(20.06.2017)Nightshroud schrieb: Wo gibt es denn in unserem System inhaltlichen Konkurenzdruck? Die Parteien sind sich so ähnlich, dass es als Wähler der Etablierten kaum Sinn mach irgendwas anderes als CDU zu wählen.
Du hast dir deine Frage eigentlich schon selbst beantwortet: Dass vor Allem die Sozialdemokraten (und auch die Grünen) nach Schröder so massiv abgefallen sind, ist hauptsächlich durch die nahezu vollständige, und über alle Maße sturköpfige Verinnerlichung der Third Way-Politik zu begründen: Irgendwo bleibt zwar linke Bürgerrechtspolitik, aber die wirtschaftlichen Maxime könnten neoliberaler & konservativer nicht sein. Die Agenda 2010 hätte ja genau so gut aus der Feder von Christ- und Liberaldemokraten stammen können. (Letztere durchliefen im letzten Jahrzehnt ja auch die ein oder andere Existenzkrise durch Profilverlust.)
Die SPD und CDU unterscheiden sich also inhaltlich kaum noch. Phänomene wie Martin "Die Ente" Schulz belegen jedenfalls, dass bei der SPD ungeheures Wählerpotenzial schlummert. Die kurzlebige Euphorie um den Kanzlerkandidaten hätte vermutlich auch noch bis zur Bundestagswahl angehalten, hätte man denn die Corbyn-Strategie gefahren. Der Labour-Vorsitzende aus Großbritannien hat ja "historisch gute" Ergebnisse für seine Partei eingefahren, und das weil er den britischen Sozen, gegen Widerstand von innen und außen, einfach einen neuen programmatischen Anstrich verpasst hat.
Er wendet sich gegen die britische Monarchie, Nuklearwaffen, den Third Way und damit auch gegen Studiengebühren oder die Privatisierung des öffentlichen Sektors. Und das mit großem Erfolg, momentan sitzt Labour mit einem Zuwachs von über 30 Mandaten im Parlament, die Tories haben ihre absolute Mehrheit verloren und sind jetzt auf die radikaleren Nordiren angewiesen.
Würde sich jedenfalls die hiesige SPD-Spitze nun mal ihrer Basis beugen und sich aus dem Schröder-Blair-Moloch befreien, dann gäbe es auf Bundesebene vermutlich auch wieder viele Stimmen mehr und eine merklich schwächere CDU. So ist und bleibt es allerdings ein Trauerspiel, selbst wenn man - wie meine Wenigkeit - nicht mit den Sozialdemokraten sympathisiert.
Sprich, und um auf die Frage zurück zu kommen: Der Konkurrenzdruck durch Inhalt äußert sich maßgeblich im parlamentarischen Stimmzuwachs / Stimmverlust. Wenn sich gesellschaftliche Klientel durch ihre eigentliche Stammpartei und deren Politik ausgeklammert und ignoriert sehen, dann strafen sie das eben damit ab, dass sie sich abwenden & migrieren. Das manifestiert sich dann sowohl im Erschlaffen alter, als auch im Erstarken neuer Parteien. Ergo auch dynamische Machtkonzentrationen, an denen die Parteien selbstverständlich interessiert sind, es geht ja darum ihre eigene jeweilige Position zu stärken.
Und nur, dass du mich nicht falsch verstehst: Ich halte unser Parteiensystem längst nicht für perfekt. Aber ich befinde es für wesentlich besser als "Winner-takes-All" und paradoxe Persönlichkeits-Schlammschlachten.
(20.06.2017)Nightshroud schrieb: Alle etablierten Parteien in D sind als Sozialdemokraten getarnte Neokons, die sich nur im Grad ihrer scheinbaren Progressivität unterscheiden.
Es präsentiert auch niemand vereinnahmende und begeisternde Zukunftsvisionen.