Na, diese Streikankündigung sorgt ja wieder für reichlich Emotionen - verständlich allemal. Hab mal vorhin alles nachgelesen hier und jetzt endlich die Zeit, paar Sachen zu beantworten.
Wer ist für die Privatisierung und damit indirekt den derzeitigen Ist-Zustand (keine verbeamteten Lokführer mehr, die *nicht* zum "Bundesbahn-Altbestand" gehören) verantwortlich?
Kann ich euch ganz genau sagen: die Bundesregierung Helmut Kohl der Legislaturperiode 1990 - 1994. Diese Bundesregierung hat - gegen den Rat aller Verkehrsexperten! - die Zusammenschließung beider deutscher Staatsbahnen (Deutsche Reichsbahn und Deutsche Bundesbahn) beschlossen (das war noch sinnvoll) - und deren gleichzeitige Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, die zu 100% dem Bund gehört, aber keine Behörde mehr zu sein hatte, sondern ein nach den Regeln der freien Wirtschaft privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen mit dem Langfristziel, die Anteile des Bundes an der Börse an Investoren zu verkaufen. Führte zu den uns allen bekannten Konsequenzen, an denen das System Eisenbahn in Deutschland seit nunmehr 20 Jahren massiv krankt -
das ist politisch so gewollt. Längst hätte es in der Macht diverser Bundesregierungen gestanden, hier korrigierend einzugreifen, aber was geschah bisher? Richtig - gar nichts.
(04.11.2014)Atomicorn schrieb: Niicht in meinen vier tagen schicht!! Ahh neiiin mein 12 -stunden sonntag wird die hölle!! wieso? Wieso?
Ähm, ich kann zwar nicht gut öffentlich zu irgendwelchen Sachen aufrufen, aber du bist auch nur ein Mensch, und Menschen können sich durchaus auch mal unpäßlich oder gar krank fühlen
- Was würde denn passieren, wenn du - nur mal angenommen - dich krankmeldest? Schlimmstenfalls ist die Zugansage unbesetzt. Und weiter? Klar, ärgerlich für die Leute am Bahnsteig, die nun gar keine Durchsagen mehr zu hören bekommen... aber du wirst furchtbar lachen: im Bereich "meiner" S-Bahn hier ist das spätestens ab 22 Uhr abends der absolute Normalzustand. Finden nachts Bauarbeiten statt oder gibt es eben abends irgendwelche Großstörungen (sei es, daß in der Tunnelstammstrecke mal wieder die Oberleitung unten liegt, weil ja unbedingt wieder einer so einen hübschen bunten metallbedampften Luftballon mit in die Station bringen und ihn dort dummerweise loslassen mußte und er in die Leitung segelte und 15 kV brückte; seien es Unwetterauswirkungen, sei es ein PU oder sonstwas), kommen an den Bahnsteigen auch genau
null Informationen - Reisendenlenker sieht man seltsamerweise in solchen Fällen auch nie; dann sollen wir mit den Außenlautsprechern unserer S-Bahnen Fahrgastinformation spielen
- oder die Leute gleich persönlich informieren. Geht beides nicht, ich habe einen Fahrplan und hinter mir Leute im Zug, die pünktlich ankommen wollen, da haben die anderen - so hart das klingt - Pech gehabt, aber irgendwie geht das auch. Und das, wie gesagt, standardmäßig, weil ja aus Rat.-gründen die Zugansage / das Ansagezentrum abends und nachts nicht mehr besetzt ist
Deshalb: wie gesagt: auch eine Zugansagerin kann sich mal unpäßlich fühlen... tjaaaa... das soll vorkommen
So. Was haben wir sonst noch?
Natürlich. Die öffentliche Entrüstung und die DB, die mal wieder der GDL die Alleinschuld zuweist. Aha. - Wie lange war jetzt Streikpause? Zwei volle Wochen, richtig? - Und in diesen geschlagenen
zwei Wochen bringt es die DB nicht fertig, mal in die Hufe zu kommen und der GDL was vorzulegen?
Und dann wird auch noch gejammert?! Sorry - aber diese Reaktion hat sich das DB-Management selber zuzuschreiben; Beschwerden, Wünsche und Anregungen bitte dorthin. - Oh, sicher, es wurde was vorgelegt - die GDL-Seite ist zwar immer noch down (Cloudflare hat mir allerdings verraten, daß der Fehler beim GDL-Server liegt), der Tarifvertragsentwurf der DB ist aber auf einem anderen Server und noch online (nein, ich verrate keinerlei Interna, habe ich selber auch alles nur dank Google ganz normal gefunden). Bitte sehr, bitte selber lesen:
http://uploads.gdl.de/Aktuell-2014/Press...026103.pdf . Wir sehen: der Entwurf datiert vom 31.10.2014. Man hat DB-seitig also fast zwei Wochen verstreichen lassen und jault jetzt rum?!
- Dann wurde dieser Entwurf seitens des GDL-Hauptvorstandes und der Tarifkommission einstimmig abgelehnt - kritisiert wurden die §§ 6 und 7. Bitte selber lesen... schwer verdaulich? Mag sein. Ging mir auch so, deshalb muß ich mich da auch auf die Aussagen der Tarifkommission verlassen - DAS sind die Leute, die solche Texte verstehen und interpretieren können. Läuft aber darauf hinaus, daß die GDL sich faktisch dem Tarifdiktat der EVG zu unterwerfen hat, sofern diese von den GDL-Forderungen abweichende Forderungen erhoben hat - und sowie ein Tarifvertrag mit der EVG existiert, soll die GDL die Füße stillhalten und hat nichts mehr zu melden und erst recht kein Streikrecht mehr. - Ja, aber sonst ist das Leben noch frisch?!
Kein Wunder, daß die GDL-Führung diesen Entwurf abgelehnt hat, ihr bleibt ja gar nichts anderes übrig! - Mir persönlich stößt auch noch der §8 äußerst sauer auf - guckt euch mal die Laufzeit an
Bis Dezember 2019 - also
5 Jahre! Nicht etwas lang in der heutigen Zeit...?
Dann besuchen wir als nächstes mal
die Homepage der GDL-Ortsgruppe Mannheim, die ist nämlich noch online. Dort findet sich die Pressemitteilung vom Montag, 03.11.2014; ich hebe mal die wichtigen Passagen hervor; Spoilerkasteninhalt = Fullquote:
Der Hauptvorstand und die Tarifkommission der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) haben heute in Berlin einstimmig den Tarifvertragsentwurf zur Regelung tariflicher Verfahrensfragen der Deutschen Bahn abgelehnt.
GDL-Bundesvorsitzender Claus Weselsky: „Mit diesem Tarifdiktat hat die DB erstmals eindeutig ihr rechtswidriges Verständnis des Grundgesetzes Artikel 9 Absatz 3 schriftlich niedergelegt. In den §§ 6 und 7 des beiliegenden Entwurfs diktierte sie der GDL trotz mehrfacher Ablehnung in den Hintergrundgesprächen sowohl die Nichtzuständigkeit für einen Teil ihrer Mitglieder als auch den Verzicht auf das Streikrecht. Aus dem Tariftext geht unmissverständlich hervor, dass die GDL freiwillig und ohne jegliche Begründung ihre eigenen Grundrechte und die Grundrechte ihrer Mitglieder mit Füßen treten sollte.“
Keinerlei Änderungen der GDL erlaubt
DB-Personalvorstand Ulrich Weber lehnte am Sonntagabend sogar das Angebot der GDL ab, den Tarifvertragsentwurf vor dem Hauptvorstand und der Tarifkommission zu erläutern. Dies aus dem einzigen Grund: Keinerlei Änderungswünsche der GDL sollten berücksichtigt werden! Weselsky: „Der Tarifeinheitswahn der DB geht soweit, dass sie siegessicher das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit all ihrer Mitarbeiter in Frage stellt und dies von den beteiligten Gewerkschaften als Grundvoraussetzung für die Tarifverhandlungen 2014 per Unterschrift fordert.“ Dabei wurde der GDL-Verhandlungsdelegation in den Hintergrundgesprächen permanent suggeriert, dass die Hausgewerkschaft EVG dazu bereit sei.
Nicht Teilnahme an Verhandlungen, sondern Tarifierung von Inhalten maßgeblich
Die GDL-Gremien sind nicht bereit, die Interessen ihrer Mitglieder zu verraten, um eine Scheinzuständigkeit für Zugbegleiter zu akzeptieren. „Wer seinen Mitgliedern weismachen will, dass allein die Teilnahme an Verhandlungen das erstrebenswerte Ziel ist und nicht die Tarifierung von Inhalten, der wird seiner Verantwortung nicht gerecht“, so der GDL-Bundesvorsitzende. Deshalb werden Lokomotivführer, Zugbegleiter, Lokrangierführer, Bordgastronomen, Trainer und Disponenten auch weiterhin für die von ihnen selbst aufgestellten Forderungen kämpfen. Die GDL dürfte nach diesem Tarifdiktat mit der DB zwar theoretisch über die Forderungen für das Zugbegleitpersonal verhandeln, aber die Entscheidung, welche Inhalte tatsächlich tarifiert werden und welche Tarifstruktur maßgebend ist, soll allein eine Gewerkschaft treffen, der die GDL-Mitglieder nicht angehören wollen. In den Forderungen zur Tarifrunde 2014 ist klar erkennbar, dass die GDL von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Welten in der tarifpolitischen Ausrichtung trennen. Während die GDL ihr Hauptaugenmerk auf Überstundenbeschränkung, Belastungssenkung und verbesserte Schichtgestaltung legt, ist das Forderungspaket der angeblich zuständigen Gewerkschaft bar jeder Anerkenntnis der Überlastung des gesamten Zugpersonals.
DB will einheitliche Rahmenregelungen beerdigen
Auch die von der GDL erkämpfte Tarifstruktur mit einheitlichen Rahmenregelungen für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen, die zusammen mit dem Betreiberwechseltarifvertrag die notwendige Beschäftigungssicherung für Lokomotivführer schon gewährleistet und in Zukunft für das gesamte Zugpersonal gelten soll, will die DB mit diesem Tarifdiktat beerdigen. Hierbei wird klar erkennbar, dass die DB als Wasserträger für alle Arbeitgeber im Eisenbahnverkehrsmarkt den einzig gültigen normativ wirkenden Flächentarifvertrag atomisieren und damit die Arbeitsplatzsangst im Wettbewerbsmarkt und die Lohnspirale nach unten wieder in Gang setzen will. Weselsky: „Wir durften zwar mit viel Tamtam unsere Forderungen erheben, solidarisch für die und mit den nicht so durchsetzungsstarken Zugbegleiter auch streiken, sollen aber jetzt unterschreiben, dies nie wieder zu tun.“ In Zukunft könnte die GDL für ihre Mitglieder im Zugbegleitdienst nichts mehr umsetzen. Deshalb haben die GDL-Gremien einstimmig entschieden, dass es ein solches Verfahren nicht geben wird.
DB provoziert weitere Arbeitskämpfe
Die erneute Vorlage eines Tarifdiktates der DB provoziert weitere Arbeitskämpfe. Die GDL wird darüber rechtzeitig informieren.
Keine ganz einfache Materie, das alles; das gebe ich ja sofort zu. Aber es hat auch nie jemand behauptet, daß alles ganz leicht und ganz einfach wäre
Dann mal ein Wort zu den Überstunden und dem, was ich hier irgendwo gelesen habe:
(04.11.2014)Lihannanshee schrieb: Alles wegen der Bereitschaft, einfach mal kollegial zu sein und Überstunden zu machen.
Tja. Wenn es denn nur
mal wäre.
Ist es aber nicht - es ist Dauerzustand! Und freiwillige Besserung aus Richtung Arbeitgeberseite ist nicht mal annähernd in Sicht, im Gegenteil - "es läuft doch alles prima, wozu also irgendwie handeln"! Sowas bekommen wir tatsächlich innerbetrieblich zu hören.
Ich nehme als Beispiel mal mich selber. Wochenende 29.-31.08.2014:
Bronies.de - Sommerzeltlager. Ich wollte auch kommen und hatte schon Wochen vorher geguckt: prima, das Wochenende habe ich frei. Wunderbar, also zugesagt und 6. August 30 € bezahlt - klar, solche Treffen muß man vorher bezahlen, die Orga muß ja Zeugs einkaufen, eventuell was anmieten usw., kennen wir alles. - Was geschah? An diesem Wochenende ging das Drama mit den nicht mehr vorhandenen Personalen los... und die Lokleitung fragte an, ob ich nicht Freitag noch eine Nachtschicht machen könnte. Tja... was tut man da...? Lehnt man ab, ist man - auf Deutsch - der Arsch für die Lokleitung und Kollegen. Macht man die Nacht, kann man das Treffen vergessen... da ich Wert auf ein gutes Verhältnis zur Lokleitung (ach so: Lokleitung = unsere Personaldisposition) lege, habe ich die Nacht gemacht. Hatte ursprünglich vor, dann eben Samstag noch zum Treffen zu fahren, das wurde aber ZU knapp - zumal ich in dieser Nacht auch noch länger machen durfte. Durchmachen, direkt aus der Nachtschicht zum Treffen fahren? Aussichtslos, dazu bin ich nicht "fit" genug. Später am Tag anreisen? Auch nicht sinnvoll, dann wäre ich für wenige Stunden nur dort gewesen, aber mit ewig weiter An- und Abreise. Eigentlich wollte ich ja Freitag ganz entspannt hinfahren, aber das konnte ich dank Personalknappheit ja nun knicken. Ergebnis: das Treffen fiel für mich ins Wasser - dank der Arbeit. Prima. Die 30 € konnte ich abschreiben - von der DB bekomme ich die mit Sicherheit nicht wieder.
Klar, ich hätte versuchen können, sie wegen Nichtteilnahme vom Bronies Thüringen e.V. zurückzuverlangen, aber tut man das? Ich jedenfalls nicht - weil ich weiß, daß dieser Beitrag von mir ja auch dazu gebraucht wurde, eben den Ort anzumieten und Sachen einzukaufen. Habe ich für mich also als Spende an den BTeV verbucht - das Treffen war dank zusätzlicher Arbeit trotzdem im Plot für mich.
Drei Wochen später, wir haben inzwischen das Wochenende 19.-21.09.2014, das Wochenende der
LOVEMUFFIN2 in Berlin. Wieder war es mein Plan-Ruhetagswochenende, ich hatte lange im Voraus geguckt, daß ich frei habe und kommen kann, und bereits am 20. Mai dieses Mal 95 € bezahlt (Hotelticket). Und wieder kam der Anruf, sie hätten am Wochenende keine Leute, ob ich nicht könnte und sollte...
- man rechnete sogar fest mit meiner Zusage zur Mehrarbeit!
Dieses Mal habe ich mich dann allerdings doch für die LM2 entschieden, weil ich einerseits nicht schon wieder privates Geld in den Wind schießen wollte (dieses Mal ja auch mehr als das Dreifache des ersten Betrages!) und andererseits sich in Berlin, wo ich sonst nicht hinkomme (zu weit weg), eigens gleich mehrere Leute Zeit für mich genommen hatten - da habe ich dann gesagt, mal ist auch Schluß mit der Mehrarbeit, irgendwo habe ich auch noch sowas wie ein Leben
Zumal ich sonst
immer da bin.
An diesem Samstag fielen hier bei der S-Bahn erstmals Züge aus. Ich weiß nicht, ob sie NUR ausfielen, weil ICH nicht kam, oder meine (Nicht-)Anwesenheit gar keinen so großen Anteil gehabt hätte, aber es fielen welche aus. Noch nichts wirklich Großes, nur ein paar Verstärkerzüge der S1 vorerst, in denen sowieso kaum Leute mitfahren... die anderen Ausfälle betrafen Zugverstärkungen und Zugschwächungen, heißt, die Züge fuhren nicht in den Zuglängen, die in den Plänen stehen (sie fuhren sowohl als zu lange als auch als zu kurze Züge). Bin ich deswegen nun unkollegial, bin ich deswegen ein schlechter Lokführer?
Seither fielen an ausnahmslos JEDEM Samstag Züge aus. Eine Woche nach der LM2 fiel die gesamte Linie S9 aus und von der S1 auch wieder die ganzen Verstärker, seither fallen die S1-Verstärker schon fast planmäßig aus... eine wunderbare Personalsituation. Ich selber war seither auf keinem einzigen Treffen mehr - weil es schlicht nicht geht!! Weil schlicht die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben nicht mehr besteht!
Beim Lunafest bin ich allerdings - dieses Wochenende habe ich mir mit Urlaubstagen schon vor inzwischen Monaten fest "verriegelt", damit da erst gar keiner ran kann. - Ansonsten nehme ich die aufgelaufenen Mehrleistungstage natürlich in Form zusammenhängender Ersatzruhen und fahre nach Hause nach Sachsen - das muß ich auch. Denn bin ich hier, habe ich keine Ruhe: es gehen IMMER, praktisch TÄGLICH, Löcher in der Personalplanung auf, ich MUSS gewissermaßen abhauen, wenn ich wirklich paar Tage am Stück frei haben will (und wenn man mal vier Wochen am Stück durchgearbeitet hat mit nur den gesetzlichen Mindestruhen, dann braucht man das auch einfach - denn sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Konzentration so weit am Arsch ist, daß man günstigstenfalls übers rote Hauptsignal segelt oder ungünstigstenfalls einen plattfährt, in beiden Fällen darf man hinterher jede Menge unangenehmer Fragen beantworten und hat auch ganz konkrete berufliche und finanzielle Nachteile zu tragen).
Das ist eben das Problem mit der Vereinbarkeit Beruf vs. Privatleben. Irgendwo stand hier was von "Familie ernähren". Moment, ich suche es...
(04.11.2014)Killbeat schrieb: ich möchte mal gerne wissen was die ihren Familien erzählen werden, wenn die wegen Sparmaßnahmen entlassen werden müssen. Von "Wir haben für unser Arbeitsrecht gekämpft" kann man sich nichts kaufen oder seine Familie ernähren
Weißt du, wie viele Familien eigentlich in unserem Beruf durch unseren Beruf allein krachen gehen?
Lokführer ist einer der Berufe mit den höchsten Scheidungsraten überhaupt!
Es ist nicht nur einem Kollegen schon passiert, daß er nach der Schicht nach Hause kam, und die Frau (wenn vorhanden, auch mit Kind(ern)) war samt ihrem Kram verschwunden, und alles, was blieb, war der Zettel auf dem Küchentisch mit der Adresse ihres Scheidungsanwalts!
Tut mit leid, aber wenn ich solche Äußerungen lese, sind die für mich einfach nur böser Hohn... auch wenn sie mich persönlich nicht betreffen, ich habe es selber nie geschafft, eine Frau oder gar eine eigene Familie zu haben.
Grund ist regelmäßig eben die miserable Vereinbarkeit Beruf vs. Privatleben - durch die absolut unregelmäßigen Schichten und die ständigen Überstunden! Da hat der Kollege der Frau zugesichert, an diesem oder jenem Wochenende frei zu haben, damit sie dieses oder jenes unternehmen könnten - ja denkste, zwei Tage zuvor ruft die Lokleitung an und drückt ihm kurzfristig noch ne Schicht rein, treffsicher natürlich an diesem Wochenende. Was nu'? Krankmelden? Damit der Arsch für die Kollegen sein? Außerdem brauchst du nach so einem Krankenschein der Lokleitung die nächsten drei Monate gar nicht mehr mit eigenen Anliegen kommen. Einfach zuhause bleiben? Auch nicht besser. Der Frau absagen? Dann ist sie fort. Egal, was du tust, egal, wie deine Lösung aussieht - sie ist FALSCH
Und da lese ich dann was von "Familie ernähren"? Tut mir leid, daß ich dafür nur ein bitteres Lachen übrig habe.
Dann gibt es ja die ganz Schlauen, die mit dem Argument kommen: "Das habt ihr doch alles vorher gewußt". Gut, ich gucke wieder in den Spiegel.
Ich fahre seit 2004 hier S-Bahn. Wußte ich 2004, daß ich 8 Jahre später Brony werden würde und auf Treffen gehen will? Nein, wußte ich nicht. Wußte ich damals, daß wir als S-Bahn-Lokführer immer mehr und mehr im Glaskasten sitzen, idealerweise (heißt: in der Arbeitgebervorstellung) ständig auf dem Präsentierteller für die Fahrgäste, am besten auch noch ständig ansprechbar, und immer mehr Serviceaufgaben zu übernehmen haben? Nein, das wußte 2004 noch keiner. Darf ich mich persönlich also niemals weiterentwickeln, darf ich mich nie verändern? Klingt für mich ja ganz danach
Dann hätte ich also mit Vertragsunterzeichnung Ende 2003 sozusagen mein Leben komplett an den Arbeitgeber abgetreten, richtig? Damals wollte ich zu keinerlei Treffen, ich war in keinem Fandom oder bei einem Hobby, bei dem mir Treffen was gebracht hätten. - Nun hat sich meine persönliche Lage aber verändert, weiterentwickelt: ich will heute bestimmte Leute treffen, auf Brony-Treffen auch mal meinen Spaß haben - aha, ist das zuviel verlangt?
Ja, dann entschuldigt bitte dreimaldreimal, daß ich mich erdreiste, inzwischen auch so was wie ein nennenswertes Privatleben zu haben, wie kann ich denn auch nur. - Ich gucke jetzt schon bei jedem Treffen, zu dem ich fahren will, vorher in den Dienstplan - und an den meisten Wochenenden muß ich eben arbeiten und kann die Treffen eben *nicht* besuchen. Ist dann doch mal eines dabei, wo ich planmäßig frei habe UND ein Treffen stattfindet, das ich (von der räumlichen Entfernung her) besuchen kann (und das mir persönlich auch von der Veranstaltung her groß genug ist, daß sich die affenweiten Anreisen auch lohnen), dann kommen nur zu gerne wieder solche "Querschläger" wie oben beschrieben - aha, aha, und all das wußte ich ja vorher? Wie gesagt, ich bitte höflichst um Entschuldigung, daß auch ich mich weiterentwickelt habe in all den Jahren und eben heute nicht mehr der bin, der ich 2003 / 2004 mal war.
Zählt alles nicht? Pech gehabt? Such dir vielleicht 'nen anderen Job?
Ihr werdet lachen: genau das tun massenweise Kollegen. Immer. Ständig.
Unsere S-Bahn hat einen Planbestand von rund 400 Lokführern. Der Krankenstand liegt dauerhaft zwischen 8 und knapp 13% (derzeit ist er hart an den 13% dran) - und die Fluktuation ist absoluter Wahnsinn. Es gibt eine Art "harten Kern", das sind Lokführer, die seit ewigen Jahren (die meisten davon schon länger als ich) bei der S-Bahn sind - aber es gibt wesentlich mehr, die sieht man einmal, zweimal und dann nie wieder, weil sie ruck-zuck wieder fort sind. - Beispiel Ober Roden: die Hälfte der Leute dort kommt aus dem Odenwald. Zum Fahrplanwechsel macht DB Regio in Dieburg eine neue Meldestelle auf - die halbe Einsatzstelle Ober Roden hat sich darauf beworben und ist damit von der S-Bahn weg! Wer dann die entsprechenden Ober Rodener Schichten fahren soll: absolut keine Ahnung... Und so geht es weiter. Kollegen entschwinden zum Fernverkehr, zum DB-Fuhrparkservice, in die Transportleitung, ja sogar zu Privatbahnen... nur weg, weg, weg von der S-Bahn; und die Abgänge können nur mühsam bis gar nicht durch ausgelernte Azubis (die in aller Regel aber auch nicht lange bei der S-Bahn bleiben; wenn ich so überlege, dann sind von rund 50 Lehrlingen die letzten 5 Jahre vielleicht 10 bei der S-Bahn geblieben und davon heute noch glaub ganze drei (!!!) dabei) oder Quereinsteiger (davon gab es mangels ausreichend Ausbildern dieses Jahr gleich mal gar keine!) kompensiert werden. - Woran liegt das nur, daß wir ständig so sehr viele Abgänge haben...? Etwa an spitzenmäßigen Arbeitsbedingungen? Oder weil, wie
(04.11.2014)Holla der Ahnungslose schrieb: Als ob es so anstrengend sein soll auf 3 Knöpfe zu drücken und nen Zug 20 min zu spät zum Zielbahnhof zu bringen.
ja so absolut nicht anstrengend ist und wir auch so absolut rein gar nichts anderes machen als den ganzen Tag nur 3 Knöpfe zu drücken...?
So, das war jetzt jede Menge Text... vielleicht war ja für den einen oder anderen was Interessantes dabei.
Ich lese den Thread weiterhin mit, werde aber natürlich - auch wenn ich als "online" angezeigt werde - nicht alles kommentieren können - ich lese auch manchmal nur in der Pause zwischen zwei Zügen hier rein bzw. gehe zwischendrin nicht erst aus dem Thread oder dem Forum raus, da kann ich aber natürlich nicht gut und erst recht nicht sofort auf Beiträge hier eingehen. Nur damit sich niemand wundert.
Und zum Schluß: damit mir keiner Heuchelei unterstellt, sage ich ausdrücklich nicht, daß es mir für die Fahrgäste leid tut. Ich würde es sagen, dann heißt es aber wieder "dann streik halt nicht mit", was ich aber (wie Odin es schon erwähnte) nicht tun kann und nach dem Verhalten des DB-Managements auch nicht tun werde - wie gesagt, Ulrich Weber, Achim Stauß und die anderen Vorstände, das sind die richtigen Ansprechpartner für all euren (mehr als verständlichen!) Frust. Und bitte nicht "na, dann müßt ihr Lokführer das denen mal sagen" - das versuchen wir seit Monaten, ach was, Jahren; genausogut könnten wir in einen leeren Eimer reinreden. Kommt das "Feedback" von der Kundschaft, hat das möglicherweise mehr Gewicht, als wenn nur wir doofen pöhsen Lokführer irgendwas blubbern.
Ich kann nur jedem empfehlen, Laurons Angebot hier im Thread (seine In-Beitrags-Sonder-"Signatur") anzunehmen... ich selber kann solches leider nicht anbieten, mein Betrieb ist da leider völlig humorlos
Und damit lasse ich es für heute nacht erstmal wieder gut sein. Jetzt in 10 Stunden habe ich nämlich wieder Dienstbeginn, und Pünktlichkeit sehe ich selber für meinen Beruf als absolute Spitzenpriorität an.