RE: Brony auf dem Mars
Hab die One-Way-Ticket-to-Mars-Seite jetzt nicht komplett gelesen, ist mir viel zu viel und noch dazu in herrlich verschachteltem Englisch.
Ich bin aber doch erstaunt, welch fortschrittsfeindlicher Geist hier offenbar vorherrscht: "Flug zum Mars? So ein Quatsch! Dort leben? Völliger Unsinn!" usw., da hätte ich doch eine etwas andere allgemeine Meinung erwartet.
Nach allem, was ich bisher gelesen habe, bleibt der Menschheit gar keine andere Wahl, wenn sie denn als Spezies überleben will, als mittel- bis langfristig auf andere Planeten auszuwandern und die zu kolonialisieren. Brauchbare Exoplaneten (keine zu hohe Gravitation bitte, die würde uns zusammenpressen wie eine leere Coladose; nicht zu nahe am Zentralstern - ist zu heiß für uns; auch nicht zu weit weg: wär wieder zu kalt für uns; eine atembare Atmosphäre möchte möglichst auch noch da sein - schwierig, schwierig) wurden bisher keine gefunden und wären bisher auch außer Reichweite, und innerhalb unseres eigenen Sonnensystems kommt als einziger Planet nur der Mars in Frage. Mond: entschieden zu klein, kann keine Atmosphäre halten, Folge: Temperaturgegensätze Sonne / Schatten // Tag / Nacht sind zu heftig, dauerhaftes Leben wäre nur mit irrsinnig hohem technischen Aufwand, vergleichbar einer Raumstation, möglich ---> uneffektiv. Venus: viel zu heiß und viel zu dichte Atmosphäre, würde auch nur in geschlossenen Stationen gehen ---> noch uneffektiver als der Mond. Merkur: brauchen wir nicht drüber reden; außerhalb des Planetoidenringes kommen nur noch Gasriesen mit ihren Monden, da ist es schon wieder viel zu kalt - bleibt also nur noch der Mars übrig.
Siehe da: von Größe und Graviation her gar nicht mal so schlecht. Kleiner als die Erde, seine Gravitation würde uns also nicht sofort zusammenpressen. Atmosphäre: gibt es, leider nur sehr schwach; eventuell kann aber über Terraforming-Verfahren in einigen Jahrzehnten eine erdähnliche Atmosphäre aufgebaut werden aus dem Eis der Polkappen (wie stabil die dann wäre, wissen wir nicht). Temperaturen: klar ist es kälter als auf der Erde, die Äquatorialregion wäre aber sehr wahrscheinlich auch für uns halbwegs bewohnbar. Mars wär also für einen ersten dauerhaften Außenposten unserer Spezies die erste Wahl - was Besseres bekommen wir sowieso nicht. Klar: für die ersten Jahrzehnte mindestens braucht es auch hier geschlossene Stationen, die könnten aber weniger aufwendig und dauerhafter ausfallen als Raumstationen oder raumstationengleiche Stationen auf dem Mond.
Nur wird das nie was, wenn alle immer nur schreien, das ist Quatsch, so ein Unsinn, man kann auf dem Mars nicht leben... Leute, bitte.
Hätten alle Menschen stets so gedacht: wir hier in Europa wüßten heute noch nicht, daß es den amerikanischen Doppelkontinent gibt. Denn alle Seefahrer hätten sich geweigert, einfach mal nach Westen aufzubrechen: nach damaliger allgemeiner Ansicht war die Erde ja schließlich eine Scheibe, und am Rand derselben wären die Schiffe in den bodenlosen Abgrund gestürzt und weg gewesen! Ein unfaßbares Risiko! Kann man doch nicht eingehen, also nur nicht nach Westen segeln... es gab aber Seefahrer, die sind genau dieses Risiko eingegangen; auch dank ihnen setzte sich die Gewißheit durch, daß die Welt eben keine Scheibe ist und es mehr gibt als nur Europa.
Anderes Beispiel: das Fliegen. Nie wird ein Mensch fliegen können! Gott hat die Vögel und Insekten zum Fliegen bestimmt, aber nicht die Menschen, wer es versucht, wird unweigerlich abstürzen und umkommen! - Wären stets alle Menschen dieser vorgegebenen althergebrachten Denkweise gefolgt, hätten die Gebrüder Montgolfier nie ihre Ballons aufsteigen lassen, Otto Lilienthal und Charles Lindbergh wären immer schön auf dem Boden geblieben, und wir wären heute noch auf boden- oder wassergebundene Fortbewegungsmittel angewiesen, egal, wo wir hinwollen.
Gibt noch mehr Beispiele... Raumfahrt selber gäbe es dann natürlich auch keine, wenn nicht immer wieder Menschen althergebrachte "Das ist unmöglich und totaler Quatsch!"-Klischees in Frage gestellt hätten. - Eine bemannte Reise zum Mars ist nur der nächste logische Schritt...
... und ganz ehrlich: hätte ich meine Verwandten hier auf der Erde nicht mehr: ich würde mich auch dafür bewerben.
Klar ist das eine One-Way-Mission - das weiß jeder, der sich darauf bewirbt. Auch, daß man das Risiko eingeht, vorzeitig zu sterben ("Ticket in den sicheren Tod": aber bitte. Ist hier auf der Erde schon mal jemand unendlich alt geworden? Nein? Seht ihr - das meine ich: sterben muß jeder von uns irgendwann; das Risiko, daß das bei so einer Mission vorzeitig passiert, ist natürlich höher, als wenn man hier bleibt, soviel ist klar) - Raketenfehler, technische Fehler unterwegs, schlechter Anflug und unkontrollierter Absturz auf den Mars... dieses Risiko gingen übrigens schon Menschen vor uns ein: Neill Armstrong und Edwin Aldrin, auch wenn ihr Ziel-Himmelskörper wesentlich näher war; die Risiken waren erstmal dieselben. - Freilich hatten sie eine Rückfahrkarte gelöst; das ist bei einer Mars-Mission derzeit aber noch nicht machbar - die benötigten Treibstoffvorräte wären zu groß, zu voluminös und zu schwer zum Mitschleppen, und vor Ort neuen Sprit herstellen geht leider noch nicht. - - - All das weiß aber jeder, der sich für eine bemannte Mars-Mission bewirbt - das und noch viel mehr.
Daß der verlinkte Herr aus dem Startbeitrag Brony ist, ist da für mich von absolut untergeordneter Bedeutung - er ist für mich erstmal ein Mensch, der bereit ist, den Weg zu bereiten für nachfolgende Generationen, etwas mit aufzubauen, was kaum ihm selber, dafür aber später nachfolgenden Menschen zugute kommen kann. Oder auch nicht, wenn sich herausstellt, daß der Mars nicht bewohnbar gemacht werden kann - das kann aber vorher keiner wissen, das muß man rausfinden, so, wie die Seefahrer rausfinden mußten, wo es im Westen wohl hingehen möge, so, wie Lilienthal rausfinden mußte, wie man sich wohl mit irgendwelchen Gestellen in der Luft halten und bewegen kann, so, wie die Astronauten rausfinden mußten, ob man tatsächlich auf dem Mond landen kann.
Ob ein privates Projekt für einen bemannten Mars-Flug seriös ist, da hab ich allerdings auch meine Zweifel... oder ob sich da irgendwelche Leute mit großen Ideen mal wieder völlig übernommen haben und dann von den tatsächlichen Kosten völlig überrascht werden. - Was wenig bringt, ist eine Simulation "Wir fliegen zum Mars!" rein für kommerzielle Zwecke á la Reality-Show... da geb ich euch recht, sowas braucht man nicht; Simulationen einer Mars-Reise, die die Erde keine Sekunde lang verlassen haben, gabs schon genug, allerdings wissenschaftlich fundiert.
Wie gesagt, ohne meine Familie würd auch ich mich dafür interessieren - auch wenn ich genau weiß, daß ich den Rest meines Lebens auf dem Mars verbringen müßte. Dort wartet allerdings genug Arbeit: Station aufbauen und in Betrieb halten, Nahrung anbauen, Abfälle (auch die biologischen) recyceln, Mars vor Ort erforschen... Langeweile á la "jetzt setz ich mich aufs Kanapee - was mach ich den nuuuuuu' vor lauter Langeweile" wird dort kaum aufkommen, schon, weil das (Über)Leben eben nicht so komfortabel und vollautomatisch geschieht wie hier in unserer westlichen Luxus-Zivilisation.
Kann man gespannt sein, ob eine private Stiftung ("foundation" war doch eine Stiftung, oder?) tatsächlich einen echten bemannten Flug (nicht nur i-was, was ausschließlich auf der Erde stattindet) zum Mars zustandebringt und dort sogar eine Station errichtet (was sinnvoll wäre, da die Reality-TV-Show sonst nach nur einer Folge sehr schnell beendet wär). Für ausgeschlossen halt ich's erstmal nicht, allerdings für unwahrscheinlich - aber eines hat die Geschichte bisher gezeigt: wenn Menschen etwas *wirklich* wollen, dann sind die Vertreter dieser seltsamen weitgehend haarlosen Primatenart zu erstaunlichen Leistungen fähig, und man sollte sie durchaus nicht unterschätzen. Vielleicht klappt es ja wirklich, was staatliche Institutionen einfach nicht auf die Reihe bringen... wir werden sehen.
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