RipVanWinkle schrieb:Warum genau wird Lobbyismus überhaupt zugelassen? Der Vorteil für die direkt beteiligten Personen ist mir klar, aber was hat die Regierung als solche davon für einen positiven Effekt? Ich seh da irgendwie nur negatives dran.
Herr Dufte hat schon die wesentlichen Punkte zu verstehen gegeben. Lobbyismus lässt sich im wesentlichen auf Informationen zurückführen. Man pflegt professionelle Kontakte und kommt miteinander ins Gespräch und normalerweise kann man davon ausgehen, dass beide Personen in bestimmten Bereichen mehr wissen als der andere. Korruption kann eine Variante davon sein, es gibt aber auch den Lobbyismus, der einfach nur auf völlig unverwerflichem Wege versucht irgendwie die eigenen Informationen in Politikerkreise einzubringen.
Ich hab' in meinem Leben jetzt schon auf beiden Seiten gestanden und den ganz gewöhnlichen Lobbyismus aus Sicht der Politiker mitverfolgt, oder auch als Teil einer Interessenvertretung.
Das erste was ein Politiker von den Lobbyisten mitbekommt sind Tonnen an Infobroschüren und Einladungen. Das meiste davon wandert geradewegs in den Müll, denn es interessiert im Zweifel einfach nicht. Ein Politiker, der sich mit Gesundheitsfragen auseinandersetzt, der will nichts von der Waffenlobby, oder von irgendeiner Bildungsinitiative hören. Außer man hat ihm vorher erfolgreich eingeredet, dass dies ein ganz wichtiges Thema ist, wo er sich im Sinne seiner Wiederwahl definitiv positionieren muss.
Aber unter diesen Tonnen an Einladungen befindet sich dann auch alles Mögliche an Informationen, die der Politiker tatsächlich gebrauchen kann. Eine Infobroschüre der Pharamlobby, eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung über alternative Krebstherapien usw. Für den Politiker sind diese Veranstaltung aus zwei Gründen interessant. Erstmal bleibt er auf dem Laufenden, hat vielleicht sogar die Möglichkeit sich einen Wissensvorsprung vor Konkurrenten zu verschaffen, zum anderen trifft er dort vorselektiert Leute, die sich ebenfalls für seinen Politikbereich interessieren, beziehungsweise, dort irgendwelche wichtigen Entscheidungen zu treffen haben. Mit diesen will er auch schonmal ins persönliche Gespräch kommen. Wie gesagt, es geht um Informationen. Wenn ein Gesetz eingeht, dann will der Politiker möglichst genau abschätzen können, wie sich dieses Gesetz auswirkt, denn ob es ihm nun persönlich am Herzen liegt eine gute Politik zu machen oder nicht, für seine Wiederwahl ist es entscheidend, dass er auf irgendwelche "Erfolge" verweisen kann.
Von Seiten der Lobbyisten wird die Sache relativ einfach. Die wollen, dass der Politiker die Informationen von Ihnen mit in den Entscheidungsprozess einbezieht. Da geht's darum das Weltbild zu formen. Hinzu kommt, dass der Lobbyist ebenfalls versucht an Informationen zu kommen. Eine Lobbyorganisation möchte wissen, wie der derzeitige Entscheidungsprozess aussieht. Kommt ein Gesetz vielleicht durch, oder kommt es nicht durch? Welche Parteien, bestenfalls sogar, welche Politiker waren da bisher ausschlaggebend?
Hinzu kommen dann natürlich noch weitere Faktoren. Der Lobbyist unterhält sich schließlich nicht nur mit Politikern, sondern auch mit anderen Lobbyorganisationen. Allen geht es immer nur darum, dass ihr eigenes Weltbild sich möglichst präsent im politischen Körper festsetzt. Wenn man's schafft einen eigenen Vertreter zur Referatsebene in einem Ministerium dazuzubekommen. Spitze. Das Ministerium freut sich im Zweifel oft auch darüber, weil die Beamten nicht überall immer State of the Art Wissen haben. Die haben andere Dinge im Job zu tun, die können nicht den neusten Entwicklungsstand permanent nachverfolgen und sind dankbar für die Hilfe.
Es ist ein ziemliches Chaos und natürlich kann sich in diesem Chaos auch eine Menge unangenehmes, teilweise auch illegales Zeug abspielen. Das Problem ist allerdings, dass die Idee Lobbyismus zu verbieten erstens schädlich, zweitens unrealistisch ist. Nehmen wir einfach mal an, dass ein Politiker aus dem Gesundheitsausschuss ein Gesetz auf den Tisch gelegt bekommt und wir jeglichen Kontakt mit Lobbyisten verbieten. Ja, dann sitzt der Politiker da und hat wenige Möglichkeiten zu überprüfen, was diese Gesetzesinitiative auslösen wird. Klar, es gibt die wissenschaftlichen Dienste der Fraktion und im Zweifel auch des Parlamentes. Die Büroangestellten leisten ihre übliche Zuarbeit, aber es fehlt einfach der Einblick in die Praxis. Wenn es um Richtlinien beim Pharmaverkauf geht, dann wäre die Meinung der Apotheker nunmal sehr praktisch zu hören. Heißt ja nicht, dass man ihre Position nachher teilen muss, aber immerhin mal anhören wäre ja nun nicht verkehrt.
Hinzu kommt das Interesse des Politikers, sich mit bestimmten Interessen zu assoziieren. Interessenverbände können teilweise einen hohen Einfluss in ihrem Kernklientel, manchmal aber auch darüber hinaus haben. Aber wenn ich sichergehen will, dass mich die Arbeiter mögen, dann sollte ich immerhin nicht so blöd sein mir die Gewerkschaften grundsätzlich zu Feinden zu machen.
Das zweite Problem bei der Idee Lobbyismus ganz zu verbieten ist aber, dass der Lobbyismus sich einfach darauf verlagern wird, wo er nicht überprüfbar ist. Bleiben wir mal von den illegalen Bereichen weg, weil die ohnehin logisch sind, aber für einen Lobbyvertreter ist es auch problemlos möglich sich einfach mit Flips und Pappbecher in der Hand auf'm Kindergeburtstag mit Politikern oder hohen Beamten zu unterhalten. Eine Anmeldung und man ist im selben Tanzclub und nur noch so nebenbei, Lobbyisten haben ein gutes Gespür dafür, ob sie überhaupt mit Politikern direkt reden müssen. Im Zweifel verlässt sich der Politiker da einfach auf den Ratschlag seines Büroleiters.
Um dann nochmal ganz gezielt diese Sachen mit deiner Frage zu verbinden, was genau die Regierung denn jetzt daraus bekommt: Die Regierung bekommt erstmal so viele Informationen wie sie überhaupt verarbeiten kann, gratis hinterhergeworfen. Natürlich sind die Informationen interessengesteuert, aber sowas ist ohnehin jedem bewusst. Ganz abgesehen davon, wenn ein Gesetz eine schlechte Auswirkung auf einen komplette Wirtschaftszweig hat, dann will die Politik sowas wissen.
Außerdem musst du bedenken. In den Ministerien arbeiten Beamte in Referaten an den Gesetzesentwürfen. Wenn du Lobbyismus verbietest, dann tauschst du eine Fülle an Informationen über diese Dinge, gegen die Meinung einer Hand voll Beamten und Wissenschaftler aus. Leute die sich auch sonst bereits gemeldet hätten, aber jetzt die einzigen sind, die überhaupt noch den Politikern Informationen zukommen lassen, wie sie zu denken haben. Dann bekommt der Politiker eben nicht mehr die Meinung von drei Verbänden, zwei Gewerkschaften und diversen sonstigen Gruppen zu hören, sondern er bekommt ein Gesetz vorgelegt, wo ihm dann vielleicht ein oder zwei Personen noch Kommentare zu abgeben. Das ist dann auch schon quasi die komplette Informationsgrundlage, auf der in einem solchen Staat dann Entscheidungen getroffen werden. Zumindest offziell. Inoffiziell muss der Lobbyist sich jetzt etwas überlegen, wie er Politikern sein Weltbild erklären kann, ohne sie einfach zum Infoabend mit Buffet einladen zu können.
Den Wind können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen.
- Lucius Annaeus Seneca -