Vorweg: Offenkundig soll es hier explizit nicht um den Einfluss der Spiele, sondern dezidiert nur um die jeweiligen Anime-Adaptionen gehen.
Demzufolge gilt:
Digimon >
Pokémon.
Ich bin in dieser Beziehung sicherlich ensetzlich voreingenommen, weil
Digimon Adventure mich Anfang der Noughties überhaupt erst dazu gebracht hat, mich näher mit dem Phänomen Anime und Manga auseinanderzusetzen (eine Passion, die ich bis heute beibehalten habe); und weil das
Digimon-Franchise mich sowohl zu meiner allerersten Online-Community als auch zu meinem Zwischenspiel - lang, lang ist's mittlerweile her - als Fanfic-Autor gebracht hat.
Der Fairness halber darf nicht unerwähnt bleiben, dass ich bei
Digimon, im Gegensatz zu
Pokémon, mit dem japanischen Original signifikant besser vertraut bin. Nichtsdestotrotz ist
Digimon meiner bescheidenen Meinung nach durch die Bank in Sachen Plot, Character Development und Originalität stärker aufgestellt, auch wenn's hier natürlich Staffel-bedingte Schwankungen gibt.
Apropos: Das Staffelsystem, das - mit Ausnahme von Staffeln 1 und 2 - das Dramatis Personae sowie die Handlungsprämissen in jeder neuen Season komplett austauscht, haucht dem mittlerweile doch schon recht betagten Franchise immer wieder neues Leben ein, obgleich gewisse Abnutzungserscheinungen natürlich dennoch beobachtbar sind. Grundsätzlich geben sich die Produzenten aber immer Mühe, einen neuen Aspekt beispielsweise zur Wirkweise der Digitation hinzuzufügen: Klassisch vs. Armor- und Jogress-Digitation vs. Matrix-Evolution vs. Slide-Evolution vs. DigiSoul vs. Digi-Xros. Im Übrigen scheut die Serie sich keineswegs, auch ernstere Themen anzusprechen, und das mit Charakteren, die größtenteils gerade mal genau so alt - und teilweise sogar jünger - wie Ash/Satoshi aus
Pokémon sind.
Mal ein Breakdown nach Staffeln, chronologisch geordnet:
Digimon Adventure: Der Franchise-Auftakt macht schon vieles richtig, indem wir zusammen mit den vielschichtigen - und zweifellos alles andere als perfekten - Protagonisten gleich in medias res geworfen werden. Ein hilfreicher Mr. Exposition in Form von Gennai wirkt nicht annähernd so forciert wie in vergleichbaren Serien, weil man eine lebendige Datenbank in der DigiWelt einfach durchaus erwarten kann.
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Die Villains, anfangs noch reichlich stereotyp, werden im weiteren Serienverlauf zunehmend interessanter und auch auf globaler Ebene bedrohlicher; die Mons der Protagonisten digitieren dementsprechend; und Takari is best Toy Ship.
Digimon Zero Two: So gut gemacht die neuen DDs sind, so enervierend sind die Auftritte ihrer Vorgänger, Takeru und Hikari natürlich nicht eingeschlossen. Das Ganze grenzt teilweise an serieninternes OOC, und die Taiora-Fans (zu denen ich mich nicht zähle, deren Outrage ich aber bestens verstehen kann) werden diese Staffel sowieso noch mit ihren letzten Atemzügen verfluchen.
Andererseits gibt's einige enorm komplexe Bösewichte in Form von BlackWargreymon, Arukenimon und Daemon - während der ultimative Big Bad wiederum etwas enttäuschend ist, aber das kennen wir ja schon von Apocalymon. Jogress-Evolution ist allerdings kickass.
Digimon Tamers: Mit weitem Abstand die beste Digimon-Staffel, according to yours truly. Erstmals sind die Charaktere
wirklich plastisch und nachvollziehbar; der Plot ist genuin innovativ und originell; das D-Arc erlaubt endlich ein tatsächliches Miteinanderkämpfen von Digimon und Partner; die Villains sind Entitäten und Prozesse, die es aufzuhalten gilt, anstatt einfach nur wieder eine Neuauflage von Virus-Digimon XYZ; und Matrix Evolution is best Digivolution.
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Chiaki Konaka hat ebenso großartige Arbeit beim Writing geleistet, wie es das Animationsteam, die VAs (Fumiko Orikasa als Ruki ist unvergesslich) und die Komponisten nebst SängerInnen an anderer Stelle getan haben.
Last but not least ist Rukato mein Fandom-übergreifendes, die Zeiten überdauerndes und den Romance-Aspekt meiner kläglichen Fanfic-Karriere begründendes OTP.
Digimon Frontier: Wenn es eine schlimmere Möglichkeit gegeben hätte, nach dem Franchise-Zenit namens
Tamers auf den Boden der Realität zurückzukrachen, dann fiele sie mir beim besten Willen nicht ein.
Frontier ist entsetzlich uninspiriert, betreibt Charakter-Recycling der übelsten Sorte, hat gletscherartiges Pacing und 'nen Plot, für den 08/15 noch ein Hilfsausdruck wäre. Zum Drüberstreuen wird auch noch die Digimon/Partner-Dynamik komplett herausoperiert und stattdessen eine zwar innovative, aber nur mehr sehr wenig mit den Wurzeln der Serie gemein habende Digitationsvariante eingeführt. Und die Antagonisten? Nicht der Rede wert. Das Opening ist einigermaßen catchy und Koichi ist einer der wenigen nicht vollkommen unerträglichen Charaktere, aber das war's dann auch schon an Silberstreifen. Definitiv der Tiefpunkt des Franchise.
Digimon Savers: Wir durchmischen das Serienkonzept mal wieder kräftig mit der Idee der DigiSouls und signifikant älteren ProtagonistInnen, was der zu diesem Zeitpunkt schon etwas angejahrten Serie durchaus gut tut. Masaru ist natürlich enorm überzeichnet in seiner hot-bloodedness, aber das kann ja durchaus auch erfrischend wirken wenn die Macher und der seiyuu sich dessen bewusst sind und sich nicht immer hundertptozentig ernst nehmen, was glücklicherweise der Fall ist. Yoshino wird ein wenig in den Hintergrund gedrängt, was insofern schade ist, als dass starke weibliche Charaktere in Digimon ja spätestens seit
Tamers kein Tabu mehr sein sollten, aber als bereits etabliertes DATS-Mitglied eignet sie sich natürlich nicht so gut für 'ne Rise-to-the-Top-Story wie Masaru.
Schockierend: Die erste Digimon-Staffel ohne Gogglehead. Sie ist trotzdem ziemlich gut.
Digimon Xros Wars: Innovatives Digitationskonzept, das mehr an Combining-Mecha-Serien als an Mon-Serien erinnert. Die Charaktere sind nicht gerade übertrieben einfallsreich, aber die Dynamik zwischen Taiki und Kiriha ist nicht unspannend, und wir haben mit Nene endlich mal wieder einen weiblichen Charakter, der geringfügig mehr leisten kann als dekorativ in der Gegend herumzustehen (sorry Akari), noch dazu gesprochen von der großartigen Houko Kuwashima. Eine letztgültige Analyse der Serie kann ich noch nicht anbieten, weil ich noch einen Archive Binge davon entfernt bin, auch den letzten der drei die Serie konstituierenden Handlungsbögen vollständig gesehen zu haben, aber als Zwischenfazit lässt sich sagen, dass
Xros Wars ein Nachfolger im Geiste von
Adventure, allerdings mit ernsteren Zwischentönen und dennoch ordentlichem Humor ist. Summa summarum eine vergnügliche Staffel.
Außer Konkurrenz sind die Filme zu nennen, die gemeinhin - eventuell mit Ausnahme des allerersten - nicht als Canon gelten. Ein Spezialfall ist
Digimon X-Evolution als nicht staffelspezifischer Film, der, zumal komplett in CG produziert, sowohl eine Augenweide als auch in puncto Plot und Pacing ausnehmend unterhaltsam ist.