RE: Kann man wirklich frei sein?
Interessante Frage.
Ich denke mal, es hängt in erster Linie davon ab, wie man Freiheit definiert. Wenn man davon ausgeht, dass Freiheit auf einige wichtige Punkte beschränkt wird - in der Art, in der sie z.B. in Gesetzen definiert ist -, dann ist die Antwort: "Ja."
Jeder kann sich theoretisch gesehen frei bewegen, ist frei seine Meinung zumindest frei zu wählen, kann versuchen den Beruf auszuüben, den er ausüben möchte und so weiter.
Geht man allerdings tiefer, also über diese lediglich grundlegende Definition hinaus, stößt die für Menschen erreichbare Freiheit an Grenzen. Diese Grenzen sind zum Teil natürlichen Ursprungs, zum Teil aber auch von Menschen geschaffen, um eine funktionierende Gesellschaft möglich zu machen.
Natürliche Grenzen sind - das ist klar - nicht zu überwinden. Evolutionär bedingt, kann der Mensch ohne Hilfsmittel nicht fliegen. Das ist eine Einschränkung, die er nicht überwinden kann. Genausowenig kann der Mensch unter Wasser atmen. Ist halt so.
Die von der Gesellschaft auferlegten Einschränkungen sind da schon wieder anders.
Sicher, einige von ihnen entstehen durch massive Eingriffe in die Freiheitsrechte. Es ist zum Beispiel schwierig, einfach so nach Nordkorea zu fahren um dort ein wenig umherzuwandern. Das Besuchen anderer Länder ist dann zwar einfacher, aber dennoch in Teilen mit Grenzkontrollen verbunden. Ein absolut freier Übergang ist also nicht möglich.
Neben diesen überwiegend optionalen Einschränkungen - von denen etliche, wie z.B. die Zustände in einer Diktatur, höchst verwerflich sind - gibt es aber auch noch notwendige. Denn ohne Gesetze und ein gewissses Maß an Ordnung kann die Gesellschaft nicht funktionieren.
Das müssen nicht einmal allgemeine Normen, wie z.B. Geschlechtsspezifische Stereotypen und Erwartungen oder ähnliches, sein, gegen die man noch einfach verstoßen kann, weil der schlimmste Schaden, den man damit anrichten kann der ist, dass man danach vielleicht in den Augen seiner Mitmenschen seltsam ist, sondern es geht viel mehr um gesellschaftlichte Normen, die z.B. das Töten oder - um näher an dem Begriff der Freiheit zu bleiben - das Versklaven von Mitmenschen untersagen.
An diesem Punkt sollte klar werden, dass absolute uneingeschränkte Freiheit - durch die Natur (und Evolution) vorgegebene Einschränkungen einmal ignoriert - ein Widerspruch in sich ist.
Denn absolute Freiheit, also die Möglichkeit alles tun zu können, ohne Folgen fürchten zu müssen, würde auch bedeuten, dass man auf die - oben erwähnten Verbote - des Tötens oder Versklavens verzichtet.
In diesem Fall stellt sich aber eine entscheidende Frage:
Inwiefern kann eine Freiheit für alle gewährleistet werden, wenn jemand seine Freiheit vollständig ausnutzt und jemand anderen versklaven würde?
Dann wäre der Stärkere zwar immer noch frei, aber durch seine Freiheit, wäre die des anderen unweigerlich eingeschränkt. Es gäbe also den Konflikt zwischen zwei Freiheiten: Der, von Person A, Person B festzuhalten, und der von Person A, frei zu sein.
Absolute Freiheit würde eben nicht nur das Recht darauf garantieren, positive Dinge zu tun, sondern auch das Recht auf negative.
Ergo lässt sich festhalten, dass die Freiheit als solche in absoluter Form etwas abstraktes und undenkbares ist. Freiheit ist ein Paradoxon.
Denn wenn man die Freiheit Aller gleichermaßen garantieren möchte, bedeutet das zeitgleich, die Freiheit Aller soweit einzuschränken, dass niemand mehr das Recht hat, anderen ihre Freiheit zu nehmen. In dem Augenblick also, in dem alle gleichermaßen frei sind, sind sie gleichermaßen unfrei. Selbst wenn man auf gesellschaftliche Konventionen verzichten würde, weil - von einem perfekten, idealen und positivem Menschenbild ausgehend - jeder freiwillig darauf verzichten würde, seine Rechte und Freiheiten gegen andere Menschen zu nutzen, hieße das, dass sich diese Menschen selbst Einschränkungen auferlegen und sich selbst in ihrer Freiheit beschneiden, um wiederum die Freiheit der Allgemeinheit zu gewährleisten. So oder so, es ist unmöglich eine absolute Freiheit für alle zu schaffen, da eben dies nur durch Unfreiheit machbar ist.
Man könnte auch sagen, dass der Wunsch der Menschheit nach Freiheit, nichts anders ist, als der Wunsch die Fesseln, die die eigentliche Unfreiheit - zur Gewährleistung der scheinbaren Freiheit - bildet, selbst wählen zu können. Und selbst diese Wahl unterliegt, angesichts des gewünschten Ergebnisses, Einschränkungen.
Dementsprechend ist absolute Freiheit, wie sie sich viele ersehnen mögen, eine reine Illusion, ohne jeden Bezug zur Realität. Denn jeder Versuch für Freiheit zu sorgen, führt automatisch in die Unfreiheit.
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