(17.05.2015)Odinsson schrieb: Netter Film.
Die Interviews sind der hammer
Allerdings, man merkt wieder, das das Reporter Team den westen teils für was besseres hält.
So, komplett angeguckt... aha, produziert im Herbst 1984, also relativ kurz nach dem Beschluß zur durchgreifenden Elektrifizierung der Reichsbahn (nachdem der "große Bruder" / "die Freunde" den Ölpreis, der der DDR in Rechnung gestellt wurde, auf Weltmarktniveau angehoben hatten und Diesel damit über Nacht irrsinnig teuer wurde), das erklärt einiges. - Woher ich das mit Herbst 1984 weiß? Ganz einfach: anhand der Parolen zum 35. Jahrestag der DDR, und dieser Jahrestag (7. Oktober, wen es genau interessiert - jaaaa, ich bin DDR-Staatsbürger, ich bin dort geboren und hab die ersten 13 Jahre meines Lebens dort verbracht) wird auch gegen Ende nochmal im Brigadetagebuch erwähnt.
Das, was im Film so allgemein über die Reichsbahn gesagt und gezeigt wurde, stimmt alles, ist alles objektiv - sowohl das aus der Sicht der Fahrgäste (mit der Sauberkeit war es wirklich nicht zum Besten bestellt, man sieht es ja auch am Rollmaterial; und auch die ständigen Verspätungen waren leider wahr) als auch aus der Sicht der Reichsbahner. Sicher waren die fehlenden 2. Streckengleise (die, die 1945 vorhanden waren, waren ja allergrößtenteils von den Russen als Reparationsleistungen demontiert und in die SU abtransportiert worden!
) ein Haupt-Handicap, ebenso wie das eigentlich die Möglichkeiten überfordernde Güterverkehrs-Transportaufkommen der 80er... andererseits aber eben auch soziale Sicherheit und Mobilitäts-Daseinsfürsorge, das waren damals noch keine hohlen Phrasen, wie das heute der Fall ist.
Und den ideologischen Theaterdonner eben z.B. in Form der Brigade-Abende gab es wirklich, genau in der Form... wobei man der Ehrlichkeit halber dazusagen muß: die meisten waren eher nur körperlich anwesend, wirklich engagiert haben sich eher die "Hardliner". Dieses ideologische Brimborium war aber allgegenwärtig... ging bereits in der Schule mit den "Pionier-Nachmittagen" los.
Wobei... manches hat sich bis heute nicht verändert, etwa der Gedanke des Wettbewerbs und der Einsparungen - nur heute unter gänzlich anderen Vorzeichen
Würde mich ja interessieren, was aus der damals 19jährigen Zf geworden ist (übrigens ein fachlicher Fehler: Zf konnte man bei der Bundesbahn nach allem, was ich weiß, erst ab 21 werden, vorher lediglich Zs; generell wurde der Jugend in der DDR aber mehr zugetraut und auch deutlich mehr berufliche Verantwortung übertragen als in der BRD - in der DDR konnte man mit 18 z.B. den Straßenbahn-Führerschein machen und war dann eben auch schon mit 18 für vollbesetzte Straßenbahnzüge mit bis zu 500 Menschen hinten drin voll verantwortlich; BRD-Altersuntergrenze hierfür: 21), ob sie dabeigeblieben ist und was nach der Wende beruflich aus ihr wurde
Der Genosse Jahn (bitte: nicht "Herr"! "Die Herren sind ausgestorben!"
- bekam man bei der NVA tatsächlich zu hören, wenn ein Angehöriger auf einen Brief etwa geschrieben hatte "Herrn Kanonier Soundso"
- Außerdem war er in der SED, wie gleich am Anfang gesagt wurde, deshalb paßt für ihn die Anrede "Genosse" auf jeden Fall) wäre inzwischen ja 87 Jahre alt, wer weiß, ob er überhaupt noch lebt. Zur Wiedervereinigung war er dann also 62... Vorruhestand, nehm ich mal ganz stark an.
Ja, interessantes Stück Zeitgeschichte... und daß der Reporter teilweise den Westen für das bessere Deutschland hielt, na gut, das war damals allgemeiner Zeitgeist. Durchaus aber auch im Osten in der... ähm... ideologisch nicht ganz so "gefestigten" Bevölkerung, daß man in "denen von drüb'n" bessere und überlegene Menschen sah.