Naja, grundsätzlich soll der Fragenden natürlich geholfen werden. Ich versuch dann mal mein Glück:
Wie Smilley schon angedeutet hat, geht es um die Frage welchen Einfluss ein Abgeordneter tatsächlich auf die Gesetzgebung nehmen kann.
Unser System erwartete ja, idealerweise, dass die Wähler Abgeordnete ihres Vertrauens in den Bundestag oder jedes andere Parlament wählen, damit diese dort dann entsprechend Einfluss nehmen können.
Wenn du also beispielsweise Norbert K. deine Stimme gibst, dann sagst du damit, dass du Norbert für die fähigste Person hälst, bei Fragen über das Allgemeinwohl zu entscheiden. Der Abgeordnete ist, wie es in unserer Verfassung so schön heißt: "[..]an Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen." Norbert darf also selber entscheiden wie er abstimmen will. Zumindest sieht das Ideal so aus.
So, die Koalitionsrunden sind einer der vielen Bereiche wo die Theorie und die Realität nicht genau zusammen passen. Ein Abgeordneter ist meistens Teil einer Partei und nicht einmal diese sind immer genau einer Meinung. Außerdem hat nicht jeder Mensch Kompetenzen und Interessen für alle Gebiete. Wenn man aber in der Politik die eigenen Ziele erfolgreich umsetzen will, muss man Teamplayer sein. Man muss als Partei Aufgaben verteilen, damit nicht jeder Abgeordnete alle Themen gleichermaßen bearbeiten muss. Auch ein Tag in Berlin hat nur 24 Stunden und sowas wäre für keinen menschlichen Verstand zu stemmen.
Wenn du ein Bundestagsmandat hast, musst du lernen auf deine Kollegen und ihre Expertise zu vertrauen, denn sonst ist eure Partei uneins und eine Partei die keine bindenden Zusagen machen kann ist im politischen Betrieb völlig wertlos.
Das gilt besonders bei Koalitionsrunden. Hier versuchen zwei Parteien ihre Politik miteinander auszuhandeln. Das ist einfacher möglich, wenn beide Parteien nur ihr Spitzenpersonal schicken. kannst du sicher nachvollziehen, denn Verhandlungen mit beispielsweise 10 Personen im Raum sind wesentlich leichter umsetzbar, als Verhandlungen mit über 300 Personen, die alle ihren Senf dazu geben möchten. Bei diesen Koalitionsverhandlungen müssen dann aber manchmal schmerzhafte Kompromisse gemacht werden, da man sich nicht mehr nur in der eigenen Partei (also relativ ähnlichen Grundinteressen) bewegt, sondern jetzt mit Leuten verhandeln muss, die manchmal ganz andere Ziele verfolgen.
Was ist also das Problem für den einzelnen Abgeordneten? Er wird nicht gefragt, sondern muss blind darauf vertrauen, dass seine Parteigenossen das bestmögliche Ergebnis ausgehandelt haben. Juristisch ist er in Deutschland nicht gezwungen das Ergebnis immer mit zu tragen, es lastet aber ein ungeheurer Druck auf ihm sich konform zu verhalten. Würden er und vielleicht große Teile der eigenen Partei gegen die Vereinbarungen der Koalition stimmen würde die Partei an Glaubwürdigkeit verlieren. Niemand will mit einer Gruppe zusammen arbeiten, wenn man sich niemals sicher sein kann, ob die Gruppe dann auch tatsächlich macht, was ihre Vertreter versprochen haben. Ohne die Hilfe anderer Parteien kann aber niemand hier in Deutschland effektiv Politik machen. Deshalb braucht es das, was die Parteien "Fraktionsdisziplin" nennen. Die Fraktion muss im Bundestag geschlossen auftreten um ihre Ziele effektiv umzusetzen, was den einzelnen Abgeordneten dazu zwingt in bestimmten Themen anders abzustimmen, als er es eigentlich für richtig hält. Nur um die Zusagen seiner Fraktion gegenüber einer anderen Partei zu erfüllen. Das Verprechen unserer Verfassung, der Abgeordnete sei nur seinem eigenen Gewissen unterworfen, wird damit abgeschwächt.
Das zweite Problem ist, dass die Koalitionsrunden nicht formal-juristisch bestimmt sind. Nirgendwo in der Verfassung steht wie eine Koalitionsrunde auszusehen hat, wie sie abläuft und was für Dinge sie zu entscheiden hat. Die Verhandlungen finden außerhalb der Institutionen unseres Staates in abgeschlossenen Räumen irgendwelcher Parteizentralen statt. Dabei werden dort die politischen Richtlinien der Regierungsarbeit bestimmt. Außerhalb der Institutionen heißt dann natürlich auch: "Nicht öffentlich!"
So, ich denke ich warte jetzt erstmal ob dir das hilft. Sonst tippe ich hier noch mehr hin was am Ende vielleicht garnicht gebraucht wird.
Den Wind können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen.
- Lucius Annaeus Seneca -