@GuardianJupp mit viel Theatralik und Pathos kann man sich vieles so hinreden wie man das gerne hat.
Das Wort "
deutsch" war die meiste Zeit eigentlich nie bindend an eine Ethnie, ein Volk oder einen Stamm. Es ist schon vor-germanisch und bedeutet quasi "
zu meinem Volk gehörend". Leute, die nicht zu selbigem gehörten, waren nicht "
nicht deutsch", sondern "
anders deutsch". Erst im Laufe des Mittelalters wandelte sich die Bedeutung allmählich...
Aber genug davon, dann will ich dir man "meine" Version der "deutschen" Geschichte aufzeigen:
Vor ca. 6000 Jahren zogen kriegerisch-nomadische Völkerschaften aus den weiten Ebenen Ost-Europas in die Welt. Ein kleiner Teil von ihnen wurde in einem kalten Land im Norden
(Norddeutschland, Dänemark, Südschweden) sesshaft und
vermischten sich mit der ansässigen bäuerlichen Ur-Bevölkerung.
Die verschiedenen Sippen wuchsen und festigten sich zu Stämmen, die sich
teils untereinander spinnefeind waren. Manche Stämme unterwarfen andere Stämme, andere zogen fort und ließen sich wo anders nieder, wo sie dort ansässige fremde Völker verdrängten oder sich mit den Fremden
vermischten. Wieder andere Stämme expandierten ihr Land un unbewohnte Gebiete. So wuchs nicht nur das Gebiet der anfangs kleinen Stämme, nein, sie
veränderten sich auch in ihrer Kultur - vor allem da, wo sie sich mit fremden Völkern
vermischten.
Bald schon konnte man nicht mehr recht sagen, welcher der Stämme noch wirklich von den Ur-Siedlern stammte, und welcher schon zu sehr entfremdet war.
Die Expansion und Vermischung schritt voran. Irgendwann aber trafen einige Stämme im Süden auf Völker, die in einem gewaltigen, fremden Reich vereint waren: Das Imperium Romanum. Dieses Reich erlebte eine viel aggressivere und schnellere Expansion, und schon bald hatte es große Teile Europas eingenommen. Sein Herrscher, ein gewisser Herr Caesar, schien ein Fable für genaue Grenzen zu haben. Also bestimmte er einfach eine Grenze entlang des Rheins und der Donau, und bestimmte einfach, dass alle Stämme auf seiner Seite Kelten waren und in Zukunft zu Römern gemacht werden sollten, und alle Stämme auf der anderen Seite sogenannte "
Germanen" waren.
So einfach hat er sich das gemacht, ohne zu bedenken, dass die Grenze fließend war; dass es in römischen Landen Stämme gab deren Ahnen einst auch aus dem kalten Norden kamen, und dass es in den nicht-römischen Landen Stämme gab, deren Ahnen von ganz wo anders kamen...
Bald danach schon versuchte ein Nachfolger Caesars - Augustus - alle Stämme nördlich des Imperium Romanum zu unterwerfen. Ihre Uneinigkeit war ihm nicht lange von Nutze, denn schnell für kurze Zeit konnte der Fürst eines dieser Stämme - Arminius - ein paar Nachbarstämme zusammentrommeln und die Römer aus dem Norden verjagen... doch
danach zerfiel das Bündnis schnell wieder.
Das Imperium Romanum zog sich fortan hinter Rhein und Donau zurück. Die Stämme jenseits der Grenze fanden wieder zu ihrem alten Handwerk zurück;
bekriegten sich gegenseitig und vermischten sich - vor allem in den Randgebieten - mit fremden Völkern.
Nach einigen Zeiten wurden die Leben der Stämme rauer. Das Wetter zwang manche Stämme, ihre Heimat zu verlassen und durch fremde Gegenden in schönere Lande zu ziehen. Andere Stämme begannen, fremde Länder auszurauben und zu brandschatzen und siedelten sich in diesen reichen Gebieten an. Wieder andere Stämme wurden zu verbündeten des Imperium Romanum und erhielten sogar Ländereien im alten, großen Reich. Und wieder andere Stämme wurden von einfallenden Völkern aus ihrer Heimat vertrieben.
Es war die
große Völkerwanderungszeit. Die östlichen der Stämme, von denen man noch vermuten hätte können sie seien Nachfahren der Ur-Stämme gewesen, waren gänzlich fort.
Die menschenleeren Gegenden wurden besiedelt von fremden Völkern aus dem fernen Osten - sie sollten später die Slawen werden, und da sie mit den westlicheren Stämmen nie Kontakt gehabt hatten, gab es hier eine stärkere kulturelle Grenze. Im Süden war das Imperium Romanum bald schon marode und wurde quasi von innen heraus eingenommen von seinen Bündnis-Partnern - angehörige mancher Stämme waren in die römischen Gebiete gezogen und eigene Staaten errichtet, und herrschten als
fremde Herrscher über römische Völker. Aus einem solchen Staat sollte das fränkische Reich entstehen. Im Westen fielen auf der römisch-keltischen Insel Britannien raubende Völker ein wie die Pikten aus Schottland - die Bevölkerung bat ein paar der Stämme auf dem Festland - Friesen, Sachsen, Angeln - um militärischen Beistand. Die Stämme entsandten
ein paar Siedler, die sich mit der keltisch-römischen Bevölkerung Britanniens bald vermischten. Es sollte später zu England werden.
Nach diesen Jahrhunderten des Durcheinanders kam das Mittelalter. Während diverse Stämme im Norden und Osten
sich bekriegten, expandierte von Süden her das fränkische Reich mittels brutaler Kriege. Bald schon war ein Großteil der Stämme des Nordens sowie viele ehemals römische Lande in einem großen Reich vereint, zumindest politisch. Den Stämmen wurden klare Grenzen und staatliche Strukturen übergestülpt, aber auch das Christentum - eine damals etwas militante Religion, die aus dem fernen Rom kam. Nur noch wenig zeugte von den vielen Jahrtausenden der freien Stämme zuvor.
Während die nördlicheren Stämme in Britannien un Skandinavien sich
weiterhin bekriegten, teils aber auch neue Gebiete wie Island, Amerika oder Russland erschlossen, strotze das fränkische Reich im Süden. Der einheitliche Friede wurde anfangs mit eiserner Faust bewahrt, doch
bald schon zerfiel auch dieses Großreich. Mehr und mehr. Die neuen staatlichen Strukturen erlaubten es manchen Einzelpersonen sehr mächtig zu werden und neue Staaten, Reiche, Fürstentümer etc. zu schaffen,
die sich immer weniger mit den alten Stämmen deckten.
Irgendwann kamen neue Wellen von Überfällen aus dem Osten, diesmal aus den Steppen Eurasiens. Ein Adeliger vom Stamm der Sachsen - Otto der Große - hatte nun endlich die Nase voll von den Überfällen. Er raufte die betroffenen östlichen Staaten zusammen und verjagte somit ein für alle Mal die räuberischen Banden. Um im Falle des Falles wieder eine größere Streitmacht aufweisen zu können, beschlossen diese Staaten darauf hin unter Otto ein großes Bündnis: Das heilige römische Reich.
Es war kein Staat, sondern eher ein Bündnis, denn es umfasste vielerlei Staaten. Im Norden lebten noch die alten Stämme, während im Süden römische Nachfahren lebten. Man darf jedoch nicht vergessen: Nach dem Zerfall des fränkischen Reiches
hatte man wieder begonnen, sich hier im Norden zu bekriegen - zwar nicht die Stämme als solche, dafür aber die Staaten, die auch mal
Stammesbruder gegen Stammesbruder kämpfen ließen.
Als das Mittelalter seinen Höhepunkt erreicht hatte begann sich das Wetter im Norden wieder zu bessern. Die Bevölkerung wuchs immer stärker an - das, die Machtgier mancher Einzelpersonen und weitere Faktoren brachten bei einigen der alten Stämme viele Leute dazu,
nach Osten auszuwandern. Diese Lande waren seit vielen Jahrhunderten slawisch gewesen, doch nun zogen Armeen aus Staaten des heiligen römischen Reiches dort hindurch und unterwarfen diese Völker, die bis dato noch in solchen freien Stämmen gelebt hatten wie hier dereinst. Die Eindringlinge aus dem Westen gründeten ganz neue Reiche und die neuen Siedler
vermischten sich (bis auf Ausnahmen wie dem Sorbenland) mit den ansässigen Slawen, so dass zwischen Elbe und Oder, in Schlesien, der Neumark, Pommern und Ostpreußen
eine Mischbevölkerung aus unseren alten Stämmen aus dem Norden und etwas jüngeren Stämmen aus dem Osten entstand.
Das Mittelalter nahm also so seinen Lauf und immer wieder gab es
mal größere, mal kleinere Kriege zwischen den vielen kleinen Staaten im heiligen römischen Reich. Schon längst waren die Staaten
nicht mehr deckungsgleich mit den alten Stämmen, manche Stämme - wie die Sachsen und Friesen und Franken in Holland - waren
schon bald nicht mal mehr Teil des Reiches. Das ganze begann zu eskalieren, als sich das Christentum und damit die äußerst mächtige Kirche
zu spalten begann. Während man im Süden noch am Katholizismus fest hielt, der seine Wurzeln auch stark im heidnischen Imperium Romanum hatte, wollte man im Norden nach der Idee Luthers ein trockeneres, christlicheres Christentum leben. Viele gesellschaftliche und machtpolitische Veränderungen gingen damit einher, und
der eh schon heftige Zwist zwischen den vielen kleinen Staaten eskalierte im 30-jährigen Krieg, der fast das ganze Land, das die alten Stämme bewohnt hatten, dem Erdboden gleich machte.
Erst der große westfälische Friede, an dem so ziemlich ganz Europa teilnahm, konnte diesen wahrlich zerstörerischen Krieg beenden... dennoch war das heilige römische Reich angeschlagen, und
immer noch in viele kleine Einzelstaaten unterteilt, die sich bald schon wieder untereinander bekriegten.
Mit der Zeit hatte
ein Staat im Süden, der sich über vielerlei alte Stämme und fremde Völker erstreckte, als der größte und mächtigste im Reich etabliert: Österreich. Doch durch politisches Kalkül und diverse Kriege schwang sich binnen eines Jahrhunderts im Norden des Reiches ein Pendant zu Österreich -
auch ein Staat über mehrere Stämme und fremde Völker - an die Macht: Preußen.
Da diese beiden Großmächte großen Einfluss auf ihre kleineren umliegenden Staaten ausübten,
war das Reich nun nicht mehr nur religiös, sondern auch politisch ziemlich geteilt, ganz abgesehen von der Kleinstaaterei.
Mitten in dieser Zeit des Dualismus kam aus dem Westen, aus Frankreich, Napoleon. Nach der französischen Revolution war Frankreich ein moderner Nationalstaat geworden und Napoleons Grand Arme überrollte ganz Europa. Als er das heilige römische Reich besetzte,
löste er es auf und formte die Staaten des Nordens so um wie es ihm passte, und natürlich führte er auch seine staatliche und gesellschaftliche Ordnung ein.
Lange währte sein Glück nicht, denn verschiedene Armeen besetzter Staaten wurden mobilisiert, ihn wieder zu verjagen. Da die staatlichen Strukturen nach der großen Völkerschlacht bei Leipzig eh schon in den Dutten lagen,
konnte man auf dem Wiener Kongress eh die Karten neu mischen. Der Adel zog sich viele hübsche Grenzen und so entstanden mehrere kleine Staaten, mit Österreich und Preußen an der Spitze - und sie fanden sich erneut in einem Zweck-Bund zusammen, dem deutschen Bund.
Während der Adel weiterhin seine
kleinen Machtspielchen ausübte und
Kleinstaaterei betrieb, keimte in der Bevölkerung hie und da eine neue Bewegung: Der Nationalismus. Er erfasste nur kleine Teile, vor allem gebildetes Bürgertum. Die Nationalisten hatten das ewige
Hick-Hack den kleinen Staaten satt und wollten die, die im früheren Mittelalter noch die vielen kleinen Stämme gebildet hatten; die Deutschen, in einem einzigen großen Staate vereinen. Die Bewegung wuchs und wuchs, und in jener Zeit - der Romantik - wurde man
gerne mal etwas ausschweifend und verklärend, weswegen bald der Mythos eines einigen deutschen Volkes mit einiger deutscher Kultur und Sprache und so weiter geschaffen wurde. Die Bewegung der Nationalisten bekam ihren ersten Höhepunkt in der deutschen Revolution, zu der neben dem National-Gedanken auch viele gesellschaftliche Missstände geführt hatten, die aber weitestgehend erfolglos niedergeschlagen wurde. Erst ein adeliger preußischer Minister, Otto von Bismarck, vermochte die Einigung herbei zu führen. Allerdings
nicht aus deutschem Nationalismus, sondern aus preußischem Machtstreben. Daher löste er kurzerhand den deutschen Bund auf und gründete 1871 den ersten Staat, der
so ziemlich die meisten Deutschen in sich hatte. Natürlich aber
ohne Österreich, Preußens ewigen Konkurrenten, das fortan eigene Wege ging...
Wie man also sieht ist die "
deutsche Geschichte", wenn es denn eine solche gibt, keineswegs die einer Einheit oder gar die
eines Volkes.
Es ist eigentlich eine Geschichte unzähliger kleiner Stämme und Staaten, die in sich selbst schon alles andere als homogen waren. Es ist eine Geschichte von Staaten, die später als deutsch verstanden wurden - wie Österreich oder Preußen - die aber ganz viele unterschiedliche Völker und Kulturen in sich beherbergten. Und es ist eine Geschichte unzähliger kleiner Stämme und Staaten, die von der Ethnie her wohl ziemlich deutsch gewesen sind, aber heute nicht mehr so verstanden werden - etwa England, Holland oder Schweden. Große Teile des heutigen Deutschlands waren lange Zeit nicht von uns bewohnt, und große Teile des heutiges Auslands aber schon.
Deutschland ist ein Begriff, der verteilt über die Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, immer wieder etwas anderes bedeutete und immer wieder ganz andere Gegenden meinte.
Die Urstämme vom Anfang haben ihre Spuren in ganz Nord-Europa hinterlassen, doch alld iese Spuren haben sich mit fremden Völkern vermischt. Während sie in Skandinavien, England und Holland schon früh zu Reichen und großen Staaten wurden, blieben sie bei uns eigentlich immer sich bekriegende, verteilte und kleine Stämme und Staaten. Als wir Germanen genannt wurden, als wir Ostfranken waren, als wir im heiligen römischen Reich waren, und auch im deutschen Nationalismus.