ach fuck it, ich mach das mal einfach im Spoiler.
RPG vs Spielspaß?
Heutzutage haben wir eine wahre Flut an RPGs auf dem Spielemarkt: Seien es dabei die etlichen MMORPGs, die einem im Netz zum Großteil als F2P Titel erwarten oder "gewöhnliche" Singleplayer-Spiele, die entweder Vollblut-RPGs sind oder zumindest eine RPG-Komponente eingebaut haben. Doch die Frage ist: Ist das wirklich gut? Bzw. besser noch: Macht das wirklich Spaß? Oder steht das Konzept RPG dem Prinzip des "Spielspaßes" eigentlich entgegen?
Dabei sollten wir zuerst feststellen, was eigentlich unter die Kategorie RPG fällt. Ich nehme dabei die größere Definition an, bei der alle Spiele unter diesen Bereich fallen, die einen oder mehrere Charaktere haben, deren Statuswerte man durch Training/Kämpfe verbessern kann. Dabei geht es dann von "Vollblut"-RPGs los, deren gesamte Spielmechanik auf diesem Prinzip basieren, bis hin zu Pseudo-RPGs, die diese Komponente nur als Zusatzfeature mit an Bord haben.
Um die o.g. Frage beleuchten zu können, sollte man wohl fairerweise die RPGs in mehrere Kategorien aufteilen. Dabei sollte man bedenken, dass RPGs meist nicht in sich abgeschlossen sind, ergo immer eine weitere Komponente benötigen, um ein spielbares Spiel zu werden. Da gibt es leider zu viel, um es komplett aufzuzählen, aber mal schnell die wichtigsten Zusätze:
- Adventure (linear oder quasi-linear): Das RPG hat eine Story, der man folgen kann bzw. oft muss. Der RPG Charakter zentriert sich in der Regel dann auch auf diese Story. Ergo verbessert man seine Spielercharaktere, um in der Story voranzukommen. Typischstes Beispiel: Final Fantasy, Diablo.
- Taktik/Strategie: Hier werden in der Regel mehrere Charaktere gesteuert, die in taktischer oder strategischer Manier gegen gegnerische Truppen angeführt werden. Meistens kommt eine Story dazu, die den Grund des Konflikts darstellt. Dies ist jedoch nicht zwangsweise nötig. Typischer Vertreter: Fallout Tactics, Spellforce.
- FPS/TPS: Das Spiel ist in seiner Grundlage ein Shooter, hat jedoch RPG-Elemente, um den Charakter zu verbessern. Entweder künstlich (wie Treffergenauigkeit) oder natürlich (wie allgemeine Stärke, Geschwindigkeit). Das RPG rückt hier oft in den Hintergrund. Typische Vertreter: Mass Effect, GTA SA.
- Sportspiele: Ähnlich wie FPS/TPS: Das Spiel ist in seine Grundlage ein Sportspiel, aber zusätzlich hat der Charakter (oder die Charaktere), den man steuert, Fähigkeitswerte, die man durch spielen (und meist gewinnen) verbessern kann. Ein typischer Vertreter ist wohl die NBA-Reihe.
- Offene Geschichte: Der Spieler wird in eine Welt mit einer Geschichte geworfen. Dabei gibt es oft eine Hauptstory und viele Nebenstories, die man "durchspielen" kann, aber nicht muss. Damit das funktioniert, kommt eine Art Open World Charakter o.ä. hinzu. Wohl bekanntester Vertreter ist Skyrim, aber auch so Spiele wie World of Warcraft.
- Sonstiges: Hier fallen alle Spiele rein, die meist künstlich das Spiel durch RPG Elemente "aufwerten", wie etwa Rennspiele mit "Können" des Fahrers (obwohl man ja selbst der Fahrer ist), Wirtschaftssimulationen, wo man z.B. bessere Preise oder Kontakte mit höherem Level bekommt, allgemein Simulatoren, die RPG Elemente einbauen.
Natürlich sind die o.g. Kategorien nicht ganz sauber, sollen aber vor allem illustrativ die Spiele einordnen. Gerade bei Diablo kann man sich streiten, ob es tatsächlich ein Adventure ist. Hier passt der Term Hack 'n' Slay besser, jedoch geht es bei der Kategorie mehr darum, dass man einem mehr oder minder festen Pfad folgt. Nehmen wir diese Spielekategorien nun also auseinander:
Adventure + RPG
Hier gleich die erste Frage: Wozu brauche ich den RPG Charakter in einem Adventure? Das Stärkerwerden ist in der Regel nur eine Illusion, die künstlich geschaffen wird. Tatsächlich ist man meist immer gerade so stark, wie man es für den nächsten Boss sein muss. Das Zurückkehren in vorherige Gegenden kommt vor, ist aber eher selten. Und der flüchtige Spaß am "Stärkersein" ist spätestens dann weg, wenn man den gleichen Gegner zum 20. Mal in Folge erledigen muss. Überhaupt arten solche Spiele generell in grundloses Grinding aus. Entweder, weil man noch nicht stark genug ist, um den Boss zu besiegen, oder weil der Dungeon o.ä. so endlos lang ist, dass man unterwegs auf etliche Gegner trifft. Die Schwierigkeit solcher Spiele ist dabei sehr fraglich, da das Spiel einfacher wird, je mehr Zeit man investiert. Die wahre Herausforderung besteht also in der Menge an Geduld, die man hat? Klingt nicht nach Spaß.
Würde es diesen Spielen tatsächlich einen Abbruch tun, wenn man den RPG Teil entfernt? Ergo ein reines Adventure mit Kampfkomponente draus macht? Wohl eher nicht. Diablo 3 macht es schon vor: Es gibt zwar noch einen RPG Teil, dieser ist jedoch vernachlässigbar. Im Prinzip geht es nur noch um Exploration, Monster schlachten und vor allem Items sammeln. Überhaupt gibt es bei vielen solcher linearer Adventure-RPGs nur eine sinnvolle Möglichkeit, seine Charaktere zu leveln, wodurch auch der eventuell spannende Entscheidungsaspekt wegfällt. Oft wird der sowieso vom System übernommen. Kann man hier also tatsächlich von Notwendigkeit sprechen? Offenbar nicht. Und hat es was mit Spielspaß zu tun? Nein, leider nicht.
Taktik/Strategie + RPG
Dieser Mischung war ich gegenüber immer schon skeptisch: Wieso sollte ich die Charaktere, die ich in den Krieg ziehen lasse, noch leveln müssen? Strategiespiele und auch Taktikspiele sind sowieso schon oft sehr komplex und eine Herausforderung für die grauen Zellen. Wenn ich mich jetzt also noch um das Leveln eines oder mehrerer Charaktere kümmern muss, wie soll ich das als Spieler noch überblicken? In der Regel werden daher bei solchen Spielen Abstriche in der Tiefgründigkeit gemacht. Was man daher erhält, sind oft eher langweilige Strategiespiele mit RPG Komponente. Oder langweilige RPGs mit Taktikkomponente. Letzteres haben dabei noch eher spannende Aspekte, da hier die wenigen Charaktere, die man oft dauerhaft hat, klug eingesetzt werden müssen. Tatsächlich ist hier jedoch trotzdem die Frage, wieso diese Charaktere Level haben müssen?`Andere Taktikspiele zeigen, dass dafür keine Notwendigkeit besteht. Das Spielprinzip verändert sich nicht. Mehr Spaß macht es dadurch auch nicht. Ergo ist die RPG Komponente eher ein Zusatz, an dem wenig Interesse beim Spielen besteht. Außerdem sollte man auch bedenken, was passiert, wenn man viel Zeit investiert: Dann kann es passieren, dass die Taktikkomponente quasi wegfällt, da das Team so stark gegenüber dem Gegner ist, dass, egal, wie man vorgeht, man erfolgreich ist. Und dann ist das Spiel wieder zu einem reinen Geduldsspiel abgestumpft.
FPS/TPS + RPG
Diese Kombination hat oft das Problem, dass die RPG-Komponente zu künstlich wirkt. Wieso sollte ich bei einem FPS schlechter treffen, wenn ich doch derjenige bin, der den Charakter steuert? Und dann auch weiterspinnend: Wieso sollte das Spiel am Anfang schwerer sein als zum Ende hin? (wo mein Charakter ja dann offenbar gut trifft) Oft wird das dann so gelöst, dass auch meine Gegner am Anfang schlechter treffen, ergo ein ausgeglichenes Verhältnis herrscht. Aber wie sinnvoll ist das? Schließlich möchte ich mich als Spieler ja verbessern und nicht durch die Treffgenauigkeit meines Spielercharakters eingeschränkt werden. Es gibt zwar auch "natürliche" RPG Elemente, wie Geschwindigkeit, die einen etwas schneller macht oder Sprunghöhe oder ähnliches, jedoch sind die Verbesserungen oft so nebensächlich, dass es kaum Unterschied macht, ob ich darauf geachtet habe oder nicht. Es gibt Ausnahmen, wo es tatsächlich einen großen Unterschied macht, ob ich die paar cm höher springen kann oder nicht, aber das ist eher selten. Hier also auch wieder: Notwendigkeit? Nein. Spielspaß? Nein.
Anmerkung: Mass Effect enthält seine RPG-Komponente vor allem durch die Items und Sonderfähigkeiten. Diese haben einen starken Einfluss auf die Güte der Charaktere und sind auch nicht allzu künstlich, jedoch kommt hier die gleiche Frage wie bei den Adventure RPGs auf: Wieso? Im Endeffekt ist Mass Effect nämlich auch nicht mehr als das.
Sportspiel + RPG
Im Prinzip brauche ich hier nicht viel zu sagen, da es ähnlich zu den FPS ist. Es leidet nur noch schlimmer unter den Problemen. Warum ist mein Spieler am Anfang so derb schlecht, dass das Spiel extrem hart ist? Das Training des eigenen Spielers entspricht dabei im Wesentlichen das langsame Runterziehen des Schwierigkeitsgradreglers. Meist sind nicht mal die Gegner angepasst. Spielt man z.B. im NBA am Anfang in einem Profi-Team, so muss man sich auch gegen Profibasketballer stellen, die einem hart zusetzen. Man selbst wird dadurch darauf degradiert, nur zu unterstützen, bis man endlich gut genug ist, um tatsächlich was auszurichten. Oder man ist ein so derber Hardcore Gamer, dass man auch mit einem so schlechten Spieler was reißen kann. Es gibt zwar auch Spiele, wo sich die Gegnerstärke anpasst, z.B. indem man in den Ligen aufsteigt oder dergleichen. Aber hier stößt man dann auf die gleiche Frage, wie bei den Adventure RPGs: Wozu meinen Spielercharakter einschränken, wenn ich doch dieser sein soll? Ich sollte hierbei erwähnen, dass nichts gegen Spielererstellung spricht (Einstellung von Stärken und Schwächen), um das an seinen Spielstil anzupassen, aber wohl etwas gegen die Spielerprogression.
Offene Geschichte + RPG
Hier wird es etwas schwierig. In der Regel soll eine große (Fantasy-)Welt simuliert werden und der Spielercharakter ist Teil dieser Welt. An sich keine schlechte Sache: Der immer stärker werdende Held in einer mehr oder weniger unfreundlichen Umgebung, der sich durch verschiedene, selbstgewählte Prüfungen hindurchsäbelt und dabei Ruhm und Macht erlangt. Jedoch gibt es einen Haken: Die Welt ist oft nicht so lebendig und frei, wie einem vorgegaukelt wird. Bestimmte Regionen kann man erst nach Abschluss bestimmter Storyelemente betreten. Bzw. um in die Welt reinzukommen, muss man einem bestimmten Ablauf der Dinge folgen. Einige Spiele degradieren dabei sogar auf extreme Linearität, wodurch sie einem nur eine offene Geschichte vorgaukeln. Besonders schlimm fällt dies einem auf, wenn man auf einmal nicht mehr weiß, was man in der offenen Welt tun soll, weil es eigentlich nichts außer der Story gibt. Oder alternativ, wenn man mit einem neuen Charakter anfängt und wieder die gleichen langweilige Startmissionen durchspielen muss. Hier wird ein ganz anderes Problem offenbart: Die Story. Wieso kann ich die Welt nicht einfach ohne Story erleben? Schließlich möchte ich diese Story ja selbst erschaffen. Jedoch werden mir dafür in der Simulation in der Regel keine Möglichkeit geboten, wodurch ich mich an den Stories halten muss. Und so ist es am Ende ein nicht ganz so lineares Adventure RPG.
Auch der RPG Teil ist hier leider etwas fraglich. Klar, macht es Spaß, neue Dinge zu lernen und zu entdecken. Aber wieso muss ich erst 10 Level in meiner Intelligenz (oder ähnlich) hochleveln, damit ich Zauber XY lernen kann? Dieses Problem könnte man anders lösen, indem man sich mit der Magieschule (in diesem Fall) längerfristig auseinandersetzt und dann natürlichweise entdeckt, wie stärkere Zauber funktionieren. Das Raufsetzen von Statuspunkten ist zu künstlich. Stattdessen wäre es interessanter, wenn schwerere Zauber auch den Spieler mehr herausfordern würden, indem das Zaubern als solches schon ein Spielelement und kein Mittel zum Zweck wäre. Ähnliches gilt dann übrigens auch für Schwerter und Co. Oblivion und Skyrim versuchen das Prinzip vorzumachen, jedoch versagen beide im Zauberaspekt. Zaubern ist zu künstlich, aufgesetzt, wodurch viele automatisch eher zur Waffe greifen, statt Vollblutzauberer zu werden.
Sonstiges
Wie bereits in der Beschreibung von dieser Kategorie angedeutet, wird hier meist sinnlos noch eine RPG Komponente hinzugefügt. Wieso sollte sich mein Fahrerskill durch Attributswerte bestimmen lassen? Ich bin der Fahrer. Wieso sollte ich bessere Preise bekommen, weil ich ein Level Up habe? Bessere Preise kriegt man, wenn man Kontakte knüpft und diese gut pflegt. Das Aufsetzen von Statuswerten macht diesen Aspekt leider ziemlich dämlich. Um es also kurz zu machen: Notwendigkeit des RPGs: Nein, nein, nein. Bloß nicht.
Fazit
Die Frage, ob sich RPG und Spielspaß widersprechen, sollte man nicht abfällig und leichtfertig beantworten, jedoch ist in vielen Spielen die Komponente eher fragwürdig und trägt meist nicht zum eigentlichen Spielspaß bei bzw. macht diesen vielleicht sogar teilweise kaputt. Das soll nicht heißen, dass RPGs nicht ihre Berechtigung haben, jedoch sind sie wohlmöglich noch nicht so weit designtechnisch entwickelt, dass sie einen echten, wichtigen Stellenwert im Spielspaß bekommen können. Der Offene-Welt-Fantasy-Simulator macht dabei zwar einen guten Anfang, steckt aber vom Gameplay noch zu sehr in alten Kategorien (Adventure RPGs) drin und ist daher wohl noch etwas unausgereift.