Weltuntergang? Schon mal von Ragnarok gehört?
Alles wird damit beginnen, dass überall in die Welt Krieg kommen wird. Streitigkeiten und Feindschaften zwischen Sippen und Stämmen, die lange schlummerten, werden eskalieren. Gewalt wird ausbrechen, Kriege zehren im ganzen Land. Einen ganzen Winter lang wird auf der ganzen Welt gekämpft, und die beiden darauf folgenden Jahre auch.
Die Kriege finden darauf hin jedoch ein Ende, denn im vierten Jahr wird ein gewaltiger Winter hinein brechen, der Fimbul-Winter. Er wird kälter und stürmischer als jeder vorherige Winter sein. Er wird selbst in den warmen Landen der Erde wüten und sie in Schnee und Eis hüllen. Die Menschen werden zwar keine Kraft mehr haben, zu kämpfen, aber dafür zehrt der grausame Winter an ihren Vorräten. Kein Sommer wird auf den Winter folgen; er wird ganze drei Jahre hindurch andauern. Es wird keine Ernte geben und das Jagdwild wird auch knapp werden. Viele Menschen werden verhungern oder erfrieren, es gibt keine Zuflucht vor der Kälte.
Neid wird die Menschen überfallen, Raffgier wird über sie kommen und Gewalt wird wieder ausbrechen. In der Not zerfallen alle vorherigen Bande und Freundschaften, Bruder fällt über Bruder her, Sohn über Vater. Liebe und Gnade werden den kalten Schatten des Fimbul-Winters gewichen sein.
Diese Zeit wird Axt-Zeit, Schwert-zeit, Wind-Zeit oder Wolf-Zeit genannt werden, und so viele Menschen werden in dieser Zeit fallen, dass sich in der Geisterwelt ein gewaltiger Strom aus toten Seelen dahin wälzt auf dem Pfad in das Toten-Reich Hel.
Nur zwei Menschen werden sich vor der Kälte und den Grausamkeiten der Hungernden retten können - sie werden Lif und Lifthrasir heißen und Zuflucht im dichten Unterholz des Waldes von Hoddmimir, der sich nahe beim Stamm des Weltenbaumes Yggdrasil befindet, finden können. Dort wird es ruhig und windgeschützt sein...
An dem Tag, an dem Raganrok anbrechen wird,werden drei Hähne krähen: Der erste ist Gullinkambi. Er hat golden schimmerndes Gefieder und sitzt oben auf Walhall. Der zweite wird schwarz wie Ruß und rot wie Blut sein und im Toten-reich Hel leben. Der dritte wird rot wie Feuer sein und Fjalar heißen. Er wird in Jotunheim, dem Land der Riesen, leben. Dort sitzt er dann mit seinem Herren, dem Hirten Eggther, auf einem Grabhügel in einem Wald voller Galgen-Bäume. Sie beide werden dem Schauspiel gebannt zusehen, wenn es anbricht.
Und diese drei Hähne werden an jenem verhängnisvollen Morgen alle zur selben Zeit krähen; wenn die Sonne aufgeht. Ihr Krähen wird in allen neun Welten zu hören sein, und es wird jedem, der es hört, Schauer über den Rücken fahren lassen...
An diesem Tage werden Skalli, der Wolf, der die Sonne jagt, und sein Bruder Hati, der den Mond jagt, ihre Beute reißen. Sonne und Mond werden still stehen, und der kräftige Wolf Managarm wird an das Himmelsgewölbe springen und den Mond direkt reißen. Dessen leuchtendes Blut wird hinab regnen auf die Erde, es wird aber auch auf die flammende Sonne fallen, die somit erlöschen wird. Und so wird es finster werden auf der Erde.
Die Sterne am Himmel werden auf die Erde fallen. Sie werden Dörfer in Brand stecken und Berge zum Einsturz bringen. Die einstürzenden Berge werden das ganze Land zum Zittern bringen; selbst die mächtigsten Bäume werden entwurzelt werden. Die Beben werden stark sein und die Fesseln, die den riesenhaften Wolf Fenrir sowie den Hund der Unterwelt, Garm, zähmten, werden brechen und die Bestien werden los laufen.
Die herabstürzenden Sterne werden auch in's Meer stürzen und dort große Flutwellen verursachen. Sie werden große Teile der Erde überfluten. Mit dem Wasser wird Jormungand, die gewaltige Midgard-Schlange, kommen. Sie wälzt sich über das überflutete Land und wird Gift speien, das auf das noch trockene Land nieder regnen wird und es unfruchtbar machen wird.
Zu diesem Zeitpunkt werden sich in der Unterwelt sowohl Loki als auch seine Tochter, die Toten-Göttin Hel, mit ihrem Toten-Heer auf einem gewaltigen Schiff eingefunden haben. Es heißt Naglfar und es wird aus den Zehen- und Fingernägeln der Toten gezimmert sein. Die Flutwellen also werden das gewaltige Schiff losreißen und es wird gen Oberwelt segeln.
Von Osten her werden die Eis-Riesen in Midgard, der Menschen-Welt, eindringen. Das gewaltige Heer unter der Führung des Riesen-Firsten Hrym wird den weiten Weg über das Land wandern und auf dem Wege die letzten Dörfer und Städte der Menschen zerstören.
Dann wird sich der Himmel im Süden auftun, und hindurch werden die mächtigen Feuer-Riesen geritten kommen. Allen voran wird ihr First Surt reiten, dessen flammende Schwert heller scheinen wird als die Sonne selbst, und das alles unterwegs in Brand stecken wird. Die Feuer-Riesen, auch Muspels Söhne genannt, werden als einzige die brennende Brücke Bifröst erklimmen können, da sie das Feuer ja eh schon gewohnt sind. Sie werden hinauf reiten bis auf den Himmelsberg, von dem aus sie die Brücke einstürzen lassen werden.
Aus allen Richtungen werden sich somit die Feinde der Götter zusammen finden. Sie alle werden zur Mitte der Welt; auf den Himmelsberg, pilgern. Auf dessen Hängen befindet sich ein Feld, dass tausende Meilen lang und breit ist und Widrid heißt; auf denen werden sich die Heerscharen sammeln und sich auf die letzte Schlacht vorbereiten. Yggdrasil wird zittern und beben...
Heimdall, der Wächter der Götter, wird das ganze beobachten und mit aller Kraft in sein Rufhorn blasen. Es wird in allen Welten zu hören sein und kündet den Beginn von Ragnarok an.
Die Zwerge in ihrem Land Svartalfheim werden sich verbarrikadieren hinter gewaltigen Felsen, denn sie wissen, dass der Sturm bald losbrechen wird.
Auch die Asen werden geweckt werden und sich zum Rat zusammen finden, um Pläne für die letzte Schlacht zu schmieden. Während sie beschließen, sich zu rüsten, wird der Meeres-Gott Njörd in seine Heimat Wanaheim zurück reiten, um die friedfertige Sippe der Wanen im Notfall zu beschützen.
Das Heer der Götter, zu dem auch die Einherjer - gefallene Krieger - gehören, wird Asgards schützende Wehr-Mauern verlassen und ebenso Richtung Widrid ziehen, um den seinen Gegnern gegenüber zu stehen.
Und dann wird die Schlacht, die letzte große Schlacht, losbrechen. Es wird sie grausamste und blutigste Schlacht aller Zeiten sein. Götter werden zerfleischt, Riesen werden fallen.
Odin, der in goldener Rüstung in den Krieg ziehen wird, wird nach einem kräftezehrenden Kampf vom mächtigen Fenris-Wolf gerissen. Wenn sein Sohn Vidar seinen fallenden und zerfetzten Vater sehen wird überkommt ihn die Wildheit. Er wird sich auf den Wolf stürzen und ihm in das Maul treten; mit der einen Hand wird er es offen halten, mit der anderen wird er mit seinem Schwert den Rachen des Fenris aufschlitzen und ihn somit töten.
Thor wird mittels seines mächtigen Hammers Mjölnir gegen den gewaltigen Jormungand kämpfen, so wie er es schon früher oft tat. Doch dieses Mal ist der Kampf länger sein und beide verletzen sich stark. Mit einem letzten Hieb wird Thor das Ungeheuer töten, doch im letzten Atemzug der Schlange wird sie ihn vergiften. Thor wird darauf hin nur noch neun leidvolle Schritte tun können, bis ihn das Gift übermannen wird und auch der Donnergott fällt.
Tyr, der eh nur noch eine Hand hat, wird gegen den gewaltigen Wach-Hund der Unterwelt Garm kämpfen. Auch er wird gerissen werden, und sein blutiger Leichnam wird auf dem Schlachtfeld liegen. Doch in letzter Sekunde schafft auch er es noch, das Untier zu töten.
Heimdall wird gegen seinen alten Freund Loki kämpfen. Die beiden Asen, die sich ziemlich ebenbürtig sein werden, werden ihrer klaffenden Wunden erliegen und leblos zusammen sinken.
Freyr hatte sein Schwert einst verschenkt und wird ohne es in die Schlacht ziehen müssen. So wird er keine Chance haben gegen den gewaltigen Feuer-Riesen Surt, der ihn mit seinem flammenden Schwert entzwei teilen wird.
Und so wie ihnen wird es auch vielen anderen Göttern, aber auch Riesen und Ungeheuern ergehen. Die Einherjer, ebenso wie die Heerscharen der Toten, werden tapfer kämpfen. Doch auch sie werden alle fallen und ihre Seelen werden dann endgültig fort sein.
Berge von Leichen werden sich in Wigrid türmen. Leid und Schmerz wird in der Luft liegen, und Seen aus Blut auf der Wiese stehen. In seinen letzten Atemzügen wird der sterbende Surt mit seinem Schwert einen Flammen-Regen über Midgard werfen, der den letzten Akt von Ragnarok einleiten wird: Den Weltenbrand.
Die ganze Welt, auch Yggdrasil selbst, wird in Brand stehen. Die Flammen werden bis zum Himmel hinauf lodern, und Funken-Wirbel werden durch die Luft fahren...
Doch nach Ragnarok wird die Welt nicht unter gegangen sein! Die Flammen werden allmählich erlöschen und die Fluten werden langsam wieder zurück gehen. Sie werden sauberes, reines Land zurück lassen. Ein Adler sitzt auf einem Felsen über der neuen Erde, er jagt Fische und sein Ruf wird die neue Zeit einläuten. Die Erde wird ein wunderbarer Ort sein - die Luft wird warm und mild sein und alle Pflanzen werden von alleine wachsen. Alles wird ergrünen und niemand braucht Felder zu bestellen, denn auch das Korn wird von alleine gedeihen.
Auf dem Himmelsberg regt sich während dessen Leben. Einige wenige Asen werden die große Schlacht überlebt haben - mehr oder minder. Odins Söhne Wali und Vidar verlassen die Leichen-Berge von Wigrid und begeben sich verletzt zurück nach Asgard. Auch Thors Söhne Magni und Modi, die nun den Hammer ihres Vaters tragen, kehren erschöpft heim, ebenso Balder und Höder, der ihn aus versehen tötete. Sie werden sich im Toten-Reich Hel versöhnt haben und zusammen wieder nach Asgard zurück kehren. Auch die schöne Tochter von Sol wird nach Asgard gehen, und aus dem Astwerk Yggdrasils wird der wieder geborene Geist Odins; Fimbultyr, hinab steigen.
Dort, in ihrer verlassenen und teils verbrannten Heimat, werden sie sich auf dem Idafeld, wo die Götter früher ihre Thing-Versammlungen abgehalten haben werden, zusammen finden. Dort, im Gras, werden sie die goldenen Spiel-Steine finden, mit denen ihre Väter und Mütter gespielt hatten, als sie selbst noch jung gewesen waren. Die Spiele künden von längst vergangenen, friedlichen Zeiten.
Da werden die überlebenden Götter beschließen, eine neue Welt zu schaffen. Eine, in der Friede und Wohlstand herrschen soll.
Aus Gold errichten die Asen einen Hof, den sie Gimle nennen werden, und auf dem sie alle miteinander leben werden.
Doch in der Unterwelt wälzt sich immer noch der Strom der Toten, die dem Fimbul-Winter zum Opfer fielen, dahin. Sie können nun nicht mehr in das Toten-reich Hel einfahren, denn dessen Göttin fiel ebenfalls an Ragnarok. Also werden die Götter beschließen, ein neues Reich der Toten zu schaffen. Es wird Sindri heißen und in dem Gebirge, das zwischen dem alten Hel-Reich und dem Land der Zwerge; Svartalheim, liegt und Nidafelsen genannt wird, liegen. Sindri wird ein schönes Reich mit goldenen Höfen sein, in dem sich die Toten von den Qualen den Fimbul-Winters erholen können.
Wer aber im Fimbul-Winter von Neid und Habgier befallen wurde und mordete und Unheil brachte, der - so entscheiden die Asen - solle nicht nach Sindri kommen. Er solle an den Strand der Toten, den sog. Nastrand, gelangen. Dieser liegt gerade so in der Unterwelt, dass dort sie Sonne nie hin scheint. Finsternis wartet dort auf die Toten, stinkendes Gas liegt in der Luft und Gift fließt über die Böden.
Darauf hin wird sich der letzte Unhold der alten Welt erheben. Nidhogg, der Drache, der sich am Fleisch der Toten labte, wird sich über Ragnarok hinweg unter den Wurzeln des Welten-Baumes versteckt haben. Da er nun keine Toten mehr aus Hel empfangen wird, wird er magern und letztlich nieder sinken...
So wird nun die neue Welt entstehen, doch sie wird leer sein. Allerdings wird es, nah beim Stamm Yggdrasils, einen kleinen Wald geben, der zu Teilen vom Weltenbrand und allen anderen Unglücken verschont geblieben sein wird. Dort werden sich in einem hohlen Baumstamm die Menschen Lif und Lifthrasir versteckt haben. Während Rafgnarok werden sie da ausgeharrt haben, geschützt vor dem Unheil. Sie werden nur Morgen-Tau getrunken haben, sonst nichts.
Mit dem Erscheinen der neuen Welt werden Lif und Lifthrasir ihr Versteck verlassen und hinaus in die grünen Felder ziehen. Sie werden dort leben und wie ihre Ahnen Ask und Embla, die ersten Menschen, werden auch sie beide die Welt neu bevölkern...
Und so beginnt er wieder - der ewige Kreislauf der Natur; vom Werden und Vergehen.