(27.02.2014)Odinsson schrieb: (27.02.2014)Railway Dash schrieb: (27.02.2014)Odinsson schrieb: Meist sinds dann ja die Oberen Etagen die bei Hilfaktionen sich quer stellen und nur fragen wer zahlt
Das ist sowas von wahr
Kann euch da ne Geschichte aus dem Jahr 1994 oder 95 (also kurz nach der "Bahnreform") erzählen... - da faßt man sich echt nur an den Kopp. - Allerdings nicht mehr heute nacht, wollte i-wann ins Bette... bei Interesse heute abend.
Ich bin Gespannt!
So, da war ja nochwas. Kann zwar passieren, daß das jetzt einen Doppelpost gibt, was gerade ich als Mod ja nun wirklich nicht machen sollte (muß ja nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen) - mir für den Moment aber egal, zumal hier Beiträge ja sowieso nicht gezählt werden. Nur bitte nicht im Ontopic-Bereich nachmachen, dieses Doppelpost-Verfahren
Zur Sache, die Geschichte ist wirklich passiert. Also: Strecke Flöha - Niederwiesa, eine zweigleisige elektrische Hauptbahn. Wir befinden uns relativ kurz (maximal ein Jahr) nach der dusseligen "Bahnreform", es gibt also schon die einzelnen Geschäftsbereiche, wie sie in dieser Zeit noch heißen (das Gründen rechtlich eigenständiger Unternehmen geschieht erst in einigen Jahren, so weit sind wir noch nicht).
Auf dieser Strecke ist jedenfalls dummerweise gerade ein Zug liegengeblieben: Lokschaden an der 143er, die will einfach nicht mehr. Der Zug selber ist weder lang noch schwer (gerade drei Dostos), aber die 143 hat sich einstweilen verabschiedet, der Zug steht mitten in der Wallachei rum und blockiert die Strecke.
Der Flöhaer Fdl guckt jedenfalls zum Fenster raus - und sieht in einem seiner Nebengleise eine V100 rumstehen. Nanu, die steht doch sonst nicht da? Gucken wir mal in die tagesaktuellen betrieblichen Anordnungen - aha, die Lok braucht bis heute abend erstmal keiner, dann wird sie erst abgeholt. Fein. Nun kennt der Fdl einen Lokführer persönlich (gute Beziehungen sollen vorkommen
), vielleicht kann der ja helfen... klar, Geschäftsbereich Nahverkehr weiß zwar Bescheid, daß sein Zug da mitten im Wald steht, für die Zugförderung ist zu dieser Zeit aber noch der GB Traktion zuständig, und der hat angeblich gerade keine Hilfslok bzw. würde das noch Stunden dauern, ehe eine herzukommt. Also greift der Fdl zum Telefon und versucht, seinen befreundeten Tf anzurufen... wunderbar, der hat auch zufällig gerade frei... und kommt auf dem "kurzen Dienstweg" zum Bahnhof, macht die V100 startklar, fährt als Sperrfahrt raus, zieht den liegengebliebenen Zug nach Flöha rein und stellt die V100 wieder ab; "Bezahlung" der Arbeitszeit erfolgt dann irgendwann mal beim Grillen mit nem kühlen Bier oder so. Alles wunderbar, alles fein, Strecke wieder frei, Betrieb läuft wieder; der Dosto-Zug steht jetzt in Flöha, wo er keinem mehr im Weg rumsteht.
Möööööööp! Denkste!!!
Im Nachgang machte der Geschäftsbereich Traktion ein Riesen-Trara auf, was sich der Fdl als Vertreter des GB Netz erdreistet, ungefragt über das Eigentum von Traktion (die V100) zu verfügen und dieses ungefragt einzusetzen! Jetzt ist aber mal der Fdl, dieser Bösewicht, persönlich schadenersatzpflichtig an den GB Traktion; der GB Netz lehnte die Verantwortung ab, weil Netz selber ja den Einsatz nicht angewiesen hatte! Also will Traktion die Einsatzzeit der Maschine allen Ernstes dem Fdl persönlich in Rechnung stellen und droht sogar, ihn deshalb vor Gericht zu zerren - da endlich schläft die Gewerkschaft (damals noch GdED) aus und greift ein: sagt mal, Traktion, hackts bei euch?!
Der Mann sorgt hier dafür, daß der Betrieb läuft, und zum Dank dafür wollt ihr ihn vor Gericht zerren?! Aber sofort zieht ihr die Klage zurück, sonst ist hier mal richtig was los.
Daraufhin gab Traktion grummelnd und zähneknirschend klein bei...
... natürlich nimmt es nicht weiter wunder, daß der Fdl seither nur noch Dienst nach Vorschrift machte, und wenn alles zusammenbrach
Jaaaa, schöne neue Bahn-Welt... der Fdl hatte eben den Fehler gemacht, noch nach altem Staatsbahn-Muster zu denken, wo solche Aktionen gar kein Problem waren
Oder, ebenfalls sehr nett: wir sind inzwischen ein paar Jahre weiter in der Zeit. Der GB Traktion wurde zum ich glaube 01.01.1997 oder so aufgelöst, die einzelnen Fahrzeugbaureihen samt Tf wurden auf die Transportbereiche Nahverkehr, Fernverkehr und DB Cargo (Stückgut gabs bereits nicht mehr) aufgeteilt. Noch von früher her hatten nun zahlreiche Maschinen, teilweise komplette Baureihen, Einrichtungen für die Zugheizung, um eben Reisezüge befördern zu können - gerade im Winter braucht es dafür nun mal eine Zugheizeinrichtung; und seit Anfang der 90er wurden es sowieso immer mehr z/ee-Wagen (heißt: diese Wagen erhalten ihren Strom nicht mehr wie früher vom eigenen Diodenachsgenerator, sondern in Form von 1000 V Wechselstrom von der Lok. Brauchen tun sie den Strom zum ständigen Nachladen ihrer Akkus, aus denen dann Sachen wie Beleuchtung, Türen, Magnetschienenbremsen und, wo vorhanden, Klimaanlagen versorgt werden), die für ihren Betrieb zwingend auf diese Energieversorgung angewiesen sind.
Was war das erste, was Cargo bei seinen ihnen nun zugeteilten Maschinen einfiel? Richtig: die Zugheizeinrichtung / Zugsammelschiene MUSS raus! Sofort, egal, was es kostet, aber nur raus mit der Energieversorgung für Wagen!!! Auf daß diese Maschine nie wieder einen Personenzug ziehe, schließlich gehört die jetzt UNS, Cargo!!!
Und natürlich wurde das damals auch glashart durchgezogen
Kostete ja unterm Strich nur paar Millionen, die an sich nutzlosen Werkstattaufenthalte, aber was ist das schon unter Freunden
Und natürlich passierte es nicht nur einmal, daß bei Reisezügen die Lok unterwegs ausfiel und dann stundenlang auf eine Ersatzlok gewartet werden mußte, die natürlich erst von weit her anreisen mußte... nebenan konnten zehn nicht benötigte Loks stehen, NEIN, die durften ums Verrecken nicht an den Reisezug, weil sie ja Cargo gehörten und damit dem Personenverkehr unter überhaupt gar keinen Umständen mehr zur Verfügung standen
Inzwischen ist man - nach ichweißnichtwievielen Zugausfällen und Verspätungsstunden - schlauer geworden, inzwischen haben auch Cargo-Loks wieder ihre Zugheizeinrichtungen und fahren sogar gelegentlich als vermietete Maschinen oder als Füll-Leistungen Reisezüge. Aber erstmal mußte ja von den ganz wichtig oberschlauen "modernen Managern", die natürlich damals wie heute "nicht von der Eisenbahn, sondern aus der freien Wirtschaft" zu uns gekommen sind, um mit ihrer unendlichen wirtschaftlichen Weisheit
das gewachsene System Eisenbahn bestmöglich zu zerhacken und zu sabotieren die Wirtschaftlichkeit der Eisenbahn zu erreichen und sicherzustellen, richtig gut reingehackt werden ins System
Fast unwesentlich nimmt sich dagegen die Episode aus meiner Vergangenheit aus:
Wir befinden uns inzwischen im Jahr 2003, ich bin inzwischen Zugbegleiter beim Fernverkehr in Mainz. Es ist später Abend, ich habe Feierabend, habe meinen Kram im Spind im Bahnhof eingeschlossen und bin auf dem Weg den Bahnsteig 1 entlang Richtung Fahrrad-Abstellung, wo mein Fahrrad auf mich wartet. Ebenfalls auf Gleis 1 steht ein Nahverkehrszug, der stand schon vorhin vor vielleicht 20 Minuten da, als ich mit meinem Kram hoch bin zu den Spinden... hab mir nichts weiter dabei gedacht, was weiß ich, was das für 'ne Gurke ist (d.h. wann und wohin der fahren soll).
Jedenfalls entdeckt mich einer der Mitarbeiter vom Bahnschutz (DB Sicherheit, die als Streifen in den großen Bahnhöfen unterwegs sind) und freut sich sehr, mich zu sehen. Denn: der Zug, der da in Gleis 1 steht, ist eine heute wegen "Rhein in Flammen" oder irgendwas in der Art zusätzlich fahrende Regionalbahn nach Bingen (Rhein) Hbf...schön und gut... nur ein Problem: aus unerfindlichen Gründen fehlt diesem Zug der Zugführer! Und ohne den kann er nun mal nicht fahren - stimmt auch, ist auch richtig, es ist ein Zug aus Buntling-Flachwagen (n-Wagen), und die kann man als Tf nicht alleine fahren, die müssen begleitet werden - gerade wegen der Abfertigung an den Bahnsteigen. Frage also: könnte ich den nicht mal eben bis Bingerbrück bringen...? Naja, kein großes Problem für mich, ich hatte ohnehin nichts weiter Wichtiges vor... sorgt also dafür, daß ich von da aus zurückkomme, dann können wir das schon machen. - Au prima!!! Sofort zückt er sein Handy und ruft an: die Transportleitung vom Nahverkehr ist ja froh, daß der Zug endlich ans Fahren kommt, und selbstverständlich sofort bereit, mir einen Taxi-Gutschein für die Rückfahrt nach Mainz zu faxen (was anderes fährt um diese Zeit nicht mehr zurück). Nun denn, so sei es... ich hole also schnell meinen Krempel von oben aus dem Spind, derweilen trudelt auch das Fax ein - wunderbar. Ansonsten ist der Zug vorbereitet, also beim Fdl fahrbereit melden, es wird auch direkt grün - und Abfahrt. Fahrt verläuft ohne Probleme, alles wunderbar, die Leute sind zufrieden, daß sie um diese Zeit überhaupt noch auf ihre Dörfer kommen, der Zug kommt aus Mainz weg (der gehört nämlich nach Bingen um diese Zeit), alles bestens.
Denkste!
Natürlich wollte ich auch meine Zeit als Arbeitszeit angerechnet haben - waren glaub 1,5 oder 2 Stunden. Am nächsten Tag wußte auch schon mein Gruppenleiter Bescheid... und natürlich durfte ich prompt zum Gespräch bei ihm... wie ich dazu komme, ich weiß doch genau, daß das unterschiedliche Bereiche sind... und wie soll denn das jetzt verrechnet werden... unterschiedliche Bereiche...
... ich hab ihn dann kurzerhand abgewürgt: ihr erzählt uns doch immer, wir sollen kundenorientiert denken und handeln!
Oder etwa nicht?! Und es ist wohl kaum kundenorientiert, den Zug mangels Personal einfach ausfallen zu lassen und den Fahrgästen spät abends / nachts zu sagen: ätsche-bätsche, Pech gehabt, seht zu, wie ihr heimkommt!
- Najaaa, da ist schon was dran... aber das ist doch das Problem vom Nahverkehr und nicht vom Fernverkehr! - Ach nein?! Interessiert aber die Reisenden nicht!! An den Wagen steht genauso das DB-Logo dran wie an unseren Intercities oder ICEs, diese Aufteilung in einzelne Bereiche wissen wohl wir, aber nicht die Fahrgäste, man kann es ihnen schlicht nicht plausibel machen, und es ist und bleibt nicht kundenorientiert, ihnen einfach den Zug ausfallen zu lassen, wiewohl einer da ist, der als Zugführer die Leistung übernehmen kann!
Also was jetzt - sollen wir nun kundenfreundlich denken und handeln oder nicht?!
Daraufhin war Ruhe im Salon... grummelnd und zähneknirschend bekam ich meine Arbeitszeit geschrieben, verbunden natürlich mit dem Hinweis, daß es sowas normalerweise nicht gäbe und ich auf die Trennung der Bereiche zu achten hätte... jaaa-jaaa, blablabla, alles fein, von mir aus. - Ein paar Monate später hatte sich das Zugbegleitdienst-Thema ohnehin erledigt gehabt.
Ja, das waren mal paar solche Geschichten aus der Vergangenheit... mal ein paar Beispiele von "oberen Etagen" und ihrem "Nutzen" für den alltäglichen Betrieb.